Gelsenkirchen. Susanne Gill führt mit Mann Thomas das Familienunternehmen Prünte. Seit 28 Jahren beherrscht das Brot ihr Leben, als gelernte Pharmazeutin.
„Ich hatte schon immer ein Faible für Schwarzbrot“, sagt Susanne Gill und lacht dabei. Denn wie sehr das schmackhafte Kulturgut später ihr Leben prägt, damit hat sie in ihrer Jugend ganz und gar nicht gerechnet. „Ich habe Pharmazie studiert und im Studium meinen Mann, Thomas, kennengelernt.“ Er stammt aus Gelsenkirchen. Seine Eltern führten damals hier das Traditionsunternehmen „Prünte“. Mitte der 1990er-Jahre wollen sie wissen, ob ihr Sohn den Betrieb übernimmt. Dann nämlich würde am Stadthafen Gelsenkirchen neu gebaut werden. „Er hat zu mir gesagt, ich mache das nur mit dir zusammen. Und im Alter von 24 Jahren weiß man noch nicht, was das bedeutet“, sagt die Wahl-Gelsenkirchenerin lächelnd.
Zunächst heißt das für die junge Rheinländerin, die eigenen Zukunftspläne erheblich zu ändern. „Ich hatte eigentlich geplant, in der Industrie Karriere zu machen. Die pharmazeutische Entwicklung hätte mich interessiert.“ Damit hätte Susanne Gill eine eigene Familientradition fortgesetzt: Vater und Bruder waren damals beim Pharmariesen Bayer tätig. Sie beendet das Studium, vervollständigt die Ausbildung durch ein Jahr Arbeit in einer Apotheke – und steigt dann aus, kommt ins Ruhrgebiet. „Wir haben in Bonn studiert. Unter Gelsenkirchen stellt man sich von dort aus nichts vor“, erinnert sich die Unternehmerin und unterstreicht sofort: „Aber es hat alles gut geklappt.“
Als Chefin überall präsent – klassischen Bürojob kennt Gelsenkirchenerin nicht
Im Unternehmen ist es für die junge Frau nicht ganz so einfach. „Für mich kam wirklich von heute auf morgen Prünte.“ Susanne Gill ist zu dieser Zeit ein absoluter Neuling. „Und dann lassen die anderen einen so richtig auflaufen und machen deutlich, was man selbst alles nicht kann und dass man sich hocharbeiten muss.“ Der Neusserin gelingt das. Sie kniet sich rein, bildet sich weiter. „Ich habe unter anderem Buchhaltungskurse gemacht bei der IHK.“ Damit sie der Arbeit im Büro des Bäckers gerecht wird.
Es ist, damals wie heute, nicht nur die Büroarbeit, die zu den Aufgaben der Unternehmerin gehört. „Ich sitze am PC mit Blick in die Halle, wo das Brot verpackt wird, und bin immer ansprechbar. Ich arbeite bestimmt in zehn verschiedenen Abteilungen am Tag. Einen klassischen Bürojob macht hier keiner von uns. Das geht gar nicht.“
So groß wie sein Name ist das Unternehmen nämlich nicht. Nur rund 50 Menschen arbeiten hier. Da müsse man als Chefin überall präsent sein – und wie so oft bereit sein, sich überproportional einzusetzen für den Betrieb. Besonders in aufregenden und herausfordernden Zeiten: Beim ersten Corona-Lockdown etwa sei die Nachfrage nach Prünte-Brot derart groß gewesen, dass man kaum mit dem Produzieren hinterhergekommen sei. „Damals hat jedermann Lebensmittel gebunkert. Haltbarkeit war oberstes Gebot.“ Pumpernickel ist außerordentlich lange haltbar: Eingeschweißt hält es sich mehrere Monate, in Dosen bis zu zwei Jahre. Heute setzt dem Betrieb vor allem die Personalnot zu.
Kinder durften in den Ferien mit auf Liefertour – Export nach Frankreich und Schweden
Dennoch muss es laufen, muss Susanne Gill viel Zeit investieren. Ebenso natürlich wie ihr Mann, der die Betriebsführung innehat. „Ich bin mehr für die Finanzen da. Und ich mache den Export.“ Bedeutet, Pumpernickel und Co. werden auch im Ausland genossen?
Ja, gern und viel sogar. „Zwanzig bis dreißig Prozent des Brotes geht in andere Länder, das meiste davon nach Frankreich. Da wächst das Interesse an Vollkornbrot.“ Auch nach Schweden gehen viele Pakete im Jahr, besonders im Frühsommer. „Ich sage immer, die nehmen das Brot bestimmt mit ins Sommerhaus am Fjord“, sagt Susanne Gill und lacht.
Das Gelsenkirchener Unternehmen Prünte bestimmt und prägt ihr Leben. Auch das Familienleben. „Ich habe immer durchgearbeitet, allerdings halbtags, als die Kinder kamen. Der Vorteil in einem solchen Familienbetrieb ist natürlich, man ist flexibler. Aber wenn die Arbeit anfällt, muss man sie machen.“ Eine Kinderfrau hilft, als die Söhne noch ganz klein sind. Später geht Susanne Gill morgens in den Betrieb, ist nachmittags zu Hause. „Und in den Ferien kamen die Jungs einfach mit in die Firma.“ Dort durften sie helfen, falteten Kartons – bekamen dafür 50 Pfennig Taschengeld. „Oder ich habe sie ins Lieferauto gesetzt und mitgeschickt. Das fanden die Kinder großartig. Denn sie haben oft von Kunden ein Stück Wurst bekommen oder etwas anderes zum Naschen.“
Die Mitarbeiter fanden gut, dass die Kinder im Gelsenkirchener Betrieb präsent waren
Den Flair dieses Unternehmens vom Emscherstrand erleben die Kleinen nebenbei mit: Die eigene Fahrzeugflotte, die schon seit Anbeginn des Autos mit den ersten Fahrzeugen überhaupt das Brot ausliefern, später mit VW-Bullys mit Firmenaufschrift und nun schon länger mit den roten Flitzern. „Die Mitarbeiter fanden es gut, dass auch die Kinder präsent waren.“
Es ist eine wirtschaftliche Erfolgsgeschichte und auch eine persönliche, die Susanne Gill erzählt, die von der Pharmazeutin, die zu einer erfolgreichen Unternehmerin wird. Viel hat die Neusserin erreicht. Eine Sache jedoch bedauere sie schon: „Ich habe, als die Kinder kamen, nie eine längere Pause gemacht. Das bedaure ich im Nachgang. Denn diese Zeit wäre für mich dann schöner gewesen.“ Weil sie die Jahre des Aufwachsens bewusster hätte erleben können. „Meinen Kindern aber hat es so, wie es war, nicht geschadet.“