Gelsenkirchen. Seit mehr als einem Jahr ist die Stelle des Polizeipräsidenten in Gelsenkirchen unbesetzt. Welche Probleme die SPD dabei sieht.
Als die Gelsenkirchener SPD am Dienstagnachmittag zum Pressegespräch in ihre Parteizentrale ins August-Bebel-Haus einlädt, da ist es auf den Tag genau ein Jahr her, dass der Posten des Polizeipräsidenten in der Stadt unbesetzt ist. Bekanntlich wird die Behörde seit Britta Zurs Abschied aus Gelsenkirchen (1. August 2022) kommissarisch von Polizeidirektor Peter Both geleitet. Um ihre Unzufriedenheit mit dieser schon lange andauernden Vakanz zum Ausdruck zu bringen, haben die Sozialdemokraten in das Fenster ihrer guten Stube ein Plakat gehängt, das nun täglich händisch ein wenig verändert wird. Zu sehen ist darauf ein „count up“, also die Zahl der Tage, seitdem das Büro des Gelsenkirchener Polizeipräsidenten verwaist ist - und diese wächst täglich.
Dem stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Ratsfraktion in Gelsenkirchen, Lukas Günther, fehlt jedes Verständnis dafür, dass die schwarz-grüne Landesregierung die Polizeiführung in Gelsenkirchen unbesetzt lässt - zumal ja sogar schon sei dem Frühling 2022 bekannt war, dass Britta Zur die Behörde verlassen wird.
„Für die SPD haben Sicherheit und Ordnung eine hohe Priorität. Die Menschen in Gelsenkirchen fühlen sich aber nicht sicher und das muss sich dringend ändern“, erklärt Günther. Nicht zuletzt die anhaltende Serie von Raubüberfällen von Jugendlichen auf Kinder und Rowdies auf E-Scootern beispielsweise seien ein Problem in der Stadt, dass die SPD und viele Bürger sehr beschäftige.
Sicherheit und Ordnung: „Brauchen schnell neue Strategien für Gelsenkirchen“
„Unsere Bemühungen auf kommunaler Ebene sind groß. Die Herausforderungen aber auch. Wir stoßen an unsere Grenzen, wo die Kompetenzen der Landesebene beginnen“, ergänzt Axel Barton, Fraktionschef der SPD. Günther und Barton erinnern an die Initiativen, die Ratskoalition aus SPD und CDU mit Oberbürgermeisterin Karin Welge ihrerseits auf den Weg gebracht haben. Günther erinnert etwa an die Verdoppelung des Kommunalen Ordnungsdienstes von 50 auf 100 Dienstkräfte bis 2024 und die Ausweitung der Einsätze des Interventionsteams EU-Ost.
„Gleichwohl brauchen wir schnell neue Strategien, um den zunehmenden Problemen wie der Gewalt unter Jugendlichen oder der wachsenden Zahl an Einbrüchen Herr zu werden“, mahnt der Fraktionsvorsitzende. Die SPD erwarte ein Gesamtkonzept, das Gegenstand der Sicherheitspartnerschaft zwischen Stadt und Polizei werden müsse. Dafür müsse die Stellenvakanz bei der Gelsenkirchener Polizei „endlich beendet werden“.
„Um es deutlich zu sagen: Wir sind den Kolleginnen und Kollegen der Polizei dankbar, die mit großem Einsatz, unter hoher Belastung und mit viel Herzblut in unserer Stadt für Sicherheit sorgen. Sie haben den Zustand der anhaltenden Stellenvakanz an ihrer Spitze ebenso wenig verdient, wie die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt“, so Barton.
Bostancieri reagiert
Dass die Grünen ein Grund für die lange Suche nach einem neuen Polizeipräsidenten sein könnten, weil sie keinen Polizisten in diesem Amt haben wollten, weist die Gelsenkirchener Landtagsabgeordnete Ilayda Bostancieri (Grüne) zurück: „Das Prinzip der zivilen Führung hat sich an vielen Stellen als ein Gutes erwiesen, was aber nicht bedeutet, dass wir grundsätzlich Polizistinnen und Polizisten als Polizeipräsidentinnen und -präsidenten ablehnen. Daher möchte ich die Behauptungen der SPD deutlich zurückweisen. Die Besetzung dieser Stellen liegt einzig in der Verantwortung des Innenministers.“
Zuletzt fragte die WAZ Gelsenkirchen Mitte Juli abermals im Düsseldorfer Innenministerium nach, wann die Stelle des Polizeipräsidenten denn nun wieder besetzt werde. Und einmal mehr antwortete das Ministerium ausweichend. So hieß es etwa: „Die internen Abstimmungen zur Nachbesetzung der Leitung des Polizeipräsidiums Gelsenkirchen laufen derzeit. Angesichts der großen Herausforderungen, die mit der Leitung eines Polizeipräsidiums verbunden sind, bedürfen diese aber zugleich größtmöglicher Sorgfalt“, so ein Sprecher des Innenministeriums. „Baldmöglichst“ werde Innenminister Herbert Reul (CDU) der Landesregierung entsprechende Personalvorschläge zur Nachbesetzung unterbreiten. Was der Innenminister unter „baldmöglichst“ versteht, bleibt indes sein Geheimnis.
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Einer, der seinerseits auch immer wieder im Innenausschuss des Landtages nach der Nachbesetzung der Polizeispitze fragt, ist Sebastian Watermeier. Der 38-Jährige sitzt für die Gelsenkirchener SPD ebenso wie Christin Siebel im Landtag, und vermutet, dass sich CDU und Grüne bisher auf keinen Kandidaten einigen konnten, weil die Grünen keinen Polizisten in diesem Amt sehen wollen. Für geeignete Bewerber aus anderen Bereichen sei der Posten aber wohl nicht ausreichend gut bezahlt bzw. biete die Besoldungsgruppe nicht ausreichend genug Vorteile, so Barton. Zur Erinnerung: Der Gelsenkirchener Polizeipräsident wird nach B2 bezahlt und bekommt inzwischen rund 100.000 Euro Jahresgehalt.
„Mit symbolträchtigen Fotos des Ministers bei Polizeieinsätzen, ist Gelsenkirchen nicht geholfen“, mahnt Watermeier. „Nachdem die Stelle bereits 2019 für ein halbes Jahr unbesetzt war, summiert sich die von Reul zu verantwortende Stellenvakanz nun auf zwei Jahre!“.
Und die Frage, die sich alle stellen, sie steht nun auch auf dem Fenster-Plakat am SPD-Haus: „Wie lange müssen die Menschen in Gelsenkirchen noch warten, Herr Reul?“