Gelsenkirchen. In der ausverkauften Heilig-Kreuz-Kirche in Gelsenkirchen stieg eine Premiere: Live-Konzert mit 700 Stimmen in der Vorweihnachtszeit.
Sie unterstützt, wärmt und schützt, diese in sich geschlossene Gruppe, auch „Rudel“ genannt. Bei Wölfen heult ein solches zur Verständigung. Aber die über 700 Gleichgesinnten in der Heilig-Kreuz-Kirche müssen sich gar nicht abstimmen. Beim allerersten Rudelsingen zur Vorweihnachtszeit sind die Regeln klar, aber die Individuen fallen auch deutlich auf. Ein volles Haus und vollen Klang bietet diese Premiere in Ückendorf. Und sie wird ein voller Erfolg.
Ganz eindeutig ist es eine weibliche Domäne, die Bariton- oder Bass-Stimmen sind an diesem Abend absolut in der Unterzahl. Tonangebend sind dann aber doch zwei Männer: David Rauterberg als Moderator, der auch zur Gitarre greift, sowie Matthias Schneider am E-Piano. Sie sorgen für den versprochenen Mix aus Live-Musik und „Hits von A bis Z, von gestern bis heute“.
Das Rudelsingen in Gelsenkirchen bietet einen kunterbunte Mischung
Zwei Pausen gönnen sie ihrem Mega-Chor, und der lässt dann über insgesamt mehr als zwei Stunden reine Sangesleistung auch kein bisschen nach, ist dabei vom Anfang mit „Westerland“ von den Ärzten bis zur Zugabe mit John Lennons „Happy Christmas - War is over“ und natürlich „Stille Nacht“. Die Texte werden per Beamer eingeblendet, eine gewisse Dirigenten-Funktion übernimmt Rauterberg.
Für eine ganz eigene, vorweihnachtliche Stimmung sorgt teils die Aufmachung der „Chormitglieder“. Blinkende Sticker, Rentiergeweihe, Nikolausmützen oder sogar Weihnachtsbäume als Kopfschmuck gibt es in vielen Formen und Farben. Ausschließlich weihnachtlich ist schließlich auch die Song-Auswahl nicht. So leitet das Duo auf der Bühne nach dem Auftakt zu einem seiner Favoriten mit „Chiquitita“ von ABBA (1979) über zu „dem Song von 2023 überhaupt“. Und mit typischem Genuschel führt Rauterberg in den „Udo-Move“ und zum Chart-Stürmer „Komet“ mit Apache 207 - die Besucher legen noch ein paar Dezibel drauf.
In Gelsenkirchen schmettern nicht nur Minderjährige die „Weihnachtsbäckerei“
Auch das Hakenschlagen bereitet keinerlei Probleme, wie sich im nächsten Lied von immerhin 1857 zeigt, das sich um eine Schlittenfahrt im offenen Einspänner dreht - natürlich „Jingle Bells“. Es folgt eins für die eher Minderjährigen, meint der Moderator, tatsächlich aber sind die Erwachsenen textfest und stimmgewaltig dabei und schmettern die „Weihnachtsbäckerei“.
Das Rudel zieht mit beim wohl erfolgreichsten und auch beim umstrittensten Vor-Weihnachtssong schlechthin dicht hintereinander und liefert erst Bing Crosbys „White Christmas“ aus dem Jahr 1941 und Whams „Last Christmas“. Der dramaturgische Aufbau des Abends stellt die Gäste zufrieden, denn sie können im Kirchenschiff per Handy-Lampen ein Lichtermeer erzeugen und sich mit einem Medley von 80er-Jahre-Schunkelsongs rund um „We Are The World“ in die erste Pause gehen.
Bis dahin sind Christiane (60), Sabine und Axel (60) schon einmal hochzufrieden: „Kein Vergleich mit dem Weihnachtssingen in der Arena“, lobt die Ückendorferin, „hier ist viel mehr Stimmung und man trifft nur nette Leute, eben aus der Nachbarschaft. Da müssen alle einfach mitziehen“, meint das Duo lachend, und Christiane erklärt: „Ich wollte immer schon singen und kann es nicht. Hier kann ich.“ Axel knurrt noch, nicht ganz ernst gemeint: „Aber die Toten Hosen sind besser.“
Als hätte Moderator David es gehört, schiebt er gleich nach der Pause das Steigerlied ein, bewusst nicht ans Ende der Veranstaltung, wie man es sonst aus den Revierstädten kenne. Dabei brauchen die Besucher auch den Text im Bühnenhintergrund nicht.
Eine besondere Szene wirkt wie gemacht für dieses Vorweihnachts-Event, denn Rauterberg weiß tatsächlich von einem Ehepaar, das 1958 in dieser Kirche geheiratet hat und in diesem Jahr die Eiserne Hochzeit feiern konnte. „Es ist für uns eine Zeit angekommen“, den Musikwunsch der Jubilare, erfüllen die 700 Gratulanten gern.
Auch auf der dritten Etappe bleibt es beim kunterbunten Liedermix, eröffnet mit einem Rückblick auf die Neue Deutsche Welle und „Major Tom“ (1982), „Probier‘s mal mit Gemütlichkeit“ aus dem „Dschungelbuch“ (1967) und, langsam auf die Zielgerade einbiegend, „Rudolph, the red-nosed Reindeer“.
Wiederholungs-Sänger sind gern gesehen beim nächsten Rudelsingen am 14. März 2024 ab 19.30 Uhr in der „Kaue“ an der Wilhelminenstraße in Schalke.