Gelsenkirchen-Horst. Nena in Gelsenkirchen: 3500 Fans kommen ins Amphitheater, um die Sängerin zu erleben. Auf ihre umstrittenen Corona-Statements ging sie nicht ein.

Einen Leuchtturm benötigen sie am Ufer des Rhein-Herne-Kanals nicht. Gabriele Susanne Kerner alias Nena setzt am Samstagabend im Amphitheater in Gelsenkirchen trotzdem ganz auf ihre Strahlkraft. Mit alten Hits geizt die Lehrertochter aus Hagen vor 3500 Fans (Kartenpreise zwischen 65 und 75 Euro) in zwei Konzertstunden nicht gerade.

Im Nordsternpark meint die 63-Jährige: „Wir gehören zusammen!“ Das ist auch gleich ihr Tourmotto. Auch wenn Abriss-Party-Stars von früher mittlerweile dazu neigen, ihr Publikum selbst im Innenraum auf Stühle zu setzen, bleibt Nena standhaft. Stehplätze! Wahrscheinlich hätten sie die Sitzgelegenheiten aber sowieso zur Seite geräumt. Die treusten Fans springen bei der Open-Air-Sause vergnügt von der ersten Minute an. Es ist fast wie früher, als der Club noch Disco hieß.

Nena in Gelsenkirchen: Kräftiger Gegenwind nach Corona-Kritik

Die Nena-Fans hatten sich für das Konzert ihres Idols in Schale geworfen.
Die Nena-Fans hatten sich für das Konzert ihres Idols in Schale geworfen. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Neue Deutsche Welle hier, Empörungswogen woanders: Zuletzt pustete der deutschen Star-Sängerin kräftiger Gegenwind entgegen. Nena stänkerte zur Pandemie gegen die Corona-Maßnahmen. Auf ihren Social-Media-Kanälen entfachte sie im Oktober 2020 eine hitzige Diskussion. Sie sprach unter anderem von „Panikmache“ und weigerte sich, auf Abstandsregeln bei ihren Konzerten aufmerksam zu machen.

Nach einer Demonstration von Gegnern der Corona-Maßnahmen in Kassel, bei der es zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Polizisten kam, postete Nena: „Danke Kassel!“ und unterlegte dies mit einem Protestsong des wegen seiner Nähe zur Reichsbürger-Ideologie umstrittenen Pop-Sängers Xavier Naidoo. Nena hatte anschließend betont, sie wolle aber nicht als Corona-Leugnerin verstanden werden.

Haargummi gegen nervende Flatter-Hemdärmel

Beim Konzert in Gelsenkirchen verzichtet die Sängerin komplett auf große Statements. Ins Plaudern gerät Nena nur, als ein flatternder Ärmel ihres Kostüms nervt und sie im Publikum eilig nach einem Haargummi zur Befestigung fragt. Ansonsten hören Fans immer wieder kurze Komplimente. Den Eröffnungshit „Liebe ist“ setzt sie mit „Ich liebe euch!“ fort. Und als sie zwischendurch das Baustellen-Absperrband auf der verdichteten Tribüne zur Seite schiebt und ein obligatorisches Bad in der Menge nimmt, heißt es: „Es freut mich, euch umarmen zu können!“

Eine Wonne für den Anhang! Geduldig hatten sich Fans im Nordsternpark schon vor der Öffnung der Tore in monströse Warteschlangen eingereiht. Erstaunlich viele Nena-Jünger sind aus den Niederlanden gekommen. Und auf ihren Shirts prangt oft eine grelle „99“, die wie ein auf Baumwolle-Polyester-Gemisch gedruckter Zugabe-Ruf wirkt. Als Nena im letzten Konzertviertel endlich die 40 Jahre alte und aktueller denn je erscheinende Anti-Kriegshymne „99 Luftballons“ zündet, steigen von den Fans mitgebrachte, herzförmige Ballons in den Himmel. Ein zur Belustigung eingeworfener, überdimensionaler Luftballon zum durch die Gegend antippen, sorgt unfreiwillig für Lacher: Als eine Windböe den Großballon erfasst, ist das Zwischenspiel abrupt beendet. Ballon futsch!

Jugendzimmer-Hits lassen Handys flackern

Nena spielt im Konzert ihre Stärken aus, wenn es weit in die Vergangenheit geht. „Den folgenden Song kennen wohl nur noch die ganz, ganz alten Nena-Fans“, meint sie. Es ist der Prolog für „Ich bleib’ im Bett!“ Seit ihrem ersten Goldenen Otto der Jugendzeitschrift Bravo im Jahr 1982 hat sie sich aus den deutschen Hitparaden nie verabschiedet. „Nur geträumt“ und „Irgendwo, irgendwie, irgendwann“ ernten Nostalgie-Applaus. Es strahlen etliche Handy-Displays im Videomodus. Auch einige analoge Wunderkerzen sind entzündet. Voll Retro! Vor den lässigen Gitarren-Riffs von „Willst du mit mir gehn“ muss sie in der dichten Konzert-Rezeptur mit knapp 30 Song-Titeln tatsächlich kurz überlegen. „Was ist das für’n Lied?“ Nena steht nie wirklich still. Sie schnallt sich die Gitarre um und rudert auf einem Bein stehend mit den Armen.

Klaro! Als ehemaliger Coach aus der Pro-Sieben-Casting-Show „The Voice of Germany“ ist ihr die Dramaturgie der Bühne nicht unbekannt. Nach den Zugaben lässt sich Nena eng umschlungen mit ihrer Band von dauerklatschenden Fans herzen. Wenn man bedenkt, dass sie vor zwölf Jahren mit den Atzen und „Strobo Pop“ schon ein eigentümlich-schräges Schlager-Elektro-Pop-Crossover für Mallorca-Ballermänner ablieferte, endet das Gelsenkirchener Konzert nahezu schnurrend brav.

Mit diesen Events geht es im Nordsternpark weiter

Im Nordsternpark stehen die Instrumente auch in den kommenden Wochen nicht still. An Pfingsten lockt zwischen Freitag, 26. Mai, und Sonntag, 28. Mai, das Rock Hard Festival ins Amphitheater. Das Drei-Tage-Ticket für die Metal-Sause kostet knapp 120 Euro. Am Freitag, 2. Juni, hat sich dann Deutsch-Rocker Peter Maffay angesagt. Das Freiluft-Konzert des Tabaluga-Altmeisters beginnt um 20 Uhr. Die Tickets (unter anderem bei Eventim) kosten rund 75 Euro.