Gelsenkirchen. Die Zeche Hugo würde in diesem Jahr 150 Jahre alt. Rund 120 Jahre davon ist die Familiengeschichte der Herzmanatus’ eng mit ihr verwoben.
Die Zeche Hugo würde in diesem Jahr 150 Jahre alt. Das mag für viele Menschen nur eine Fußnote in der Stadtgeschichte sein. Zumal die Seilscheiben lange stillstehen. Für Klaus Herzmanatus aber ist der Pütt ein Stück Familiengeschichte, welche über die letzten rund 120 Jahre eng verknüpft ist mit dem Bergwerk – auch über die Schließung hinaus.
„Die Geschichte der Zeche Hugo beginnt 1873. Erst einmal hat man die Arbeiter aus der Region angeworben.“ Doch das reicht bald nicht mehr aus. Die Anwerber reisen in die Ferne, suchen in den Gasthäusern in Ostpreußen nach Arbeitskräften. Das bekommt der junge Wilhelm mit, der Urgroßvater von Klaus Herzmanatus. „Er hatte gerade seine Stellung verloren auf einem Gutshof und ist dann erst einmal alleine nach Buer gegangen.“ Bis er eine Wohnung zugewiesen bekommt und die Familie endlich folgen kann.
Gustav Herzmanatus setzt sich für die Kumpel ein
„Meine Großtante Marie hat mir das alles erzählt. Daher weiß ich, die haben ihr Hab und Gut auf einen Bollerwagen gepackt, sind über den Seeweg nach Travemünde und dann zu Fuß nach Buer gekommen.“ Die Familie arbeitet fortan auf der Zeche Hugo. „1930 kam klein Gustav, mein Vater, zur Welt.“ Er macht zunächst eine Lehre zum Vulkaniseur, um dann 1947 mit 17 Jahren auf Hugo anzulegen. Hier wird er erst Knappe, dann Hauer. Und er legt den Grundstein für eine weitere Familiengeschichte: „Er wurde schon 1949 in den Betriebsrat gewählt. Bereits in jungen Jahren war er ein Kämpfer für die Arbeitnehmer.“
Wenig später wird Gustav Herzmanatus freigestellt, kann sich nun ganz seinem Einsatz für die Belegschaft widmen, der den Rest seines beruflichen Lebens prägen soll. „Wenn irgendwo eine Demonstration war, wie etwa 1966 der Arbeitskampf auf Graf Bismarck, war er dabei.“ Auch der junge Klaus kommt dorthin mit. Die Menschenmassen beeindrucken den Fünfjährigen. „Da waren bis zu 20.000 Menschen die eingestanden sind für ihre Sache. Das hat mich sehr geprägt.“ Die Tätigkeit als Betriebsrat, die Gewerkschaftsarbeit, Arbeitskämpfe sind zu dieser Zeit noch ganz anders als später. Die Konfrontation hat vielfach eine ganz andere Qualität, die Dramatik der Einzelschicksale ebenso.
Klaus Herzmanatus tritt in die Fußstapfen seines Vaters
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„Es gab ja damals noch keine RAG. Es gab Zechengesellschaften. Und wenn die den Pütt zugemacht haben, war das so. Hugo gehörte zur Harpener Bergbau AG. Die ging nach dem Krieg an Mannesmann. Die Hauptgeschäftsleitung saß also in Düsseldorf. Es gab aber den Werkschef Max Mügel und du hast vieles auf dem Bergwerk geregelt.“ Mügel ist den Menschen zugetan. „Wenn jemand in der Belegschaft ein Problem hatte, stand seine Türe immer offen. Zu meiner Zeit gab es einen anderen Schlag von Direktoren. Alles war viel bürokratischer. Und man stand mehr unter dem Druck, wirtschaftlich erfolgreich zu arbeiten.“
Es klingt schon durch: Klaus Herzmanatus tritt in die Fußstapfen seines Vaters. Obwohl der erst gar nicht dafür ist, dass sein Sohn Bergmann wird. Der Filius jedoch bewirbt sich auf Hugo, legt hier im September 1976 an und beginnt eine Lehre zum Elektriker. Weil das einfach naheliegend ist. Dass es hier besonders schwierig ist, aus dem Schatten des Vaters herauszutreten, bedenkt er nicht. „Ich war lange Klein-Gustav.“
Echte „Knüppelarbeit“ in der Grube
Der 15-jährige Klaus darf im ersten Lehrjahr noch nicht in die Grube. Dafür ist er zu jung. Erst mit 16 Jahren dürfen die Auszubildenden anfahren. „Das war echte Knüppelarbeit – aber man hat auch entsprechend verdient.“ Obwohl er einst auf der Gesamtschule mit dem Lernen hadert, packt ihn der Ehrgeiz. Parallel zur Ausbildung besucht er die Abendschule, will hier sein Fachabitur Fachrichtung Bergtechnik machen um später zu studieren. Ein prägendes Erlebnis, denn Klaus Herzmanatus wird derartig schikaniert von einem Lehrer, dass er die Schule unmittelbar vor dem Abschluss erhobenen Hauptes verlässt. „Was ich da ausfechten musste hat in mir die Überzeugung geweckt: Ich gehe in die Mitbestimmung.“ Es beginnt eine beeindruckende Laufbahn, die dem jungen Bergmann in der Zeit des Niedergangs des Ruhrbergbaus große Bekanntheit einbringt. „Das war für mich ein prägender Weg.“
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Der Bueraner wird Jugendvertreter, kandidiert mehrfach für den Betriebsrat und bekommt hier einen Posten, als sein Vater 1987 den Betriebsrat verlässt. „Der hat mir den Staffelstab übergeben“, sagt Klaus Herzmanatus und lacht. 1997 wird er zum Gesicht des Arbeitskampfes der Hugoraner, nimmt die Menschen in Buer durch vielbeachtete Aktionen emotional mit. 1998 wird er Betriebsratsvorsitzender – und kann doch den Lauf der Geschichte nicht aufhalten. Das Aus für Hugo ist für 2002 geplant und wird sogar noch vorgezogen. „Da hieß es: Alles geben. Ich habe erreicht, dass alle Betriebsräte freigestellt werden um sich darum zu kümmern, dass keiner der Kumpel ins Bergfreie fällt.“
Der letzte Kampf: Der Erhalt von Hugo Schacht 2
Alle Bergleute sollen eine Perspektive haben. Das gelingt über Frühverrentungen, über Verlegungen und schließlich über das „Bündnis für Arbeit“, das mit vielen anderen Unternehmen zusammenarbeitet, die Kumpel, vielfach Facharbeiter, in andere Betriebe zu vermitteln. Bis heute treffe er Menschen, die ihm dafür ihre Dankbarkeit aussprechen. „Das war ein wahnsinniger Kraftakt.“
Sein Versprechen gegenüber der Belegschaft, als letzter von Bord zu gehen, hält Klaus Herzmanatus. Sein Kampf jedoch ist damit nicht beendet. Nun setzt er sich ein für den Erhalt der Schächte 2 und 8, die eigentlich unter Denkmalschutz gestellt werden sollen. Noch einmal schafft er das Unglaubliche: „Wir sollten, so die Stadt, 80.000 Euro als Sicherheit hinterlegen, um den Schacht 2 zu erhalten.“ Über viele Aktionen und durch unermüdlichen Einsatz gelingt das. 2003 entsteht der „Trägerverein Hugo Schacht 2“, in dem sich viele Kumpel, tatsächliche und sprichwörtliche, einbringen. So kann ein Stück der Geschichte von Hugo gerettet und erhalten werden. Bis heute ist der Schacht ein Ort der Erinnerung, der Gemeinschaft und nicht zuletzt der geschichtlichen Bildung. Hier lernen Menschen, wo die Wurzeln des Ruhrreviers liegen.
Tag des offenen Denkmals
Klaus Herzmanatus und seine Mitstreiter feiern den Geburtstag der Zeche Hugo im Rahmen des Tags des offenen Denkmals am Sonntag, 10. September.
Von 10 bis 18 Uhr ist das Gelände um den Schacht 2 am Brößweg 34 für interessierte Besucher geöffnet und kostenlos zugänglich. Sie erwartet ein Musikprogramm, viel Traditionelles und die „Bergbaustrecke“ bietet „Gruben-Feeling“.