Gelsenkirchen-Buer. Mieter an zwei Gelsenkirchener Straßen müssen mit der Ungewissheit leben, wie es mit ihren Häusern weitergeht. Dieser Vorfall schreckt auf.

Der Auftritt muss denkwürdig gewesen sein. Am 21. März war es, gegen 17 Uhr, da tauchte auf der Talstraße in Gelsenkirchen-Buer ein Mann auf. Zufällig auf der Straße stehenden Bewohnern gegenüber gab er an, die Häuser an der Talstraße und der Parallelstraße Am Schifersberg gekauft zu haben. Den perplexen Mietern bot er ein „Vorkaufsrecht“ auf die Häuser, eine Woche Zeit hätten die Bewohner, sich zu entscheiden. Die Preisliste präsentierte der Mann schon einmal – mit Schwindel erregenden Zahlen.

Jürgen Heinze bewohnt eines der Häuser an der Talstraße, er kann sich an den Auftritt des Mannes gut erinnern. „Der stand einfach auf der Straße und hat behauptet, die Häuser gehörten jetzt ihm“, sagt er kopfschüttelnd. Die Preisliste, die der vermeintliche Käufer auf seinem Tablet präsentierte, hat Heinze mit dem Handy abfotografiert. Die Zahlen lassen staunen. Nach Hausnummern sortiert, hatte dort jedes Haus an den beiden Straßen ein Preisschild: Der niedrigste Preis lag bei 454.000 Euro, für eine Immobilie rief der Mann 591.000 Euro auf. Nur zum Vergleich: Auf einem bekannten Online-Portal für Immobilien liegt der Preis für ein frei stehendes, einigermaßen modernes Einfamilienhaus in Bülse gerade bei 375.000 Euro.

Gelsenkirchener Häuser gehören einer Frankfurter Wohnungsfirma

Die Talstraße in Gelsenkirchen-Buer: Die Häuser haben einen großen Sanierungsbedarf.
Die Talstraße in Gelsenkirchen-Buer: Die Häuser haben einen großen Sanierungsbedarf. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Von modern kann bei den Häusern an Talstraße und Schifersberg keine Rede sein. Es sind alte Zechenhäuschen, die hier stehen, klein, verwinkelt, von der Sorte, wie es sie früher im Ruhrgebiet in jedem Viertel gab, die heute aber immer seltener geworden sind. Früher einmal wohnten hier fast ausschließlich die Bergleute, die auf der Zeche Hugo einfuhren, noch immer sind es viele Ex-Kumpel, die hier ihr Heim haben. Die Gebäude sind in die Jahre gekommen, doch die Menschen wohnen gern hier, pflegen eine gute Nachbarschaft, sind stolz auf ihre Gärten.

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Früher einmal gehörten die Häuser der Ruhrkohle AG (RAG). Seit 2000 wechselten die Besitzer dann in schneller Folge. Nach der RAG kam die THS, dann die Vivawest, dann die LEG. Im November 2019 bekamen die beiden Straßen abermals einen neuen Besitzer: Die Coreo AG aus Frankfurt. Die versteht sich nach Angaben auf ihrer Internetseite als „auf deutsche Gewerbe- und Wohnimmobilien fokussierter Bestandsimmobilienentwickler.“ Ziel des Unternehmens sei „der Aufbau eines effizient bewirtschafteten, renditestarken Immobilienportfolios mit einem Volumen von 400 bis 500 Millionen Euro innerhalb der nächsten Jahre mittels umsichtiger Entwicklung und dem Verkauf nicht strategischer Objekte.“

Schimmel im Haus, Heizung mit Kohleofen

Von „Bestandsentwicklung“ kann an den beiden Straßen keine Rede sein. Ein Teil der Häuser steht schon seit geraumer Zeit leer, Nachbarn berichten, dass man durch die Fenster sehen könne, wie sich dort Schimmel bildet. Manche Häuser sind nur zum Teil bewohnt: Eine Nachbarin berichtet, dass ihre Wohnung in einem Haus mit insgesamt vier Wohnungen liege – die anderen drei seien nicht bewohnt. „Das Dach ist mittlerweile undicht“, sagt die Frau – darum kümmern würde sich niemand. „Der Sanierungsbedarf ist hier sehr groß“, sagt Ratsmitglied Lukas Günther (SPD), der die Lage an den beiden Straßen schon seit Längerem verfolgt. „Viele der Wohnungen werden etwa noch mit Kohleöfen beheizt.“

Dass der Mann, der die Häuser angeblich gekauft haben wollte, nicht wirklich ernstzunehmen ist, diese Erkenntnis hat sich mittlerweile unter den Mietern breit gemacht: Die Wochenfrist ist längst verstrichen, etwas Schriftliches haben die Nachbarn auch nicht gesehen. Dennoch: Ein Gefühl der Unsicherheit hat sich an Talstraße und Schifersberg breit gemacht. „Hier laufen auch ständig Leute mit Plänen in der Hand durch die Siedlung“, beklagt sich Jürgen Heinze. Informationen bekämen die Mieter aber nicht.

Lukas Günther, SPD-Ratsmitglied weist darauf hin, dass dieser Zustand schon seit mehr als zwei Jahren anhält. Das müsse aufhören, fordert er, der Wohnungskonzern müsse sich besser um seine Mieter kümmern, die müssten wissen, woran sie seien. Ein Vertreter der Coreo AG war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.