Gelsenkirchen. Jedes Jahr zu Silvester werden die Notaufnahmen der Krankenhäuser von Böller-Verletzten überrannt. Ein Gelsenkirchener Chirurg berichtet.
Alle Jahre wieder fordern nicht nur Umwelt- und Tierschützer und die Gewerkschaft der Polizei ein Böllerverbot an Silvester, auch zahlreiche Ärzte schließen sich dem Appell an. Und das hat einen guten Grund: „In der Silvesternacht verzeichnen wir etwa 20 bis 30 Prozent mehr Fälle in der Notaufnahme“, berichtet Dr. Christoph Eicker, Chefarzt der Unfallchirurgie am Marienhospital Gelsenkirchen. 30 bis 40 Personen würden in den Stunden rund um den Jahreswechsel für gewöhnlich allein den Weg in die Notaufnahme suchen. „Dazu kommen dann noch die Patienten, die mit dem Rettungswagen hergebracht werden müssen“, so Eicker.
Es sind meist junge Männer zwischen 16 und 35 Jahre, die schlimmste Verletzungen durch die unsachgemäße Verwendung von Silvester-Raketen und Böllern erleiden, weiß der Chirurg zu berichten. Vor allem nicht zertifizierte Böller, die mitunter eine enorme Sprengkraft haben, sind vorwiegend die Ursache.
Dr. Christoph Eicker hat in seinem Berufsleben schon viele schwere Verletzungen gesehen und behandelt. Besonders in Erinnerung geblieben ist ihm der Fall eines jungen Mannes, dem ein Böller den kleinen, den Ring- und den Zeigefinger abgerissen hatte. Eicker und seine Kollegen mussten den Mittelfinger des Mannes an die Stelle des Zeigefingers setzen, damit der Mann mit der verletzten Hand überhaupt noch nach etwas greifen kann.
Eine Chance, abgetrennte Finger zu erhalten, gibt es dann, wenn die Ärztinnen und Ärzte sowohl am Stumpf als auch am Amputat Arterien, Venen und Nerven finden – und wieder zusammenbringen können. Das ist aber nur selten der Fall. Meist sind die Wundränder verbrannt und durch den Explosionsdruck so zerfetzt, dass eine Rekonstruktion nicht möglich ist. Anders als bei einem glatten Schnitt wie etwa mit einer Axt. Und wenn man den abgetrennten Finger überhaupt in der Dunkelheit findet, dann muss dieser trocken transportiert werden, berichten Ärzte. Das funktioniere im Optimalfall so: Das Amputat wird in ein sauberes Tuch gewickelt und in eine Plastiktüte gelegt, die anschließend fest verschlossen wird. Dieser Beutel wird in einen zweiten Beutel gelegt, der mit Wasser und Eis gefüllt ist und der dann für den Transport ebenfalls verschlossen wird.
Aber auch am Neujahrstag haben die Ärzte in aller Regel noch viel zu tun, berichtet Dr. Eicker. Und häufig wird es dann besonders dramatisch, wenn zunehmend Kinder eingeliefert werden, die nicht explodierte Böller und Raketen vom Straßenrand aufsammeln und anzünden.