Gelsenkirchen. Die umstrittenen Heizungspläne der Ampel bereiten der Verwaltung in Gelsenkirchen Sorgen. An manche Probleme denke kaum jemand.

In der Gelsenkirchener Verwaltung macht sich die Sorge breit, dass der Bund die Stadt mit seinem umstrittenen Heizungsgesetz überfordern wird. „Wir hoffen, dass es Ausnahmeregelungen für Kommunen wie Gelsenkirchen geben wird“, sagte Timo Gäfke, Leiter des Referats Hochbau und Liegenschaften der Stadt, im Gespräch mit der WAZ.

Eine umfassende Erneuerung der städtischen Heizungsanlagen sei angesichts des Fachkräftemangels und unter Berücksichtigung langwieriger öffentlicher Ausschreibungen eine „enorme Herausforderung“. Zwar habe sich die Stadt mit ihrem Klimaschutzkonzept selbst dazu verpflichtet, die energetische Sanierung ihrer Liegenschaften konzentriert anzugehen. In ihrer „Absolutheit“ machten die Pläne der Ampel jedoch den Anschein, „nicht zu Ende gedacht zu sein“, so Gäfke.

Robert Habeck spricht von „Meilenstein“ für den Klimaschutz - Kritik vom Städtebund

Nach dem vom Bundeskabinett beschlossenen Entwurf des neuen Gebäudeenergiegesetzes soll von 2024 an möglichst jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Heizkessel sollen nur noch bis Ende 2044 mit fossilen Brennstoffen betrieben werden können. Die Gesetzesänderungen sollen vor der Sommerpause vom Parlament verabschiedet werden.

Deutliche Kritik an dem Gesetz, das Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) als „Meilenstein“ der deutschen Klimapolitik bezeichnete, kommt unter anderem vom Städte- und Gemeindebund. Dieser machte jüngst darauf aufmerksam, dass von den rund 180.000 kommunalen Verwaltungsgebäuden, Schulen, Krankenhäusern oder Sporthallen in Deutschland der Großteil noch mit Öl oder Gas beheizt werde. Nach Berechnungen des Verbandes müssten davon 135.000 Gebäude bis 2045 mit einer neuen Heizung ausgestattet werden. Um die Auflagen zu erfüllen, entstünden Mehrkosten pro Anlage von je 60.000 Euro. Und um dies zu stemmen, müssten Kommunen umfassend finanziell unterstützt werden.

Gelsenkirchen: In städtischen Gebäuden wird vor allem mit Gas geheizt

Die Stadt Gelsenkirchen hat nach eigenen Angaben derzeit 272 Gasheizungen, 13 Ölheizungen, nur zwei Wärmepumpen und eine Holzpelletanlage in städtischen Gebäuden in Betrieb. Die ältesten Heizungen sind drei Gasheizungen aus dem Jahr 1979, die neuesten Heizungen (drei Heizungen mit Gasfeuerung) stammen von 2022. Die neuste Ölheizung ist aus dem Jahr 2010, die älteste von 1997.

Unterm Strich müssten also fast alle Anlagen bis 2045 umgerüstet werden, und damit – so die naheliegendsten Möglichkeiten – entweder ans Fernwärmenetz angeschlossen werden oder durch eine Wärmepumpe ausgetauscht werden.

Während die Stadt hinter dem stetig voranschreitenden Fernwärmenetz gerade in dicht besiedelten Stadtteilen Gelsenkirchens Potenziale sieht, beurteilt man in der Verwaltung Wärmepumpen für städtische Liegenschaften kritischer. „Dann muss man in einem Gebäude ja ein komplett neues Heizsystem implementieren“, betont Gäfke. Beispielsweise seien die Heizkörper in vielen städtischen Liegenschaften oft nicht auf die Vorlauftemperatur von Wärmepumpen ausgelegt.

Das sagt der Klimaschutzmanager

Eine optimistischere Bewertung des Entwurfs zum Gebäudeenergiegesetz kommt aus dem städtischen Umweltreferat. „Ich bin froh, dass endlich etwas passiert, nachdem die letzten Jahre für den Klimaschutz viel zu wenig getan wurde“ , sagte Klimaschutzmanager Kai Thiemann der WAZ. Das neue Heizungsgesetz sei „vielleicht nicht optimal moderiert“, aber man könne „einigermaßen glücklich“ sein, dass es nun deutliche Vorgaben gebe, um die „riesigen Defizite“ im Gebäudesektor anzugehen.

„Durcheinander bringt uns das Gesetz nicht wirklich“, meint Thiemann. Die Themen Wärmeversorgung und Wärmesanierung seien bereits im Klimaschutzkonzept als wichtiges Handlungsfeld für die Stadt Gelsenkirchen verankert. „Da gibt es für uns einen klaren Fahrplan. Was sich für uns nun natürlich ändert, das sind die Rahmenbedingungen.“

Wichtiger als nur den Heizkessel auszutauschen ist aus Sicht von Gäfke aber ohnehin, vielmehr „ganzheitlich“ bei der energetischen Sanierung zu denken. „Dazu haben wir uns mit dem Klimaschutzkonzept 2030/2050 auch verpflichtet.“ Am Ende müsse es um den geringmöglichsten Energieverbrauch gehen – „egal, wo dieser herkommt.“

Hier müsse etwa die Sanierung der Gebäudehüllen oder die Vollausstattung mit Photovoltaik-Anlagen auf städtischen Liegenschaften mehr in den Fokus rücken. „Das ist der richtige Ansatz und sinnvoller, als nur über neue Heiztechnologien nachzudenken, bei denen ein prozentualer Ansatz von erneuerbaren Energien vorgegeben wird“, so Gäfke.

Wenig beachtetes Problem: Schadstoffbelastung von Gebäuden in Gelsenkirchen

Für ein zu wenig beachtetes Thema in der Heizungsdiskussion hält der Referatsleiter auch das Problem mit Schadstoffen. Gebäude, die vor 1997 errichtet worden sind, stünden unter Generalverdacht, schadstoffbelastete Baumaterialien zu beinhalten. Neben der Erneuerung der Heizungsanlage auch noch in jedem Raum eine Schadstoffentsorgung zu machen, sei etwa im laufenden Betrieb einer Schule aber nur schwer möglich. „Das überfordert nicht nur Gelsenkirchen, das überfordert alle Kommunen“, so Gäfke.