Gelsenkirchen-Scholven. Die Gelsenkirchener Grünen laden zu einer Diskussion über die BP-Norderweiterung ein. Vom Konzern selbst wird aber niemand anwesend sein.

Soll nördlich des Geländes der BP-Raffinerie in Gelsenkirchen-Scholven in den kommenden Jahren eine Pyrolyseanlage gebaut werden? Wenn es nach BP, der Stadt Gelsenkirchen und großen Teilen der Stadtpolitik geht, lautet die Antwort ja. Doch nicht alle Parteien stimmen den Plänen zu: So sehen etwa die Grünen noch viele ihrer Fragen unbeantwortet. In der kommenden Woche wollen sie darüber mit Gelsenkirchens Stadtbaurat Christoph Heidenreich öffentlich diskutieren.

Am kommenden Dienstag, 17. Oktober, findet die Veranstaltung um 18.30 Uhr im Gemeindesaal von St. Mariä Himmelfahrt an der Goldbergstraße 7 in Buer statt – alle, die das Thema interessiert, sind dabei willkommen. „Wir hätten auch gerne Vertreter von BP an dem Abend begrüßt“, sagt Burkhart Wüllscheidt, baupolitischer Sprecher der Grünen in der Gelsenkirchener Ratsfraktion. Aus dem Unternehmen habe es allerdings eine Absage gegeben – mit Verweis auf die derzeit laufende Großrevision bei BP. „Dass man sich da trotzdem nicht einmal zwei Stunden Zeit für eine solche Diskussion nimmt, kann ich nicht ganz nachvollziehen“, so Wüllscheidt.

Gelsenkirchener Grüne tun sich mit Parteikollegen aus Nachbarstädten zusammen

Zum Hintergrund: BP will das Scholvener Werk nach Norden erweitern, konkret geht es um ein Gelände zwischen Ulfkotter Straße, der Halde Scholver Feld, der Straße Auf der Kämpe und der A 52, Anschlussstelle Gelsenkirchen-Hassel. Dort will BP gemeinsam mit der US-Firma Brightmark eine Anlage zur Pyrolyse von Kunststoffmüll errichten. Bei der Pyrolyse handelt es sich um einen chemischen Prozess, mit dem aus dem Müll bestimmte Öle und Gase gewonnen werden, die dann erneut zur Herstellung von neuem Kunststoff genutzt werden können. Auf einer Sondersitzung des Rates am 8. Mai hatten die Abgeordneten mehrheitlich für einen Satzungsentwurf zum Bebauungsplan gestimmt, Gegenstimmen gab es von den Grünen, der Linke, AUF, WIN und der Partei.

Dabei ist der Gelsenkirchener Ortsverein der Grünen mit seiner kritischen Haltung zu dem Großprojekt nicht allein: Auch die jeweiligen Ortsvereine aus den Nachbarstädten Marl, Dorsten und Herten sehen viele Fragen noch nicht beantwortet. Dr. Roland Gaschnitz etwa sitzt als sachkundiger Bürger für die Grünen im Rat der Stadt Marl: Er wies darauf hin, dass die angedachte Pyrolyseanlage an der Grenze zum Marler Stadtteil Polsum errichtet werden soll, bei einem möglichen Störfall wären auch die Polsumer direkt betroffen.

Wüllscheidt: Sind nicht aus Prinzip gegen das Projekt

Außerdem handele es sich bei der Fläche der Norderweiterung um ein Landschaftsschutzgebiet, so Gaschnitz. Das sei nicht per se ein Ausschlusskriterium, so der Marler. „Für eine gute und nachhaltige Standortentwicklung darf man auch schon einmal in ein Landschaftsschutzgebiet gehen – bei der geplanten Pyrolyseanlage sehe ich das derzeit aber nicht.“ Gaschnitz bezweifelte auch die soziale Nachhaltigkeit des Projektes. „Es ist immer die Rede davon, dass 160 neue Arbeitsplätze entstehen sollen. Wenn die meisten davon allerdings Billigarbeitsplätze sind, haben da weder Gelsenkirchen noch seine Nachbarstädte viel von.“

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Auch Wüllscheidt wies den Vorwurf und das seiner Meinung nach verbreitete Vorurteil zurück, dass die Grünen solchen Großprojekten aus Prinzip ablehnend gegenüberstehen. „BP steht ja vor großen Herausforderungen und hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2050 klimaneutral zu werden: Das begrüßen wir natürlich“, so Wüllscheidt. „Wir sind auch für die Sicherung des Standorts Scholven, und für die Schaffung neuer Arbeitsplätze – wir haben halt nur große Bedenken, was das Thema Pyrolyse angeht.“

Nach wie vor kritisieren die Grünen die aus ihrer Sicht mangelnde Transparenz bei dem Thema seitens BP. „Wir bedauern sehr, dass trotz mehrfacher Nachfragen kein BP-Vertreter zu der Diskussion am Dienstag kommt“, so Wüllscheidt. Auch ein eingeladener Wissenschaftler, der zurzeit an einer Beurteilung des Pyrolyseverfahrens für das Umweltbundesamt arbeitet, habe seine Teilnahme wegen einer im Vorfeld geschlossenen Verschwiegenheitserklärung abgesagt.

BP-Sprecher Kai Krischnak bestätigte, dass eine „Teilnahme von BP an der Veranstaltung ist aufgrund der derzeit laufenden, umfangreichen Revision leider nicht möglich“ sei. Er wies allerdings darauf hin, dass der Konzern in den vergangenen Wochen unter anderem Informationsveranstaltungen in Polsum und Hassel durchgeführt und gleichzeitig eine entsprechende Informationswebseite online gestellt habe. „Eine weitere Veranstaltung in Altendorf-Ulfkotte ist geplant“, so Krischnak. „Die Information der Bürgerinnen und Bürger ist uns sehr wichtig.“