Gelsenkirchen. Über ein Jahr ist die Spitze des Gelsenkirchener Polizeipräsidiums unbesetzt. Warum die Suche so zäh ist, welche Wende sich plötzlich abzeichnet.
Ärger und Frust hat die Hängepartie um die lange verwaiste Führungsposition bei der Polizei Gelsenkirchen ausgelöst. Wann immer Anfragen zur Nachbesetzung der Präsidiumsspitze gestellt wurden, stets hieß es aus dem NRW-Innenministerium, man befinde sich noch im internen Abstimmungsprozess. Zuletzt hatte die FDP im Landtag nachgehakt und eine ähnlich unbefriedigende, weil nichtssagende Antwort erhalten: Die Stelle werde besetzt, sobald die Abstimmungen abgeschlossen seien.
Die Vakanz im Gelsenkirchener Präsidium dauert nach dem Abgang von Britta Zur nach Düsseldorf nun schon fast anderthalb Jahre an. Die rund 860 Frauen und Männer versehen seither auch ohne Führungsspitze im Präsidium ihren Dienst, müssen aber seitdem auf ein Gesicht der Behörde nach außen und eine nach innen wirkende Kontrollinstanz verzichten.
EM-Stadt Gelsenkirchen steht nicht allein: Vakanzen auch in Düsseldorf und Köln
Gelsenkirchen ist damit Einzelfall, auch in anderen Präsidien ist der Spitzenposten verwaist – für die Gewerkschaft der Polizei „ein Unding“. In vier von 18 Großstädten in NRW ist die Spitzenposition ihr zufolge unbesetzt, zum Teil seit über einem Jahr. Mit Aachen (seit Oktober 2023), Düsseldorf (seit Februar 2023), Gelsenkirchen (seit August 2022) und Oberhausen (seit April 2022) werden aktuell vier Großstadtbehörden nur kommissarisch geführt – darunter die Landeshauptstadt mit der Partymeile Altstadt als Brennpunkt und dem Landtag als Ziel von vielen Demonstrationszügen.
Mit Gelsenkirchen und Düsseldorf sind zudem zwei Standorte der Fußball-EM 2024 dabei. Zu den Titelkämpfen werden Hunderttausende Fans erwartet, auch gewaltbereite Hooligans. Das Thema Chefposten hat also hohe Brisanz. Dazu kommt, dass in Köln – ebenfalls EM-Spielstadt – der Polizeipräsident im November geht, in Mönchengladbach im Dezember.
In Gelsenkirchen ist der Leitende Polizeidirektor Peter Both für die Sicherheit bei der EM zuständig. Both wird mit den anderen Städten die polizeilichen Maßnahmen koordinieren. Allein das bedeutet Mehrarbeit satt für ihn und die Polizei. Erschwerend: Als ranghöchster Polizeibeamter vor Ort leitet Both kommissarisch die Behörde. Sie hat es hier mit einer Fanszene zu tun, den Schalker Ultras, die mit der Polizei seit Jahren über Kreuz liegt und ihr im Bundesliga-Alltag ohnehin schon viel Kraft und Kräfte abverlangt. Als Leiter auf Abruf muss Both alle Ressorts im Blick behalten und kontrollieren – das geht nicht ohne Unterstützung anderer Führungsebenen im Präsidium. Insofern wird der Behörde und ihren Kräften ein harter Spagat auferlegt, denn die Kriminalitätsbekämpfung geht ja weiter. Stichwort: Teenie-Räuber, Clan-Kriminalität und so fort.
Einflussfaktoren bei der Besetzung der Gelsenkirchener Polizeispitze
Bei der Besetzung von Polizeipräsidenten spielt in der Regel auch die politische Ausrichtung möglicher Kandidaten eine Rolle. Das Oberverwaltungsgericht Münster hat Zweifel an der Praxis, weil sie gegen das Beamtenrecht verstoßen könnte. Das Bundesverfassungsgericht soll daher darüber entscheiden. Wann es dazu ein Urteil fällt, ist aber offen. Niedersachsen hat politische Beamte an der Spitze von Polizeibehörden mittlerweile abgeschafft.
Nicht unerheblich dürfte auch der Faktor Geld sein. Mit rund 100.000 Euro wird die Führungsposition im Gelsenkirchener Präsidium vergütet. In der deutlich größeren Landeshauptstadt, in die es Britta Zur ab Sommer 2022 zog, erhielt sie als Beigeordnete für Bürgerservice und Sport rund 130.000 Euro jährlich. Mittlerweile ist sie zur Ordnungsdezernentin aufgestiegen.
Innenminister Herbert Reul (CDU) begründete den langen Abstimmungsprozess zuletzt damit, dass Kandidatinnen und Kandidaten vielerlei Fähigkeiten mitbringen müssten für solch ein Amt: Führungsstärke, ein breites Wissen im Bereich Ordnungsrecht, ein Gefühl für juristische Fragen und mehr. Der Minister versprach: „Bis zur EM werden diese Posten besetzt sein.“
In Gelsenkirchen offenbar doch noch früher. Nach WAZ-Informationen gibt es einen Vorschlag, der dem Kabinett am Dienstag (24. Oktober) in seiner Sitzung vorgestellt wird. Gibt Düsseldorf und danach auch der örtliche Polizeirat grünes Licht, so dürfte zumindest dieses leidige Kapitel beendet sein.