Gelsenkirchen. Auch in Gelsenkirchens Freibädern geht es mitunter aggressiv und respektlos zu. An manchen Tagen werden gar Dutzende Störer rausgeschmissen.
Machohaftes Gebaren, Respektlosigkeiten, Übergriffe, Diebstähle, Tumulte und Schlägereien. Immer wieder kommt es seit Jahren in Freibädern zu Ausschreitungen, an denen meist größere Gruppen junger Männer beteiligt sind. Handyvideos, die anschließend in den sozialen Netzwerken hochgeladen werden, gibt es zuhauf aus zahlreichen Städten und oft sind darauf vor allem Männer mit Migrationshintergrund zu sehen, die zu den Störern zählen. Bundesweit Schlagzeilen machte zuletzt etwa auch das Sommerbad Berlin-Neukölln, das nach einer gewaltsamen Auseinandersetzung sogar für eine Woche geschlossen wurde. Aufgrund der Vorfälle müssen sich Besucherinnen und Besucher fortan beim Einlass in die Berliner Bäder ausweisen, und an vier Schwimmbädern sollen sogar mobile Polizeiwachen stehen.
Im Sommer 2022 gab es auch in Gelsenkirchen vereinzelt Meldungen über Ausschreitungen in Freibädern. So wurde etwa ein 25-jähriger Mann im Sport-Paradies in Erle von einer Gruppe angegriffen und verletzt, nachdem er die Unbekannten darauf hingewiesen hatte, dass es nicht in Ordnung sei, sich in der Schlange zum Sprungturm vorzudrängeln. Noch heftiger ging es 2019 im Sport-Paradies zu, als ein 23-Jähriger von seinem 21-jährigen Kontrahenten nach einem Streit mit einem Messer schwer verletzt wurde.
Und wie ist die Lage in Gelsenkirchen bisher im Sommer 2023?
Offensichtlich ähnlich erschütternd wie auch schon in früheren Jahren, aber der Einsatz des Sicherheitspersonals wirkt sich auch positiv aus. „Es gab schon immer Schlägereien, Diebstähle und Bedrohungen in Freibädern. Wir arbeiten seit vielen Jahren mit Security-Personal zusammen, daher sind die Vorfälle seltener geworden. Wir haben uns in diesem Jahr zu einer Null-Toleranz-Politik entschieden. Bei schweren Vergehen gegen unsere Hausordnung verweisen wir die betreffende Person direkt aus dem Bad“, berichtet Janin Meyer-Simon, Sprecherin der Gelsenkirchener Stadtwerke, die unter anderem auch das Sport-Paradies betreiben.
Auffällig im Vergleich zu den Vorjahren sei, dass „die Respektlosigkeit gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie den Gästen zugenommen hat.“ Dabei handele es sich vornehmlich um Bedrohungen, Missachtungen und Beleidigungen, weiß Meyer-Simon zu berichten. In der Folge habe es in diesem Sommer schon Tage gegeben, an denen 30 Personen einen Verweis erhalten haben, „aber es gibt auch Tage ohne Verweise“, so die Stadtwerkesprecherin. Auch die Polizei habe schon einige Male eingreifen müssen.
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Zumeist handele es sich bei den Störern auch in Gelsenkirchen um „Männer und Jugendliche mit Migrationshintergrund“. Aber auch Frauen und Familien, die sich nicht an die Regeln zum Thema Badebekleidung und Schwimmsicherheit halten würden, seien bereits aufgefallen.
Verdreckte Kabinenanlagen und falscher Rauswurf
Fassungslos zeigte sich zuletzt auch WAZ-Leser Ahmet Özgen. Zusammen mit seiner fünfjährigen Tochter suchte Özgen vor einigen Wochen Spaß und Abkühlung im Sport-Paradies. Konfrontiert wurde er stattdessen mit Dreck, Vandalismus und seiner Meinung nach überforderten Sicherheitskräften. „Ich bin ein sozialer Familienvater, der als Chemikant arbeitet, bei der Freiwilligen Feuerwehr Gelsenkirchen aushilft und Jugendbetreuer bei der SSV Buer ist, und dessen Frau für die Stadt arbeitet.“ Aufgrund eines Missverständnisses wurden Özgen und seine Tochter aber des Bades verwiesen, obwohl nicht Vater und Tochter den Ärger an der Rutsche im Bad verursacht hatten, sondern andere Gäste, wie Özgen berichtet.
Doch die Sicherheitskräfte hätten nicht mit sich reden lassen, berichtet der Gelsenkirchener. „Es ist sehr traurig, dass ich in eine solche Situation geraten bin und das alles vor den Augen meiner Tochter. Ich bin in Gelsenkirchen geboren, meine Jugend habe ich im Sport-Paradies verbracht. Ich schäme mich für meine Stadt“, ärgert sich der Familienvater vor allem auch mit Blick auf den Zustand der verdreckten Umkleideräume an diesem Tag.
„Einzelne Gäste durch übertriebene Respektlosigkeiten und Missachtung der Badeordnung aufgefallen“
Özgen richtete seine Beschwerde auch an das Sport-Paradies und erhielt inzwischen Antwort, dass an jenem Tag „leider einzelne Gäste durch übertriebene Respektlosigkeiten und Missachtung der Badeordnung aufgefallen“ seien. Weil das Sicherheitspersonal deshalb stark eingebunden gewesen sei, hätte nicht verhindert werden können, dass einige Gäste die „Umkleidekabinen und die gesamte Freizeitanlage stark verschmutzt“ hätten.
Dass Özgen und seine Tochter in diesem Fall unbeteiligte Opfer der restriktiven Maßnahmen des Sicherheitspersonals geworden sind, bedauern die Verantwortlichen des Sport-Paradieses. Die Mitarbeiter des Fremddienstleisters würden entsprechend sensibilisiert, heißt es. Aber auch, dass zu der geringen Toleranzgrenze des Sport-Paradieses gehöre, dass „unser Sicherheitspersonal ganze Gruppen des Bades verweist und – leider aus entsprechender Erfahrung – auf Diskussionen nicht eingeht.“ Als Wiedergutmachung erhält die Familie einen Gutschein.
Richterbund erteilt Forderung nach schnellen Prozessen eine Absage
Derweil sorgte nach den Ausschreitungen in anderen Freibädern der neu ernannte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann jüngst für Schlagzeilen, als er schnellere Verfahren für Gewalttäter forderte: „Wer mittags im Freibad Menschen angreift, muss abends vor dem Richter sitzen und abgeurteilt werden“, sagte er.
Der Deutsche Richterbund erteilte dem dann auch prompt eine Absage und verwies auf den Personalmangel in der Justiz. „Die Politik, die öffentlichkeitswirksam immer wieder nach einer zügigen Strafverfolgung ruft, muss die Justiz dann auch deutlich besser ausstatten“, erklärte der Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbundes, Sven Rebehn. Bundesweit fehlten nach den offiziellen Statistiken zum Personalbedarf allein in der Strafjustiz rund 1500 Strafrichter und Staatsanwälte. „Es ist wenig überzeugend, wenn Politiker am Sonntag nach dem starken Rechtsstaat rufen, Montag bis Samstag aber zu wenig dafür tun“, so Rebehn.