Gelsenkirchen. Es wird immer härter, an Tickets für große Konzerte zu kommen. Das bekam unsere Autorin bei Taylor Swift zu spüren. Eine Chronik des Unglücks.

Ich sah mich schon, an einem lauen Sommerabend, inmitten von mehreren zehntausend anderen feiernden „Swifties“: Taylor Swift, der Superstar des Pops, gibt das erste Deutschland-Konzert ihrer „The Eras“-Tour am 17. Juli 2024 in Gelsenkirchen. Ich hatte mich gut vorbereitet, dachte ich, hatte mich vorab registriert, denn ohne Registrierung kein Zugang zum Vorverkauf. Am Mittwoch, 12. Juli, um 9 Uhr, sollte es losgehen, gegen 10.23 Uhr war klar: Taylor, du wirst ohne mich spielen müssen. Eine Chronik des Frustes.

Taylor Swift in Gelsenkirchen: Ticket-Frust beim Vorverkauf

8.55 Uhr: Ich bin bereit. Kurz hatte ich noch überlegt, Tablet, Rechner und Smartphone gleichzeitig zu bespielen. Ach was, das wird schon, ich vertraute meinem Glück und blieb beim Smartphone, während in anderen Haushalten wahrscheinlich gleich mehrere Endgeräte hochgefahren und vorbereitet wurden.

8.59 Uhr: Gleich geht’s los. Ein wenig Aufregung stieg auf - dabei ließ ich mich ja eigentlich ganz gelassen auf einen Vorverkauf ein, dem ganz viele andere schon seit Tagen, Wochen, vielleicht Monaten und Jahren entgegenfieberten.

9 Uhr: Pünktlich klickte ich also auf den Link in meinen E-Mails, hatte mir vorher schon den Code kopiert (immerhin!), den ich für den Zugang brauchte. Wie geht’s wohl weiter? Sowas habe ich ja noch nie gemacht. Wird das alles klappen? Ich fühlte mich ein bisschen gestresst.

Ab 9.01 Uhr befinde ich mich in einem Warteraum, obwohl ich doch eigentlich zu Hause am Esstisch sitze. „Lieber Taylor Swift-Fan“ – ja, sie meinen mich – „aktuell bist du im Warteraum, denn die Nachfrage für den „Taylor Swift The Eras Tour Ticketverkauf“ ist riesig. Bitte habe noch etwas Geduld, es geht gleich weiter.“

9.02 Uhr: „Warteraum“ erinnerte mich an einen anstehenden Arzttermin, ausgemacht für 10.45 Uhr. Könnte knapp werden. Ach was, wird schon.

9.03 Uhr: „Bitte öffne nicht mehrere Browser oder Fenster gleichzeitig. Du riskierst damit, deine bereits erreichte Position im Warteraum zu verlieren“ steht in roten Buchstaben unter der Bitte um Geduld. Jetzt erst nehme ich einen Art Ladebalken darunter wahr. Ein kleines weißes Männchen läuft auf blauem Grund. Lauf doch mal schneller, denke ich.

9.32 Uhr: Das Männchen läuft und läuft, zwischendurch sieht es aus wie ein staksendes Alien. Geht ihm zwischendurch die Puste aus oder warum kommt es nicht voran? Lauf doch mal schneller! Gleichzeitig stelle ich mir vor, wie groß die Freude bei all den ,Swifties’ ist, die jetzt schon Glück hatten… Und denke noch einmal an meinen Arzttermin. Absagen ist keine Option, weil wichtig. Kann ich im Wartezimmer die Karten buchen? Oder beim Impfen?

9.33 Uhr: Ich habe schon seit ein paar Minuten meinen Rechner dazu geholt. Das kleine weiße Männchen hat sich auch hier auf den Weg gemacht. Ich schätze, es wird wohl noch dauern.

Warten...

9.55 Uhr: Mein Smartphone zeigt an: Das kleine Männchen hat sein Ziel fast erreicht! „Nur noch einen kleinen Moment, Du bist gleich dran“ steht da plötzlich und ich muss mich kurz laut freuen. Die Kinder gucken komisch.

9.56 Uhr: Ich bin drin! An welchem Tag noch gleich? Egal, Hauptsache, ich komme an Tickets. Doch ich kann nichts auswählen. Egal welche Kategorie ich antippe, keine Chance. Die Preise beginnen bei 102,15 Euro, ein Platz in der Front Row kostet 240,15 Euro. Ich bin bereit, viel zu zahlen.

10.09 Uhr: Erste Reihe will ich nicht, also Sitzplätze Kategorie 6, wähle aus, drücke den Zahlen-Button – und nichts passiert. „Leider konnte der Vorgang nicht durchgeführt werden“, dazu eine komische Erklärung. Ach Mensch, das wird nix. Und außerdem muss ich doch gleich los, zum Arzt.

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Ich habe alles probiert, sämtliche Gelsenkirchen-Tage ausgewählt, sogar zähneknirschend teurere Karten in den Warenkorb gelegt. Noch am frühen Nachmittag treibe ich mich auf der Seite eines bekannten Ticket-Portals herum, in der Hoffnung, dass doch noch was zu holen ist. Es gibt ja noch was: Mit knapp 650 Euro für ein VIP-Ticket wäre ich dabei. So ein „Swiftie“ bin ich dann doch nicht. Und immerhin war ich rechtzeitig beim Arzt.

Tatsächlich wird es immer schwieriger, an Konzert-Karten für große Shows der Superstars zu kommen. Teils innerhalb weniger Minuten sind Events ausverkauft, das liegt an mehreren Gründen. Dank der Digitalisierung ist jeder Fan sekundenschnell über eine bevorstehende Tour informiert, viele Fans scheuen mittlerweile auch nicht mehr die exorbitant hohen Preise. Ein weiterer Punkt: Viele Menschen freuen sich, wieder Teil von Großereignissen zu sein. Auch ich hätte mich gefreut, aber nun kam es so. Wie sang Taylor doch einst? „It’s a cruel summer“.