Gelsenkirchen/Marl. In Gelsenkirchen stoßen die BP-Pläne zur Norderweiterung auf breite Zustimmung. Anders sieht es dagegen in der Nachbarstadt Marl-Polsum aus.

Die geplante BP-Norderweiterung kommt ihrer Verwirklichung immer näher: Kürzlich nahm der Bebauungsplan im Gelsenkirchener Stadtrat eine weitere Hürde, dabei erhielt das Vorhaben breite Unterstützung: SPD, CDU, AfD und FDP stimmten dem Vorhaben zu, bei Gegenstimmen der Grünen und einiger kleiner Parteien. Doch das Gelände, mit dem BP plant, liegt ganz im Norden von Gelsenkirchen, nahe der Stadtgrenze zu Marl – und dort, in der Nachbarstadt, ist die Stimmung eine ganz andere.

Genau gesagt ist es der Stadtteil Polsum, der auf Marler Seite dem BP-Gelände am nächsten liegt: Ein beschaulicher, eher dörflich geprägter Teil von Marl, mit einem gewachsenen Ortskern, vielen Wohnstraßen und viel Grün drumherum. Polsum kann man als „gutbürgerlich“ bezeichnen, bei der letzten Kommunalwahl holte Maurice Wegener für die CDU hier knapp 50 Prozent der Stimmen. Beim Thema BP-Norderweiterung könnte der Standpunkt des Marler Christdemokraten aber nicht unterschiedlicher sein als der seiner Parteikollegen aus Gelsenkirchen: Während Sascha Kurth, CDU-Fraktionschef aus Gelsenkirchen, von einem „Meilenstein, einem Leuchtturmprojekt“ spricht, empfindet Wegener die Entscheidung des Gelsenkirchener Rates als „dramatisch“.

Marler SPD deutlich skeptischer als die Genossen in Gelsenkirchen

Konkret geht es ihm um die Pläne des US-Konzerns Brightmark, auf dem Gelände eine Anlage zur Kunststoffpyrolyse zu bauen. Dabei handelt es sich um einen chemischen Prozess, mit dem aus Kunststoffmüll bestimmte Öle und Gase gewonnen werden könnten, die dann erneut zur Herstellung von neuem Kunststoff genutzt werden könnten. Das Verfahren ist nicht unumstritten: Die Gelsenkirchener Grünen etwa hatten zuletzt noch darauf hingewiesen, dass es sich um „kein technisch ausgereiftes Verfahren für die großindustrielle Anwendung“ handele, so Ratsmitglied Burkhard Wüllscheidt.

Wir taggen GElsen: Videos und Bilder aus Gelsenkirchen finden Sie auch auf unserem Instagram-Kanal GEtaggt und auf TikTok. Oder besuchen Sie die WAZ Gelsenkirchen auf Facebook.

Und während die Gelsenkirchener SPD-Ratsfrau Silke Ossowski etwa forderte, dass jedes Gelsenkirchener Unternehmen unterstützt werden sollte, „das sich Nachhaltigkeit und Klimawende auf die Fahnen schreibt“, ist man bei den Marler Genossen in der Wortwahl deutlich zurückhaltender. „Es bleiben Fragen offen“, sagt Stefan Weisgerber, Vorsitzender des SPD-Ortsvereins Marl-Polsum. Was derzeit vermisst werde, findet er, sei eine faktengetriebene Diskussion. „Es hilft niemandem, Ängste zu schüren oder intransparent zu handeln“. Pyrolyse sei ein Prozess, der noch nicht ausgereift sei: „Er ermöglicht mit seiner momentanen Effizienz keine Wirtschaftlichkeit“, so der Polsumer. Außerdem: „Die Nähe zu Wohngebieten in Polsum, Altendorf-Ulfkotte und Teilen von Gelsenkirchen ist ohne hinreichende Risikoanalyse bedenklich.“

„Wolke macht weder am Werkszaun noch an der Stadtgrenze Halt“

Weißgerber berichtete von einem Videogespräch mit der US-amerikanischen Wissenschaftlerin Dr. Amy Sharma, die sich mit dem Thema Brightmark beschäftigt: Die habe darauf hingewiesen, dass nirgendwo auf der Welt eine Brightmark-Pyrolyse-Anlage unter Volllast liefe, es also noch keine entsprechenden Daten gebe. Weißgerber betonte, dass sich die Polsumer SPD „dem Fortschritt und einer positiven Städteentwicklung in Gelsenkirchen nicht in den Weg stellen“ wolle. Er beklagt aber vor allem die seiner Meinung nach schlechte Kommunikationspolitik seitens BP. „Wir wünschen uns endlich Dialoge und weniger Monologe.“

Deutlicher wird Maurice Wegeber von der CDU: „BP hat ganz grundlegende Fragen noch nicht beantwortet“, sagt er. Er hält das Projekt Pyrolyse für falsch: „Das ist Greenwashing“, sagt er. Den Politikern im Gelsenkirchener Stadtrat wirft er vor, angesichts der Aussicht auf Arbeitsplätze Bedenken außen vor gelassen zu haben. „Ich habe den Eindruck, dass die Ratskollegen in Gelsenkirchen selbst nicht genau wissen, was da gemacht werden soll“, sagt er. Vor allem das Thema Sicherheit bewegt ihn, die Frage, was im Falle eines Störfalls passiert. „Eine Schadstoffwolke macht weder am Werkszaun noch an der Stadtgrenze Halt.“