Gelsenkirchen-Buer. Ilona Munzel arbeitet seit 1979 in der Trauerhalle des Hauptfriedhofs in Gelsenkirchen-Buer. An den Umgang mit Toten musste sie sich gewöhnen.

„Das, was Du machst: Das könnte ich nicht!“ Diesen Satz hat Ilona Munzel in den vergangenen 44 Jahren schon oft gehört, immer dann, wenn sie von ihrem Job erzählt. Und genauso oft hat sie darauf geantwortet, mit dem ihr eigenen Pragmatismus, den man wohl auch braucht, wenn man diesen Beruf ausübt: „Irgendwer muss das ja machen.“

Ganz idyllisch am Rande der Buerschen Innenstadt liegt der Hauptfriedhof, der mit Abstand größte Friedhof der Stadt. Zum Friedhof gehört auch die Trauerhalle, und dort arbeitet Ilona Munzel seit 1979. Wobei das viel zu nüchtern formuliert ist. Maria Hoffmann-Herz, Inhaberin der Friedhofsgärtnerei Herz, bringt es mit einem Satz auf den Punkt: „Ilona Munzel ist die gute Seele des Hauptfriedhofs.“

An den Umgang mit den Toten musste sich die Gelsenkirchenerin erst gewöhnen

Ganz konkret heißt das: Die 63-Jährige ist verantwortlich dafür, dass sich die Trauerhalle des Friedhofs von ihrer besten Seite präsentiert, wenn dort Trauerfeiern stattfinden. „Ich kümmere mich darum, dass alles sauber ist – von den Toiletten bis zur Halle selbst –, und dass etwa Kränze und Blumengestecke da stehen, wo sie hingehören.“ Doch das ist längst nicht alles: Weil sie in der Regel von halb acht bis vier Uhr nachmittags da ist, und in der Zeit auch immer wieder Angehörige kommen, um sich von ihren Verstorbenen zu verabschieden, hat sie auch für diese Menschen immer ein offenes Ohr. „Man hört dann halt ein bisschen zu“, sagt sie.

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An den Job gekommen ist Ilona Munzel als junge Frau, Ende der 1970er-Jahre. „Ich habe damals im Außenbereich des Friedhofs gearbeitet, als die Stelle in der Trauerhalle frei wurde“, berichtet sie. Sie sagte zu, gesteht aber: „An den Umgang mit Toten musste ich mich erst noch gewöhnen.“ Denn das Gebäude auf dem Hauptfriedhof wird nicht nur für Trauerfeiern und Aufbahrungen genutzt: Hier wurden und werden von der Polizei beispielsweise auch Leichen angeliefert, die aufgefunden werden und bei denen etwa die Identität noch geklärt werden muss. „Da sieht man bisweilen schon Dinge, die nicht so schön sind“, berichtet Ilona Munzel.

Das hat sich bei den Beerdigungen im Laufe der Jahre alles geändert

In den mehr als 40 Jahren, in denen sie den Job schon macht, hat sie aber gelernt, damit umzugehen. „Ganz wichtig: Ich lasse die Eindrücke auf dem Friedhof und nehme nichts davon mit nach Hause“, sagt sie. Mit ihrer Familie, ihrem Partner spricht sie zwar über ihre Arbeit – die schlimmen Dinge behält sie aber für sich. An einen Aspekt hat sie sich auch in all den Jahren nie gewöhnt: „Wenn junge Menschen oder gar Kinder sterben: Das finde ich immer noch ganz schwer zu ertragen“, sagt Ilona Munzel.

Zwei bis drei Beerdigungen pro Tag finden in der Regel auf dem Buerschen Hauptfriedhof statt – die 63-Jährige hat jede Menge davon gesehen. Sie hat dabei beobachtet, dass sich die Art und Weise, wie sich Menschen von ihren verstorbenen Angehörigen verabschieden, im Laufe der Zeit gewandelt hat. „Früher hat die Kirche eine größere Rolle gespielt“, sagt sie, die Trauerfeiern seien meist dem katholischen oder protestantischen Ritus gefolgt, es seien Kirchenlieder gesungen worden. Heute würden oft freie Trauerredner die Beerdigungen gestalten, Musik werde häufig vom Band gespielt. „Oft halten auch die Angehörigen selbst die Trauerreden – das hätte es früher eher nicht gegeben.“ Einige Trauerfeiern sind ihr besonders im Gedächtnis geblieben: „Einmal wurde ein Mädchen beerdigt, das den Sinti und Roma angehörte: Da kamen 500 Menschen, der Sarg wurde mit einer Kutsche gefahren.“

In zwei Jahren wird Ilona Munzel in Rente gehen: Dann hat sie mehr Zeit für ihre Hobbys, fürs Radfahren, Schwimmen, oder für Reisen mit ihrem Partner. Einige Male habe sie sich in den vergangenen Jahren beim Gedanken ertappt: „Einmal wirst Du auch hier auf diesem Friedhof liegen.“ Viel Zeit würde sie aber nicht auf diesen Gedanken verschwenden. „Wie meine eigene Beerdigung aussehen soll: Darüber denke ich nicht nach“, sagt sie und lacht.