Entertainment pur in Gelsenkirchens Musiktheater - und dabei so viel Gutes getan. Wir waren bei der Musical-Gala „It Only Took A Kiss“.
Ein Musical-Abend, an dem der Rubel rollen soll? Da liegt doch eigentlich „Money Makes The World Go Round“ aus „Cabaret“ in der Luft. Aber worum es geht, das zu sagen übernimmt dann doch ganz ohne Gesang Frank Baranowski frei nach einem Song von Gunter Gabriel: „Ohne Moos nix los!“
Dienstag Abend im Musiktheater, ausverkauft bis unters Dach, wann haben wir das zuletzt bei der jährlichen Benefiz-Gala erlebt? Nicht einmal der ehemalige Oberbürgermeister (und treue MiR-Gast) Baranowski weiß das zu sagen.
Der Erfolg liegt natürlich erstens im Genre, Musical mit Ohrwürmchen alter Schule von George Gershwin über Cole Porter bis zu John Kander einerseits. Aber erst recht hat er mit zwei Menschen zu tun, die dem Haus am Kennedyplatz jeder auf seine Weise den satten Stempel gehobenen Entertainments aufgedrückt haben.
Gaines Hall und Anke Sieloff sorgten für ausverkaufte Musical-Gala in Gelsenkirchen
Es ist Anke Sieloff – Gelsenkirchener Publikumsliebling seit nunmehr staunenswerten bald 30 Jahren – die ihr Fach von Rossini bis Mozart durchmessen hat, aber früh und extrem gekonnt (eine Ballettausbildung im trainierten Rücken) eben auch in großen Musical-Partien mit Bravour zu glänzen verstand. Und es ist der Mann, der schon vor 20 Jahren an ihrer Seite in den großen Musical-Erfolgen wie „Crazy for you“; „Silk Stockings“ oder „Anything goes“ an ihrer Seite sang: Gaines Hall, Charmebolzen bis heute und immer wieder an diesem gefeierten Abend für eine heiße Stepp-Einlage gut.
20 Jahre! Dass beide längst die 50 überschritten haben, nehmen sie mit sachter Selbstironie, und ob es zum verliebten Bühnenkuss immer noch reicht, das wird gleich am Anfang der Gala als schmollmundiger Cliffhanger in den Raum gestellt.
„IT ONLY TOOK A KISS“: Riesenerfolg der Benefiz-Gala am Musiktheater im Revier
Es ist ein Abend, an dem niemand was verdient, denn es ist hier und heute das Singen, das Tanzen, der satte Sound der satt auftrumpfenden siebenköpfigen Band um Patricia Martin am Flügel (und Akkordeon) das pure Ehrenamt. Sämtlich verzichten die Künstler auf ihre Gagen. Alles, was an diesem Abend eingenommen wird, geht an einen guten Zweck. Verkörpert wird er von der „Stiftung Musiktheater im Revier“. Die springt ein, wenn den Schulen oder Kindertagesstätten Menschen oder Mittel fehlen. Dass kein Kind zurückgelassen wird in der Möglichkeit, Musik und Theater zu begegnen, ist das Ziel. Wie das aussieht, zeigen inmitten der Gala ein Film und die überrumpelnd witzige Einlage Nikos Striezels, der seit Jahren als Ur-Enkel Sancho Pansas Grundschulen bereist, um an der Seite von zwei Musikern Kindern auf ganz hürdenlose Weise die Geschichte „Don Quijotes“ zu erzählen, inklusive des Apfelschorle-Songs, der auch beim gereiften Gala-Publikum seine Wirkung keinesfalls verfehlte.
Apropos: Ohne Wasser in den Musical-Champagner gießen zu wollen: In Ehren, dass ein solcher Abend auch aufklären soll über Ziel und Zweck der Stiftung. Und doch drehten allzu ehrgeizige Gesprächseinlagen („Evaluation“, „Partizipation“….) dem eleganten Fluss einer Musical-Gala mitunter den Saft ab.
Platz für junge Talente: Musical-Stars der nächsten Generation auf Benefiz-Gala
Clever dagegen, den Abend „It Only Took A Kiss“ auch als Generationenprojekt aufzufächern. Da überließen Sieloff und Gaines gleich fünf jungen, teils preisgekrönten Talenten des Genres die Bühne. Til Ormeloh drehte (wenn auch mit kleinen Kraft-Problemen) für „Moving Too Fast“ die Rock-Röhre auf, Antonia Kalinowski setzte mit „Nur einen Tanz“ auf bittersüße Musical-Töne neuer Schule, Nick Körber stieg hochemotional in die Schattenwelt der „Rebecca“ ein. Und der rasant emporschnellende Applaus des völlig euphorischen Publikums für Anna Overbeck (Gabriellas Song aus „Wie im Himmel“) überraschte das Riesentalent derart, dass sie bei der Rückkehr auf die Bühne ihre knallroten High-Heels schon in den Händen hielt. Staunen über ein hauseigenes Doppel-Talent: Gefeiert wurde die MiR-Theaterpädagogin Sonja Hebestadt für den titelgebenden Song aus „Cabaret“: „Willkommen! Bienvenue! Welcome!“ Man wird sie 2024 wiedersehen – in „Hello, Dolly!“
Aber natürlich gehörte der Abend den Zugpferden. Elegant hielten Anke Sieloff und Gaines Hall Schwung und Nachdenkliches in der Waage. Als Paar sind sie unwiderstehlich, ob sie mit „I Got Rhythm“ oder „Let’s Do It“ elektrisieren. Aber nicht weniger waren sehr persönliche Soli wie Sieloffs „Lernen wie man liebt“ und Halls „So oder so ist das Leben“ Gänsehaut-Momente eigener Art.
Viel Beifall, lauter glückliche Gesichter. Es waren Stunden jener Sorte, in denen man vor lauter Amüsement gar nicht merkt, dass man anderen ganz nebenbei was Gutes getan hat.
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15.000 Euro für die Arbeit mit jungen Menschen - und es wird noch mehr
Schon das ausverkaufte Musiktheater im Revier bescherte am Dienstag Abend der „Stiftung Musiktheater im Revier“ einen Erlös von rund 15.000 Euro. Der Betrag wird allerdings noch höher ausfallen: Spendenboxen im Foyer sah man schon in der Pause längst nicht nur mit Münzen gefüllt. Freundliche Halloween-Geister und fesch ausstaffierte Ball-Debütanten waren zudem sammelnd im Großen Haus unterwegs. Wir werden nach der Auszählung über den Betrag informieren.
Den großen Erfolg für die gute Sache feiern konnte das Ensemble nach der fast dreistündigen Gala dann im Foyer – mit dem Publikum, dessen Ansturm auf diesen Theaterabend natürlich den dicksten Spenden-Batzen ausmachte.