Gelsenkirchen. Sonne satt und Temperaturen weit jenseits der 30-Grad-Marke: Doch am „Tag des offenen Denkmals“ trotzen die Besucher in Gelsenkirchen der Hitze.

Wenn die Trainer des FC Schalke 04 früher vor dem Anpfiff noch einmal ihrer Mannschaft ins Gewissen reden wollten, dann mussten sie ständig in Bewegung bleiben. Denn ansonsten hätten sie nicht allen Spielern in die Augen schauen können. Mitten in der Umkleidekabine für die Heimelf macht sich nämlich ein voluminöser Pfeiler breit. Dieser sorgt im Außenbereich für einen sicheren Stand des Tribünen-Bauwerks, im Inneren versperrt er aber bis heute ein Stück weit die Sicht aufs kickende Personal. Das war bei weitem nicht das einzige Geheimnis über die Glückauf-Kampfbahn, das am „Tag des offenen Denkmals“ gelüftet wurde.

Früheres Geschäftszimmer des FC Schalke 04 riecht noch nach alten Zeiten

Platzwart Willi Lichte (vorne, r.) führte die Besucher auch in die Umkleidekabinen der Schalker Glückauf-Kampfbahn mit dem markanten Pfeiler in der Mitte.
Platzwart Willi Lichte (vorne, r.) führte die Besucher auch in die Umkleidekabinen der Schalker Glückauf-Kampfbahn mit dem markanten Pfeiler in der Mitte. © Thomas Richter

Es ist 10 Uhr am Sonntagmorgen. Die Sonne entfaltet schon früh eine ungeheure Kraft, die den 15 Wartenden schnell den Schweiß auf die Stirn treibt. Da kommt Bodo Menze. Er ist Vorstandsmitglied der Stiftung Schalker Markt und hat als früherer Chef der legendären königsblauen Knappenschmiede viele sehr gute Jugendkicker zu Fußball-Stars heranreifen sehen. Heute am Denkmal-Tag fungiert der Herzblut-Schalker als Rundgangsleiter. Für ihn ist das hier ein echtes Stück Heimat. „Denn hier vorne in Sichtweite steht mein Elternhaus, in dem ich 48 Jahre gelebt habe“, erzählt er.

Erste Station ist das frühere Geschäftszimmer, das im Bauch der denkmalgeschützten Tribüne liegt. Ein stählernes Gittertor schützt es vor unwillkommenen Besuchern. Willi Lichte greift zum Schlüsselbund und lässt die Gäste hinein. Er ist der Platzwart von Teutonia Schalke-Nord 1921 – jenem Club, der hier in der Glückauf-Kampfbahn zu Hause ist. Lichte hat auch so manche Anekdote auf Lager. Und so spielen er und Menze sich geschickt den Ball des Wissens zu. Faktenvermittlung im angenehmen Plauderton. Menze spielt dann sogar auf seinem Handy eine Sprachnachricht von Olaf Thon vor. Der weilt zwar derzeit in Schottland, ließ es sich aber dennoch nicht nehmen, Promi-Grüße an die Denkmal-Tag-Besucher zu senden.

Fotos mit Spielern der letzten Schalker Meister-Mannschaft sind verschollen

„Hier riecht man noch die alten Zeiten“, sagt Menze, als die Gruppe dann jenen Raum betritt, in dem einst Schalker Geschichte geschrieben wurde. Die Wände sind holzvertäfelt. „Und die Stühle hier sind noch Originale aus den 50ern“, sagt Menze. Darauf saßen einst die Vereinsoberen, um mit den potenziellen Neuzugängen die Verträge auszuhandeln und zu unterzeichnen. „Hier hingen auch mal Fotos der letzten Schalker Meister-Mannschaft von 1958“, sagt Willi Lichte. Die seien aber leider „Verschütt gegangen“. Doch der Verein Schalke 04 habe versprochen, Bilder-Nachschub für diesen besonderen Ort zu besorgen.

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Kabinen, Duschräume und ein altes Kältebecken dürfen ebenfalls in Augenschein genommen werden. Und auf der Tribüne erfahren die Gäste, dass die Kampfbahn im Jahre 1928 eingeweiht wurde und dass bei der Restaurierung des historischen Eingangstores eine Spende der Brost-Stiftung von entscheidender Bedeutung gewesen sei. Und manche Besucher staunen fast Bauklötze, dass die Schalker Vereinsfarben erst seit 1924 Blau und Weiß sind. „Vorher waren das Rot – und Gelb“, sagt Menze. Ausgerechnet!

Mit dem Paternoster in die vierte Etage des Buerschen Rathauses

Spektakuläre Fernsichten erlebten die Besucher des Rathausturms in Buer am „Tag des offenen Denkmals“.
Spektakuläre Fernsichten erlebten die Besucher des Rathausturms in Buer am „Tag des offenen Denkmals“. © Michael Korte

Weiter geht’s in Richtung Norden. Denn am Denkmal-Tag stehen insgesamt 14 Denkmäler offen. So auch das Rathaus Buer. Dort empfängt Michael Liedtke die Gäste. Er ist Vorstandsmitglied im Verein für Orts- und Heimatkunde Buer. Und bevor er die Interessierten hoch zum Turm-Balkon mit der tollen Fernsicht führt, steht erst eine Paternosterfahrt an. Dieses Beförderungsmittel, eine Art Umlaufaufzug mit zehn Holzkabinen für jeweils zwei Personen, wurde 1953 gebaut, ist heute ausnahmsweise in Betrieb und führt hinauf bis in die vierte Etage.

Bis zur Aussichtsplattform auf dem Turm gilt es dann für alle Aufstiegswilligen, noch einige Etagen über steile Steinstufen zu erklimmen. Als Entschädigung für diesen Kraftakt wartet in 45 Metern Höhe eine Fernsicht, die Staunen macht. Diese genießt auch Thomas Pidun. Der Gelsenkirchener (57) ist heute zum allerersten Mal hier oben. „Ich mag tolle Fernsichten“, sagt er, zückt seinen Fotoapparat und hält die besten Motive fest. Vor allem der Blick auf das Kraftwerk Scholven, das sich am Horizont gleich hinter dem St. Urbanus Dom erhebt, ist spektakulär.

Zwei alte Bogestra-Straßenbahnen als rollende Denkmäler

Dieser M-Wagen aus dem Jahr 1977 war am „Tag des offenen Denkmals“ auf der Straßenbahn-Linie 301 zwischen Horst und Hauptbahnhof im Einsatz.
Dieser M-Wagen aus dem Jahr 1977 war am „Tag des offenen Denkmals“ auf der Straßenbahn-Linie 301 zwischen Horst und Hauptbahnhof im Einsatz. © Thomas Richter

Doch es gibt an diesem Tag auch zwei rollende Denkmäler. Etwa der M-Wagen (M 6 S) der Bogestra. Diese Straßenbahn ist von Baujahr 1977, steht normalerweise als Museumsstück im Bochumer Betriebshof „Engelsburg“. Heute ist sie aber auf der Linie 301 im Einsatz und pendelt zwischen Hauptbahnhof und Horst. Viele Fahrgäste reagieren sichtlich irritiert, als das betagte Modell an den Haltestellen vorfährt. Einige lachen vergnügt. Andere schießen Erinnerungsfotos.

„Bis 2013 sind diese Bahnen hier in Gelsenkirchen noch gefahren“, erzählt Marius Jantke. Der 26-Jährige ist Bus- und Bahnfahrer bei der Bogestra. Heute versorgen er und seine Kollegen interessierte Fahrgäste mit Infos. Diese müssen drei Stufen hochsteigen, um ins Fahrzeug zu kommen. Und die alten Modelle seien auch zehn Meter kürzer als die aktuellen, erzählt Jantke. Sein Kollege Benedikt Tallian (30) fährt die Bahn. Er sagt über das Mikrofon jede Haltestelle noch mit eigener Stimme durch.

Den Fahrgästen gefällt es. „Die Sitze sind viel gemütlicher“, sagen die einen. „Die könnten viel öfter eingesetzt werden“, finden die anderen. Einziger Nachteil: Eine Klimaanlage hat dieser Wagen nicht. Doch trotz dieser Hitze ist auch diese Nostalgie-Fahrt ein Highlight am Denkmal-Tag.