Im Bahnhofs-Center tritt eine Frau in ein Loch im Pflaster und verletzt sich. Die Stadt lehnt eine Kostenübernahme allerdings ab.
Es ist August. Ein Ehepaar bummelt durch das Bahnhofs-Center, da passiert es: Weil das Gehwegpflaster beschädigt ist, knickt die Frau um und verletzt sich. Das Ehepaar wendet sich daraufhin an das Referat 30 (Recht und Ordnung) der Stadtverwaltung. weil es davon ausgeht, dass die „Zustandshaftung bei der Stadt liegt.” Das Amt bittet um einen Bericht mit Foto und einen Nachweis über die Behandlungskosten. „Eine zügige Behandlung wurde uns zugesichert”, berichtet das Paar. Doch dann sei lange Zeit nichts geschehen, auch nach mehrfacher Nachfrage nicht. „Immer wurden wir um Geduld gebeten.”
16 Wochen später erhielt die Frau einen schriftlichen Ablehnungsbescheid. „Der Bereich im Bahnhofs-Center wird regelmäßig von den Straßenkontrolleuren des Referats Verkehr begangen”, heißt es darin. Die dortige Gehwegoberfläche befinde sich insgesamt in einem verkehrssicheren Zustand. Jedoch könne „das Befahren des Bereichs mit Fahrzeugen dazu führen, dass einzelne Steine aus dem Pflaster herausbrechen”, schreibt die Verwaltung. Solche Schäden würden behoben, sobald sie bekannt geworden sind. Und weiter: „Die Pflicht der Stadt Gelsenkirchen, für den verkehrssicheren Zustand ihrer Straßen und Gehwege zu sorgen, bedeutet nicht, dass der Gehweg schlechthin gefahrlos sein muss.” Eine völlige Gefahrlosigkeit des Gehwegs und der Benutzung könne mit zumutbaren Mitteln nicht erreicht werden.
Empört reagiert das Ehepaar auf diesen Brief: „Nach 16 Wochen Bearbeitungszeit kann mit Sicherheit nicht mehr von Bürgernähe der Verwaltung die Rede sein”, ärgern sich die beiden. „Ganz abgesehen davon, dass die Ablehnung unserem Rechtsempfinden nicht entspricht.” Stadtsprecher Martin Schulmann kann zwar den Unmut der Bürgerin verstehen, sieht die Stadt aber im Recht: „Das Bahnhofs-Center ist kein städtisches Eigentum, daher kann die Stadt hier auch nicht haftbar gemacht werden”, erläutert er.
Allerdings sei ein Teil der Pflasterung im Bahnhofs-Center städtisch, bestätigt auch Center-Leiterin Tanja Böse-Saurien: „Sollte dort jedoch etwas nicht in Ordnung sein, melden wir das unverzüglich der Stadt und der Schaden wird schnell behoben.” Doch selbst wenn der Unfall auf einer Fläche passiere, die Eigentum der Stadt Gelsenkirchen ist, würde das noch keine automatische Schadenersatzzahlung bedeuten, erklärt Stadtsprecher Schulmann: „Die Stolperkante muss eine bestimmte Höhe haben und der Gehweg allgemein in einem renovierungsbedürftigen Zustand sein.”
„Dazu gibt es auch eine entsprechende Rechtsprechung”, so der Stadtsprecher. Überschreiten die Kanten eine gewisse Höhe nicht, sei es jedem Bürger zuzumuten, die Füße etwas höher anzuheben. „Das sehen die Richter übrigens genauso”, sagt Martin Schulmann. So zum Beispiel in einem Urteil des Oberlandesgerichts Hamm. Demnach stellen Höhenunterschiede auf Gehwegen von etwa zwei Zentimetern keine vom Verkehrssicherungspflichtigen zu beseitigende Gefahr dar (OLG Hamm NJW-RR 1987, 412, 413). Ähnlich entschied das Landgericht Dortmund im Jahr 2007. Hier war die Stolperkante sogar vier Zentimeter hoch gewesen.
Ganz glauben kann das Gelsenkirchener Ehepaar das alles nicht: „Die Lücke war groß, da fehlten drei, vier Steine.” Und auch die Reparatur habe gedauert: „Fünf Tage später war das Loch immer noch da.”