Gelsenkirchen. Kirchen sind stadtbildprägend – noch. Einige sind schon abgerissen, viele werden nicht mehr als Gotteshaus genutzt. Was die Kirchen dafür planen.

Städte und Dörfer wurden einst um die Kirche herum gebaut, sie prägten als meist höchste und mächtigste Gebäude das Stadtbild. Gelsenkirchen trägt die Gotteshäuser gar im Namen. Doch in Zeiten rückläufiger Kirchenmitglieder sind die mittlerweile überdimensionierten Sakralbauten für beide Konfessionen auch ein belastender Kostenfaktor, von dem sie sich immer häufiger trennen (müssen). Eine Bestandsaufnahme zeigt: Insgesamt stehen in der Emscherstadt 36 katholische und evangelische Kirchen nicht mehr für reguläre Gottesdienste zur Verfügung.

Kirchenmitgliederzahl seit den 1970er Jahren mehr als halbiert

Erst vor ein paar Tagen veröffentlichte das Bistum Essen die aktuellsten Mitgliederzahlen. Sie sind alarmierend: 2022 zählte das katholische Stadtdekanat Gelsenkirchen mit seinen drei Pfarreien St. Augustinus, St. Urbanus und St. Hippolytus 72.910 Gläubige – ein Minusrekord. 1970 waren es noch 167.113 Mitglieder.

Beim evangelischen Kirchenkreis Gelsenkirchen/Wattenscheid sieht es nicht anders aus: Seit 1974 ging die Zahl der Gemeindeglieder von 200.000 auf 94.000 in 2012 und nur noch 73.200 zum Jahresende 2022 zurück. Hinzu kommt, dass auch die Zahl der zur Verfügung stehenden Geistlichen stark rückläufig ist. „Als ich Examen gemacht habe, waren wir 100 Absolventen. Heute sind es nur noch 14 in einem Jahrgang“, erklärt Superintendent Heiner Montanus. Noch dramatischer ist die Situation bei den Katholiken: In den letzten Jahren wurde im gesamten Bistum Essen jeweils nur ein Diakon zum Priester geweiht.

Denkmalschutz häufig Problem für Umnutzung

Die sinkenden Kirchensteuer-Einnahmen angesichts schrumpfender Mitgliederzahlen bei zeitgleich steigenden Unterhaltungskosten plus Personalmangel führen dazu, dass immer mehr katholische und evangelische Kirchen außer Dienst genommen werden. Im evangelischen Kirchenkreis sind es bislang zwölf, im katholischen Stadtdekanat 24. Ein weiteres Problem beim Erhalt, einer möglichen anderweitigen Nutzung oder auch dem Abriss von Kirchen ist der vielfach bestehende Denkmalschutz.

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Konkret ist die aktuelle Situation bei der evangelischen Kirche wie folgt: Zwei Kirchen wurden bereits abgerissen, vier öffnen ihre Türen nur noch sehr sporadisch für besondere Gottesdienste, vier werden anderweitig genutzt, zwei davon wurden dafür umgebaut. Die schmucke Auferstehungskirche in der Neustadt ist seit 2012 für die Öffentlichkeit wegen Baufälligkeit gesperrt und steht leer. Bei der Bleckkirche in Bismarck ist die weitere Verwendung unklar, nach dem Ende der Ära als Kulturkirche unter Thomas Schöps.

Kirchenkreis setzt bei Umnutzung auf diakonische Angebote

21 protestantische Kirchengebäude befinden sich noch im Besitz des Kirchenkreises, zwei wurden bislang an private Investoren verkauft. Der Verkauf an Privatpersonen soll allerdings die Ausnahme bleiben, versichert der Superintendent. Aus dem Dienst genommene evangelische Kirchen sollen künftig möglichst diakonisch weitergenutzt werden.

Auf katholischer Seite sind es vier Gotteshäuser, die abgerissen wurden, bei vier weiteren ist die Niederlegung geplant, weil die neuen Eigentümer die Flächen anders nutzen wollen. Für acht Kirchen gibt’s bereits konkrete Umbau- und Umnutzungspläne, für fünf weitere sind sie angedacht. Bei sechs Sakralbauten hingegen ist die Zukunft völlig offen. Insgesamt geht Propst Pottbäcker davon aus, „dass wir in ein paar Jahren nur noch sieben oder acht Kirchen haben werden“, im gesamten Stadtgebiet, versteht sich.

In manch ehemaliges Kirchenschiff ist bereits neues Leben eingezogen. Kulturelle Events, Seniorenwohnungen, Veranstaltungsstätten oder Raum für Trauerarbeit finden nun in den einstigen Gotteshäusern Raum. Die WAZ Gelsenkirchen gibt einen Überblick über den Stand der Dinge bei den Gotteshäusern beider christlicher Konfessionen in der Stadt und einen Ausblick, soweit die künftige Nutzung den Kirchenleitungen selbst bereits bekannt ist. Lesen Sie hierzu mehr auf waz.de/gelsenkirchen.