Gelsenkirchen. Die Sperrmüll-Abfuhr ist in Gelsenkirchen Tag für Tag im Einsatz, um Müll zu beseitigen. Was die Müllwerker dabei erleben und was sie vorfinden.

Langsam rangiert Daniel Wilmshöfer den „Knacker“ rückwärts, piepend, blinkend, bis er endlich da steht, wo er sein soll: Mit seiner riesigen Ladeluke vor dem, weswegen er gekommen ist – Sperrmüll, in vielen Formen, mal in großen Teilen, mal in kleineren. Ein paar Straßenzüge später wird Daniel Wilmshöfer mit seinen beiden Kollegen Danny Westphal und Gino Semelka vor der größten Aufgabe ihres Arbeitstages stehen, muss sogar Unterstützung anfordern. Und doch ist es wieder ein ganz gewöhnlicher Tag für die drei Gelsendienste-Mitarbeiter bei der Sperrmüll-Abfuhr.

Gelsenkirchen und sein Müll: Alltag für die Müllwerker von Gelsendienste

Heute fahren sie durch Schalke, 35 Adressen stehen auf ihrer Liste, die die Disponentin anhand der Meldungen am Vortag erstellt hat. 35 Adressen bedeuten auch: 35 Sperrmüll-Haufen, von denen sie nicht wissen, wie sie überhaupt im Detail aussehen und vor allem: Was ihnen (darin) so alles begegnen wird. Ekel? Wilmshöfer, Westphal und Semelka winken ab: „Den gibt es bei uns nicht“, sagen sie, ziehen die groben Arbeitshandschuhe an und beginnen mit dem Laden, wenige Sekunden später beginnt das Müllauto mit dem Knacken. „Blau-weißes Top-Team – immer für Sie am Ball!“ steht in großen Lettern auf den Seitenflächen des LKW.

„Dabei machen wir doch nur die Stadt sauber“: Daniel Wilmshöfer, Danny Westphal und Gino Semelka (v.l.) von Gelsendienste machen ihren Job auf Gelsenkirchens Straßen gerne – doch sie haben bemerkt: Die Menschen werden immer unentspannter, reagieren häufiger gereizt.
„Dabei machen wir doch nur die Stadt sauber“: Daniel Wilmshöfer, Danny Westphal und Gino Semelka (v.l.) von Gelsendienste machen ihren Job auf Gelsenkirchens Straßen gerne – doch sie haben bemerkt: Die Menschen werden immer unentspannter, reagieren häufiger gereizt. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Eine Presse drückt die Müllberge in den hinteren Teil der Ladekammer, Schranktüren, Spiegelschränke, Wohnzimmertische, ganze Couch-Garnituren, „bitte entsorgen“ war auf dem Boden davor sichtbar angeklebt. Mühelos greift sich die Mechanik des Knackers alles, was ihr die drei Gelsendienstler vorsetzen, mit lauten Knack-Geräuschen macht sie daraus Kleinholz und gequetschtes Plastik. Sechs bis acht Tonnen Sperrmüll kann der Knacker vertragen, danach muss er geleert werden. In Herne, bei der Firma Remondis, die die Sortierung, die Entsorgung und das Recycling für Gelsenkirchens Sperrmüll übernimmt. An diesem Mittwoch, gegen halb zehn, waren sie bereits einmal in Herne, „die ersten sechs Tonnen haben wir schon weg heute Morgen“, sagt Daniel Wilmshöfer.

Fünf Sammelwagen für Sperrmüll gibt es bei Gelsendienste, durchschnittlich 820 Termine haben sie pro Woche. 2022 haben Gelsenkirchener Haushalte 10.673,35 Tonnen Sperrmüll vor die Tür gestellt, einen „Corona-Peak“, wie Gelsendienste-Sprecher Tobias Heyne es nennt, gab es in den beiden Jahren davor, damals, als während der Lockdowns und des gezwungenen Innehaltens viele ihr Zuhause entrümpelten. Im Jahr 2020 kam so eine Sperrmüll-Menge von 12.536,67 Tonnen und ein Jahr später eine Menge von 12.322,65 Tonnen zusammen.

Besonders betroffene Müll-Stadtteile in Gelsenkirchen: Schalke, Ückendorf, Bulmke-Hüllen

In Gelsenkirchens Süden seien besonders die Stadtteile Schalke, Schalke-Nord, Bulmke-Hüllen und Ückendorf betroffen, berichtet Tobias Heyne. Aber auch im Norden, etwa in Horst, gibt es neuralgische Müll-Punkte. Es sind zumeist die Stadtteile, in denen es eine hohe Fluktuation gibt, wo viele Menschen nur für kurze Zeit Wohnraum beziehen. Und immer wieder kommt es zu regelrechten (auch illegalen) Müllbergen an den Straßenzügen dieser Stadt. Dabei ist die Abholung – anders als in anderen Städten – stets kostenlos und mehrmals im Jahr möglich und kann online auf der Gelsendienste-Seite, aber auch per Telefon, einfach angemeldet werden.

Zusammen geht’s schneller: Um den Sperrmüll-Berg an der Gelsenkirchener Grillostraße abzutragen, haben Daniel Wilmshöfer und seine Kollegen Verstärkung eines anderen Sperrmüll-Teams angefordert.
Zusammen geht’s schneller: Um den Sperrmüll-Berg an der Gelsenkirchener Grillostraße abzutragen, haben Daniel Wilmshöfer und seine Kollegen Verstärkung eines anderen Sperrmüll-Teams angefordert. © Annika Matheis

Zurück an die Grillostraße. Was da am Straßenrand liegt, ist nicht mehr nur Sperrmüll, sondern eine echte Herausforderung. Es scheint, als habe man versucht, einen ganzen Haushalt auf diese Weise zu entsorgen, nur: So ganz gelingen wird es nicht. Denn: Wilmshöfer, Westphal und Semelka nehmen nur das mit, was auch wirklich in den Sperrmüll gehört – Tische, Schränke, Matratzen, Lattenroste, große Pappteile. Zwischenzeitlich hat Wilmshöfer Unterstützung angefordert, das machen sie so, sich untereinander austauschen, wer gerade Hilfe braucht. Kaum ist der zweite Wagen mit drei weiteren Kollegen da, geht auch alles ganz fix: „Viele Hände, schnelles Ende, ne?“, sagt einer von ihnen. Stimmt wohl, und sie rücken wieder ab.

Müllberge in Gelsenkirchen: „Wenn die Leute Häuser kaufen, dann merkt man es extrem“

Was vom Haufen übrig ist sind offene Säcke voller Kleider, aufgeweicht von der Feuchtigkeit, daneben Farbeimer, dazwischen vergammeltes Kinderspielzeug und oller Weihnachtsschmuck. Was liegen bleibt – darum muss sich eigentlich derjenige kümmern, der den Sperrmüll angemeldet hat. Eine Frau sagt im Vorbeigehen nur: „Ach du Scheiße“, und verzieht angewidert das Gesicht.

Daniel Wilmshöfer ist seit 2010 bei Gelsendienste, vorher war er im Fernverkehr, sagt er. Der 48-Jährige kennt sein Revier, wohnt selbst in Schalke, und das Haus, vor dem sich der Sperrmüll-Berg des Tages auftürmt, sei ebenfalls bei den Entsorgern bekannt. Daniel Wilmshöfers Erfahrung: „Wenn die Leute Häuser kaufen, dann merkt man es extrem.“ Warum? Häufig würden die Wohnungen gar nicht mehr leer geräumt, sondern sämtliches Inventar schlicht zurückgelassen. Was in diesem Fall dahinter steckt? Sie wissen es nicht.

Gelsenkirchens Sperrmüll: Vergammelte Lebensmittel, ranzige Matratzen, schimmelige Möbel

Und noch so ein Ding: Gelsendienste sammelt und entsorgt regelmäßig auch ausgediente Elektrogroßgeräte. Und so kann es sein, dass auch schon mal ein Kühlschrank voller Lebensmittel am Straßenrand auf die Abholung wartet. Nicht umsonst hat Gelsendienste im Info-Flyer den in diesem Falle wichtigen Satz angeführt: „Natürlich können Kühl- und Gefrierschränke nur entsorgt werden, wenn keine Lebensmittelreste mehr enthalten sind!“

So geht die Termin-Buchung für Sperrmüll & Co.

Als Faustregel für den Sperrmüll gilt: All das gehört hinein, was man auch bei einem Umzug mitnehmen würde, also zum Beispiel Stühle, Tische, Schränke oder anderes Mobiliar wie Matratzen oder Lattenroste. Auch Teppiche oder Laminat (in Bündeln) werden kostenlos entsorgt.

Der Sperrmüll und auch Elektrogroßgeräte (Kühlschränke, Waschmaschinen, Herde etc.) dürfen frühestens ab 12 Uhr am Tag vor dem vereinbarten Termin und spätestens bis 6 Uhr am Abfuhrtag bereit stehen. Wichtig: Der Sperrmüll sollte am Fahrbahnrand gelagert werden. Eine Abholung von privaten Grundstücken ist nicht möglich.

Für den kostenlosen Abholservice der Elektrogroßgeräte sorgen zwei weitere Gelsendienste-Fahrzeuge mit Hebebühnen. Pro Woche fallen laut Gelsendienste dafür 265 Termine an.

Wie geht’s zum Termin? Online im Netz unter gelsendienste.de/terminvereinbarung oder per Telefon unter 0209/945 4777 (montags bis freitags von 8 bis 18 Uhr). Es besteht auch die Möglichkeit, den Müll an den Wertstoffhöfen abzugeben.

Vergammelte Lebensmittel, ranzige und von Tierhaaren übersäte Matratzen, schimmelige Möbelstücke – Daniel Wilmshöfer, Danny Westphal und Gino Semelka begegnet bei ihrer Entsorgungs-Tour eine ganze Menge. „Das sieht doch noch ganz gut aus“, sagen sie an anderer Stelle, als sie einen Müllhaufen gegenüber vom Schalker Markt Stück für Stück abtragen. Manchmal müsse man aufpassen, dass einem nicht noch eine Ratte entgegengesprungen kommt.

Die Drei von der Müllabfuhr, sie machen ihren Job gerne, auch wenn er anstrengend ist und sie am Ende des Tages wissen, was sie geleistet haben. Worüber Daniel Wilmshöfer sich ärgert, ist die Ignoranz der Menschen, wenn er mit seinem tonnenschweren Müll-LKW den Verkehr behindert. Geht doch leider manchmal nicht anders, ist die Devise. Dennoch: „Die Leute werden immer unentspannter, das hat in den letzten fünf Jahren nochmal angezogen“, ist Wilmshöfers Beobachtung. Häufig reagierten die Menschen mit Unverständnis, so manches Mal mit „Geschimpfe und Gehupe“ – „dabei machen wir doch nur die Stadt sauber“, sagt Wilmshöfer und seine beiden Kollegen nicken.

Ihre Jobs möchten sie dennoch nicht missen, denn langweilig werde es ihnen nie. Und Daniel Wilmshöfer sagt auch: „Das ist das Schöne, man sieht sofort ein Ergebnis.“