Gelsenkirchen. Älterwerden: Ein Thema in der Rockmusik? Wie hat sich das im Lauf der Jahre verändert? Dazu haben zwei Gelsenkirchener Wissenschaftler geforscht.
„Hope I die before I get old – ich hoffe, ich sterbe, bevor ich alt werde“, sang die Band The Who vor fast 60 Jahren. Bei Sänger Roger Daltrey ist das – zum Glück – nicht so eingetroffen. Der Mann ist heute 79 Jahre alt. Aber wie hat sich der Blick auf das Thema Altern in der Rockmusik im Laufe der Jahre verändert? Mit dieser Frage haben sich zwei Forscher vom Gelsenkirchener Institut für Arbeit und Technik (IAT) beschäftigt.
„Altersbilder haben einen erheblichen Einfluss auf die gesellschaftliche und individuelle Wahrnehmung von älteren Menschen und prägen somit auch den Umgang mit ihnen“, sagt Dr. Peter Enste, Direktor des Forschungsschwerpunktes Gesundheitswirtschaft und Lebensqualität am IAT. Gemeinsam mit seinem Kollegen Michael Cirkel hat er den Fokus auf die Altersbilder in der Rockmusik gerichtet: Schließlich sind viele Rockmusiker aus den 60er- und 70er Jahren, die damals jung waren, noch heute erfolgreich auf den Bühnen dieser Welt unterwegs.
Gelsenkirchener Wissenschaftler: Musiker suchten sich ältere Generation als Zielscheibe
Nach Meinung der beiden Forscher seien „Altersbilder in der Rockmusik bis heute weitgehend negativ,“ stellt Cirkel fest. Vor allem der Aspekt, Alter als Spiegelbild von konservativen Wert- und Moralvorstellungen zu sehen, habe das Motiv in den Anfangsjahren der Rockmusik gebildet: Wer alt war, galt als spießig. Die Musik und die dazugehörigen Texte können, so die beiden Forscher, als Sprachrohr der Rebellion gegen bestehende Wertesysteme angesehen werden. Dabei wird die ältere Generation zur Zielscheibe – und zum natürlichen Feindbild.
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„Dieses Leitmotiv hat sich in den Texten bis heute gehalten“, haben Enste und Cirkel herausgefunden. Die in den 70er Jahren aufgekommene Punk-Bewegung hätte diesen Trend sogar noch verstärkt. Hier fänden sich zum Teil „sehr extreme bis hin zu stark beleidigenden Beispielen, wie ältere Menschen stereotypisiert werden“, schreiben die Forscher.
Mick Jagger von den Rolling Stones experimentierte mit anderen Musikstilen
Generell falle beim Blick auf die Texte auf, „dass die Außendarstellung auf das Alter durch eine sehr defizitäre Sicht geprägt ist, die in keinerlei Weise der heutzutage vorliegenden Heterogenität des Alters entspricht“. Heißt im Klartext: Das Klischee, dass alte Menschen automatisch Spießer sind, entspreche heute nicht mehr der Wahrheit.
Einige ältere Rockmusiker, so die beiden Forscher, widmeten sich dem Thema Altern eher indirekt, indem sie musikalische Experimente mit verschiedenen Stilen und Genres unternehmen, um ihre eigene kreative Entwicklung zu erforschen. Mick Jagger von den Rolling Stones habe zum Beispiel in den vergangenen Jahren mit elektronischen Beats und anderen modernen Musikstilen experimentiert, um seinen Sound aufzufrischen und zu aktualisieren. Gleiches gelte für David Bowie (bis zu seinem Tod im Jahr 2016) oder Madonna. „Auch schließt sich die Frage an, wie andere Musikrichtungen wie beispielsweise Schlager (,Mit 66 Jahren’) oder Rap die Auseinandersetzung mit dem Thema Alter(n) textlich behandeln“, heißt es weiter.
Eine wirkliche Antwort auf ihre Ausgangsfrage scheinen die beiden Forscher aber nicht wirklich gefunden zu haben. „Es bleibt die Frage, welchen Einfluss die Altersbilder auf ihre Zuhörerschaft haben und welche Konsequenzen sich daraus auf den Umgang mit älteren Menschen und die Gestaltung des eigenen Alterungsprozesses ergeben“, folgern Enste und Cirkel. Die Schlussfolgerung der Forscher: Es besteht weiterer Forschungsbedarf in der Rockmusik, ihren Songs und bei ihren Protagonisten.