Gelsenkirchen. Mit seiner wunderbaren Mischung aus Ruhrpott-Comedy und Rentner-Rock’n’Roll begeisterte Herbert Knebels Affentheater in Gelsenkirchen.
Das Tolle an Herbert Knebel ist, dass er nicht zu altern scheint. Diese Kunstfigur sah schon bei ihrer Erfindung vor 35 Jahren genau so aus wie heute. Vor seinem Auftritt am Mittwochabend in der Heilig-Kreuz-Kirche schien der knötterige Ruhrpott-Oppa aber ein Vollbad in einem Jungbrunnen genommen zu haben. Denn er und sein Affentheater strotzten nicht nur vor Vitalität und Spiellaune, sie gaben dem begeisterten Publikum auch noch reichlich Zucker.
Herbert Knebel rockt auf einer Bühne mit 60er-Jahre-Ausstattung
Um Punkt 19 Uhr tritt die eingeschworene Viererbande ins Scheinwerferlicht und erhält als verdienten Vorschusslorbeer einen frenetischen Begrüßungsapplaus. „Seid Ihr alle da?“ fragt der Gastgeber des Abends. Nach einem kollektiven „Jaaaa“ aus dem Publikum folgt nur ein lakonisches: „Wir auch!“ So geht er, der Herbert-Humor.
Das Bühnenbild erinnert ein wenig an ein Wohnzimmer der Sorte „Eiche Rustikal“ aus den 60ern – also mit Holztisch, Anrichte, Stehlampe plus Stoffschirm sowie vier mit Decken dekorierten Sitzgelegenheiten. Dazwischen sind dezent die Instrumente platziert, zu denen das Quartett an diesem Abend regelmäßig greifen wird. Denn Stammgäste wissen, dass das Affentheater eben nicht nur für Comedy mit ganz viel Lokalkolorit steht, sondern eben auch für eine satte Portion Rentner-Rock’n’Roll.
Beichten aus Herbert Knebels vorehelichem Liebesleben
Gleich zu Beginn nehmen sich Sänger Herbert, Bassist Ernst Pichl, Gitarrist Ozzy Ostermann und der Trainer am Schlagzeug „Let’s Stick Together“ von Bryan Ferry und „Johnny B. Goode“ von Chuck Berry vor. Doch die Texte werden gnadenlos und mit viel Liebe zum Revier-Slang umfrisiert – stets zur Freude einer herzlich lachenden Zuhörerschaft.
Doch Musik und Wort wechseln sich stetig ab. So bekommt Herbert ausreichend Platz und Gelegenheit, um über sein Wiedersehen mit Lola Hasenkamp zu plaudern, die er noch „aus seinem vorehelichen Liebesleben“ kenne. „Unter sie kriegte ich immer Blutdruck“, stellt der Mann mit der Mütze fest. Die Angebetete von einst sei jetzt Influencerin und trage Perücke. „Die Frisur darunter sieht aber so aus wie dat Flusennetz von meiner Waschmaschine.“ Es sind Pointen wie diese, die zünden. Denn ein Großteil des Publikums ist selbst schon in jenen Jahren angekommen, in denen das Haar dünner, grauer und auch zerzauster wird.
Der Trainer ist ein Ass im Spiel „Stadt, Land, Fluss“
Der Spaß-Faktor erreicht immer dann Höchstwerte, wenn die Protagonisten tief in ihrem Innern noch bislang verborgenste Talente entdecken. Etwa der Trainer, der sich als Neueinsteiger beim Spiel „Stadt, Land, Fluss“ als absolutes Naturtalent erweist – und die Liste selbst beim Buchstaben „X“ mit einer Mischung aus Raffinesse und Bauernschläue in Höchstgeschwindigkeit ausfüllt.
Ozzy Ostermann muss sich Sprüche der drei Kollegen über seinen sichtbar erweiterten Bauchumfang gefallen lassen. Er antwortet darauf mit einer großartigen Interpretation von „Lady Marmelade“. Doch sein Angebot an die Angehimmelte lautet diesmal: „Voulez vous manger avec moi c’est soir? Soll’n wir zwei was spachteln geh’n?“ Da wird der größte Humor-Heißhunger fast automatisch gestillt.
Wenn Claptons „Layla“ zu Knebels Guste wird
Auch nach der Pause werden Alltagsnöte wie die Parkplatzsuche im Stadtteil, Fußgeruch oder ein in die Jahre gekommenes Auto auf prickelndste Art und Weise in Unterhaltungsstoff umgewandelt. Knebel beweist, dass er auch als spanischer Flamenco-Gitarrist durchaus eine berufliche Zukunft hätte. Dieses Intermezzo hatte den entscheidenden Olé-Faktor. Noch mehr Jubel-Beifall gab es nur, als Knebel den Eric-Clapton-Klassiker „Layla“ auf seine holde Gattin Guste umdichtete.
Höhepunkte waren dann aber tatsächlich die Zugaben. Ob als Rock-Röhre Tina Turner im goldenen Leibchen oder als Udo Jürgens im weißen Bademantel: Knebels Extras waren die Kirsche auf einen Abend, der wirklich allererste Sahne war.
Herbert Knebel kehrt 2024 nach Gelsenkirchen zurück
„Fahr zur Hölle, Baby!“ lautet der Titel des aktuellen Programms von Herbert Knebels Affentheater, das am gestrigen Donnerstagabend in der Ückendorfer Heilig-Kreuz-Kirche ein zweites Mal zu sehen war. Und am 20. September 2024 gibt’s sogar noch eine dritte Gelegenheit.
Hinter der Figur Herbert Knebel verbirgt sich Uwe Lyko. Ernst Pichl am Bass wird von Martin Breuer verkörpert. Der stets Sportbuxe und Hosenträger tragende Trainer heißt Detlef Hinze. Und seit 1991 greift Georg Göbel-Jacobi als Ozzy Ostermann in die Saiten der E-Gitarre.