Gelsenkirchen. Stehende Ovationen vor zweimal ausverkauftem Haus für das Orchester der Neuen Philharmonie Westfalen beim Weihnachtskonzert.
So richtig weihnachtlich ums Herz wurde dem Publikum erst am Ende des fast dreistündigen Weihnachtskonzerts der Neuen Philharmonie Westfalen im Großen Haus des Musiktheaters im Revier. Da erklangen mit „O Du Fröhliche“ und „Stille Nacht, heilige Nacht“ die beiden beliebtesten Melodien zum Mitsingen. Und die Zuhörerinnen und Zuhörer stimmten dankbar und lautstark mit ein, begleitet vom großen Orchester. Zum Abschluss eines festlichen, abwechslungsreichen Programms gab’s Jubel und stehende Ovationen.
Sämtliche Karten für Weihnachtskonzerte waren schon im Sommer vergriffen
Prallvolle Parkplätze, lange Schlangen beim Einlass, erwartungsfrohe Menschen: Das Weihnachtskonzert des Landesorchesters ist seit vielen Jahren ein absoluter Publikumsmagnet. Ob in Gelsenkirchen, Recklinghausen, Marl oder Kamen: Karten sind zumeist schon im Hochsommer restlos vergriffen. So blieb auch am Sonntag im Musiktheater in den beiden Konzerten kein Platz unbesetzt.
Festlich geschmückt die Bühne, kurzweilig die bewährte Mixtur aus Klassik, Arien, Weihnachtsgeschichten und charmanter Moderation. Früher war mehr Lametta? Ein bisschen schon. Die Tannenbäume inzwischen ebenso unecht wie die Kerzen im Leuchter und auch auf traditionellen Chorgesang und Kinderstimmen mussten die Zuhörer verzichten. Für die passende optische Stimmung sorgten ein festliches Lichtdesign und eingeblendete Weihnachtsfotos.
Generalmusikdirektor Rasmus Baumann präsentierte ein durchaus festlich funkelndes, wenn auch leider nicht mit populären Klassikern gespicktes Programm. Natürlich setzt barocker Klang eines zunächst klein besetzten Streichorchesters Maßstäbe für ganz Besonderes, bringt Ruhe und Besinnlichkeit in den hektischen Vorweihnachtstrubel. Die Ouvertüre zu Georg Friedrich Händels Oratorium „Der Messias“ bot mit ihrer zeitlosen Friedensbotschaft den perfekten, transparenten und effektvollen Einstieg. Feinster Barockglanz leuchtete auch mit Arcangelo Corellis Auszügen aus dem „Concerto grosso op. 6“ und mit Giuseppe Torellis Konzert für Trompete und Orchester D-Dur.
Als hochkarätige, virtuose Solisten überzeugten gleich zwei Orchestermitglieder: Alex Rodriguez Parés spielte die Trompete technisch großartig mit klarem, wehmütig-elegischem Ton. Cellist Francois-Marie Lhuissier begeisterte mit warmem Klang mit Max Bruchs hochromantischem, melodiösen Werk „Kol Nidrei op. 47“, basierend auf einem jüdischen Gebet.
NPW-Cellist Andreas de Witt führte humorvoll durch das Programm
Für den strahlenden Glanz einer großen Stimme sorgte Tenor Khanyiso Gwenxane, Mitglied des MiR-Opernensembles. Er interpretierte Gerald Finzis Intrada und Rhapsody aus „Dies Natalis“ op. 8 und, sehr eindrucksvoll und anrührend, die Arie „Che gelida manina“ aus Puccinis Oper „La Boheme“. Gwenxane gestaltete auch fulminant den Abschlussblock mit Weihnachtsliedern, darunter das beliebte „White Christmas“.
Durchs Programm führte eloquent, kenntnisreich und humorvoll NPW-Cellist Andreas de Witt. Er gab kurze Einführungen in die Werke und versprach, dass wissenschaftlich bewiesen sei: „Musik macht gesund.“ Für die Pause bot er kleine „Erste-Hilfe-Koffer“ zum Verkauf an: „Wir nennen sie CD’s.“ Mit der Einspielung „Bäche“ und Musik unter anderem von Johann Sebastian Bach liegt eine ganz aktuelle vor, die sich so mancher als klingendes Weihnachtsgeschenk sicherte.
Dirigentenpult von Rasmus Baumann war mit Kunstschnee verziert
Um Last-Minute-Geschenke drehte sich auch eine der beiden Weihnachtsgeschichten, die der ausgezeichnete Recklinghäuser Rezitator Michael van Ahlen vortrug, seit Beginn der Konzertreihe zuverlässiger Gast mit immer neuen, überraschenden Texten. Axel Hacke erzählt augenzwinkernd von „alle Jahre wieder geplatzten guten Vorsätzen“ und Heinrich Böll von einem gutmütigen Kellner, der seinen Job bereitwillig für einen kleinen Jungen riskiert.
Für den musikalischen Schwung sorgte ein agiler Generalmusikdirektor auf seinem mit Kunstschnee umrahmten Pult. Rasmus Baumann dirigierte am Ende auch gut gelaunt das komplette Auditorium. Danach galt für die meisten Zuhörer: Weihnachten kann kommen.