Dokumentationsstätte, Archiv, Dienstleister: Das Institut für Stadtgeschichte beschäftigt sich wissenschaftlich mit der Entwicklung der Stadt. Gegründet wurde es im September 1989. Seitdem leitet Dr. Jürgen Priamus die Einrichtung.
Großformatig wird Besuchern und Mitarbeitern des Instituts für Stadtgeschichte (ISG) vorgeführt, was war, was ist. Im Wissenschaftspark hängt gleich am Instituts-Eingang ein ausladendes, detailverliebtes Gemälde aus der Blütezeit der Industriealisierung. Schlote rauchen, Patina überzieht Fabrikgebäude und Zechenanlagen. Die Zukunft gründet auf der Geschichte: Wo Gelsenkirchen ein architektonisches Ausrufezeichen für eine Denkfabrik und den Strukturwandel gesetzt hat, war Rheinelbe-Gelände. Das Bild erinnert an der Munscheidstraße daran. Und es ist Zeichen für die Arbeit von Jürgen Priamus und seines Instituts. Sie spüren der Stadtwerdung seit 20 Jahren nach. Und ihren Folgen. Bis heute.
Am 1. September 1989 wurde das Institut gegründet. Priamus ist der Gründungsdirektor. „Es gab hier ein Defizit an struktureller Grundlage für die historische Arbeit”, erinnert er sich an die Vorgeschichte. „In gewachsenen Städten gibt es seit Jahrhunderten Stadtarchive. So etwas existierte hier kaum.” Historische Arbeit wurde vielfach durch bürgerschaftliches Engagement getragen, Geschichte mit „dem Blick von unten” und auf die kleinen Leute geschrieben, aber eben „nicht professionell besetzt und ohne passende Rahmenbedingungen”. Priamus: „So wurde die Idee geboren, eine Einrichtung zu schaffen, die Geschichte erforscht und dokumentiert. So ist das ISG entstanden.” Unter seinem Dach vereint es das Stadtarchiv, die historische Forschung und Beratung.
„Das Archiv führt der Wissenschaft dabei sozusagen das Publikum zu. Vor allem, seitdem „Ahnenforschung en vogue ist. Das ist nicht gerade mein Lieblingsbereich”, gesteht Priamus. „Doch wir liefern den Leuten die Informationen, die sie wollen.” Das Institut als Dienstleister, involviert in Gedenkveranstaltungen, Erinnerungsorte, auch in das was Priamus „Politikberatung” bei der Einordnung historischer Ereignisse nennt. „Wir sind nicht nur in Gelsenkirchen angesiedelt, wird sind auch eine Gelsenkirchener Einrichtung. Wir haben eine Bringeschuld”, sagt der Leiter. Natürlich ist der wissenschaftliche Blick demnach stark auf örtliche Entwicklung gerichtet. Aber eben auch über die Grenzen hinaus. Aufs System. Priamus: „Das Augenmerk gilt der modernen Stadt. Wir erforschen: Unter welchen Bedingungen entstehen Städte und wie entwickeln sie sich?”.
Das Revier ist ein Sonderfall. Frühe städtische Infrastruktur fehlte der Region. Kohle und Stahl lösten die Zuwanderung aus. Was entstand, war „eine Siedlungsstruktur um die Betriebe herum” Und das Ruhrgebiet entwickelte sich langsam zum „Revier der großen Dörfer”. Wissenschaftliche Abhandlungen gibt es darüber. Und nachhaltige Auswirkungen dieses Phänomens: „Die nachholende Urbanisierung”, so Priamus, „ist eigentlich eines der Probleme, mit denen Städte wie Gelsenkirchen oder auch Oberhausen zu kämpfen haben.”
Dieser speziellen Stadtgeschichte nimmt sich das Institut seit der Gründung an. Zudem ist die „öffentlich wirksame Forschung sehr stark unterwegs gewesen auf dem Gebiet des Nationalsozialismus.” Die 1994 eröffnete Dokumentationsstätte „Gelsenkirchen im Nationalsozialismus” in Erle zeugt davon, ebenso zahlreiche Fach-Veröffentlichungen.
Lehraufträge und enge Kontakte zur Ruhr-Uni Bochum festigen das wissenschaftliche Fundament des Instituts und befeuern den wissenschaftlichen Output. Für Schriftenreihen, Materialien, Beiträge, Dokumentationen und populärwissenschaftliche „Bilderbücher” zeichnet das ISG verantwortlich. Knapp zwei Jahre lang wird Priamus sein Institut noch bis zum Ruhestand begleiten, auch Schwerpunkte verschieben: Für den promovierten Historiker steht fest: „Wir werden uns stärker als bisher dem Strukturwandel zuwenden müssen, auch unter historischem Blickwinkel.”