Gelsenkirchen. „Mr. Chicken“ macht 25 Jahre nach seiner Gründung einen zweistelligen Millionenumsatz – ein Erfolg, der treuer Bruderschaft zu verdanken ist.

Es ist eine Gelsenkirchener Erfolgsgeschichte, die die beiden Brüder Ercihan und Erhan Baz mit der Gastronomie-Kette „Mr. Chicken“ geschrieben haben. Eine, in der Überzeugung, familiärer Zusammenhalt aber auch Rebellion gegen den elterlichen Willen maßgebliche Kapitel mitgeschrieben haben. Und eine, deren Wurzeln sogar bis in die verbotene Stadt Dortmund sowie zu den einstmals unabsteigbaren Blau-Weißen nach Bochum zurückreicht. 25-jähriges Bestehen feiern die beiden Unternehmer am 19. August mit einer großen Party mit viel Prominenz wie Eko Fresh und Elif Batman auf dem Firmengelände an der Dessauer Straße.

Sich mit Eifer gegen den Strom zu stellen, etwas zu schaffen, was es so vorher noch nicht gab, scheint der rote Faden zu sein, der sich durch das Leben der beiden Brüder zieht.

Gelsenkirchener Baz-Brüder opfern Ingenieurskarriere für Selbstständigkeit auf

Was Anständiges lernen sollten sie, weswegen ihre Eltern sie auf das Bischöfliche Gymnasium in Essen-Stoppenberg schickten. „Damals außergewöhnlich“, erinnern sich Ercihan (61) und Erhan Baz (53) an die Schulzeit in den 70er-/80er-Jahren. Ausgerechnet an einer erzkatholischen Schule sollten sie es zur Hochschulreife bringen – als „erste Muslime dort überhaupt“, wie sie erzählen.

Nicht nur das Abitur meisterten die Baz-Brüder, auch das Studium an der Universität schlossen sie mit Bravour und einem Diplom ab. Beide sind Elektro-Ingenieure, ein Abschluss, bei dem damals wie heute zig Firmen den roten Teppich ausrollen. Der jüngere Erhan hat sogar noch ein Wirtschaftsstudium angehängt. Denn ihm schmeckte die Welt aus Transistoren und Dioden doch nicht so recht, aber „Aufgeben ist eben keine Alternative“.

Vorreiter und Vaterfigur: Ercihan Baz war Vorbild für seinen jüngeren Bruder Erhan. Der heute 61-Jährige wagte als Erster der beiden den Schritt in die Selbstständigkeit.
Vorreiter und Vaterfigur: Ercihan Baz war Vorbild für seinen jüngeren Bruder Erhan. Der heute 61-Jährige wagte als Erster der beiden den Schritt in die Selbstständigkeit. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

Die Verbindung zwischen den Brüdern ist immer schon eng gewesen. Bereits bei Elternabenden nahm Ercihan neben seinem jüngeren Bruder Erhan mit Platz auf dem Stuhl, weil der Vater einfach zu wenig Deutsch sprach. „Er ist eine Vater-Figur für mich“, sagt Erhan Baz mit einem Blick auf Ercihan. Das gilt damals wie heute. Und so war für ihn nur selbstverständlich, den großen Bruder zu unterstützen, als der seine Nebentätigkeit als Dolmetscher und später als Geschäftsführer einer Schlachterei nach dem Studium beendete und 1991 in Dortmund selbst einen Lebensmittelmarkt eröffnete.

Business-Start in Zeiten von Pommes-Schranke und Gyros-Dominanz

Ein Start, der beiden viel abverlangte. Allein die räumliche Enge am Standort zwang die beiden Brüder dazu, bei jeder Lieferung, nicht selten zu nachtschlafender Zeit, zentnerweise „Lebensmittel wie Fleisch durch ein Fenster zu verladen, um ja nicht die vorgeschriebene Kühlkette zu unterbrechen“. Eine Erinnerung, die Ercihan und Erhan Baz im Rückblick immer wieder zum Schmunzeln bringt. 1994 wechselte „Itimat“, so der Name des Lebensmittelmarktes, an die Uferstraße in Gelsenkirchen.

Es war aber auch die Zeit, als neben der klassischen deutschen Pommes-Schranke der Imbiss-Markt im Revier noch von griechischem Fast-Food wie Gyros und Souflaki dominiert wurde, von McDonald’s mal abgesehen. Ein Umstand, aus denen die damaligen Jungunternehmer ihre Geschäftsidee nach und nach entwickelten, denn Erhan Baz hatte 1997 gerade angefangen, sich mit einem Hähnchen-Döner-Imbiss im Bochumer Unicenter selbstständig zu machen. Was den Center-Betreibern zunächst so gar nicht ins Konzept passte – weswegen zu Beginn noch eine Frischetheke den ersten „Mr. Chicken“-Imbiss ergänzte.

Aber: Die Initialzündung war gelegt, die Idee geboren, das Notwendige mit dem Praktischen und unternehmerisch Aussichtsreichen zu verbinden: Geflügelfleisch ist preiswert – und Konkurrenz, die Hähnchen und Burger „halal“, also im Einklang mit den islamischen Vorschriften, anboten, „war weit und breit nicht in Sicht“, so die beiden Brüder.

Gelsenkirchener Erfolgskonzept basiert auf mehreren Säulen

Vor rund 300 geladenen Gästen aus Politik, Sport, Verwaltung und Wirtschaft haben die beiden Gelsenkirchener Brüder Ercihan und Erhan Baz im Jahr 2011 ihre neue Deutschlandzentrale von „Mr. Chicken“ an der Dessauer Straße eröffnet. Das Gebäude bildet zusammen mit dem Wissenschaftspark und dem Justizzentrum das architektonische Dreieckstor zum Stadtteil Ückendorf.
Vor rund 300 geladenen Gästen aus Politik, Sport, Verwaltung und Wirtschaft haben die beiden Gelsenkirchener Brüder Ercihan und Erhan Baz im Jahr 2011 ihre neue Deutschlandzentrale von „Mr. Chicken“ an der Dessauer Straße eröffnet. Das Gebäude bildet zusammen mit dem Wissenschaftspark und dem Justizzentrum das architektonische Dreieckstor zum Stadtteil Ückendorf. © WAZ FotoPool | MÖLLER, Martin

So wie sie sich als Brüder ergänzen und helfen, so unterstützen sie sich auch geschäftlich. Ercihan Baz kann Ende der 90er-Jahre seine Erfahrung aus der Schlachterei und dem Lebensmittelhandel einbringen, um von Gelsenkirchen aus das Ruhrgebiet mit Frischfleisch zu versorgen, Erhan sein fundiertes Wirtschafts-Know-how. Zugleich produziert der Betrieb „Itimat“ ab 1998 genau die Produkte, die „Mr. Chicken“ und damit bei Erhan Baz über die Theke gehen. Eine Win-Win-Situation.

Ins Laufen gekommen sind die Betriebe maßgeblich durch viele tatkräftige Hände. „Die ganze Familie hat geholfen“, sagt Erhan Baz. Der 53-Jährige erinnert sich noch gut daran, wie selbst seine „hochschwangere Frau“ mit ihm hinter der Theke gestanden hat, wie „wir alles selbst zubereitet haben, nach Geschäftsschluss stundenlang geputzt haben, um nachts wieder zum Großhandel Niggemann nach Bochum zu fahren für den Einkauf frischer weiterer Lebensmittel“. Nicht weniger hängte sich auch Ercihan rein ins Geschäft.

Eine Plackerei, die sich alsbald auszahlen sollte. Heute, 25 Jahre später, blicken die Brüder auf 22 Chicken-Stores inklusive der Franchise-Filialen und auf fast 170 Mitarbeitende, die rund 15,6 Millionen Burger an den Mann oder Frau gebracht haben. Ergebnis: ein Umsatz heute im „zweistelligen Millionenbereich“. Selbst bei Rewe und Penny sind „Mr. Chicken“-Döner zu finden. Was aber nicht heißt, dass das Duo es sich im Chefsessel bequem macht: Um zu schauen, wie es beim Kunden ankommt, sind sie sich nicht zu schade, sich selbst wieder hinter die Theke zu stellen. „Wir sind zwar nicht mehr so schnell wie früher“, sagen Ercihan und Erhan Baz mit einem breiten Grinsen, „aber wir wissen noch genau, wie’s geht.“

Erweiterung des Frischezentrums – neue Restaurantkette schlägt in Gelsenkirchen auf

Strategisch wichtig war auch die Entscheidung, dem gut laufenden, aber baulich maroden Gelsenkirchener Großmarkt mit der Eröffnung des Frischezentrums im Jahr 2000 eine Perspektive zu geben. Und den beiden eigenen Unternehmungen so früh ein drittes Standbein hinzuzufügen. Das Zentrum beherbergt nicht nur die Produktionsstätte für die Hähnchen und Döner der Baz-Brüder oder den Lebensmittelmarkt, sondern von der Dessauer Straße 27a aus werden Restaurants, Einzelhandel aber auch private Endverbraucher mit 150 Sorten Fisch, Rotfleisch wie Rind, Kalb und Lamm im Ruhrgebiet versorgt.

Erhan Baz. Der Unternehmer erweitert die Gelsenkirchener Kette „Mr. Chicken“ um eine vegane Produktlinie.
Erhan Baz. Der Unternehmer erweitert die Gelsenkirchener Kette „Mr. Chicken“ um eine vegane Produktlinie. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

Das Frischezentrum wird noch in diesem Jahr erweitert. Die Restaurantkette „BUTCHA“ wird mit einer neuen Produktionsstätte für Köfte und Falafel starten. „Man kann schon sagen“, sagt Vermieter Erhan Baz, „dass unser Frischezentrum in seiner Entwicklung noch lange nicht am Ende ist.“

Womit wir bei den Zukunftsaussichten wären, denn daran, sich nach Jahrzehnten harter Arbeit aus dem hart umkämpften Geschäft zurückzuziehen, denken Ercihan und Erhan Baz so rein gar nicht. „Es ist wie mit Kindern, man sieht sie wachsen und begleitet und unterstützt ihre Entwicklung selbst dann noch, wenn sie schon groß sind“, sagen die Gelsenkirchener über ihre Unternehmer-Leidenschaft. Für das Duo bedeutet das unter anderem, ihrem Geschäft noch eine vegane und rein pflanzliche Linie hinzuzufügen.