Gelsenkirchen-Ückendorf. Die Pandemie hat Ingo Appelt nicht leiser gemacht. Der Komiker will immer noch die „Drecksau geben“. In Gelsenkirchen fordert er die Buh-Rufe.
Das müssen sie aushalten, und das wissen sie auch vorher. Wenn Ingo Appelt kommt, ist es mit dem Schönreden vorbei. Der Komiker ist eben nicht in erster Linie komisch oder schon gar nicht politisch korrekt nach dem Zeitgeist. Er ist dreist, ordinär, giftig, böse und sexistisch. Deswegen sind sie auch hier in der Heilig-Kreuz-Kirche in Gelsenkirchen-Ückendorf.
Er streift ganz kurz die Örtlichkeit, weil er mit Vollgas durchstartet, viel zu schnell, um korrekt mitzuschreiben. Aber warum korrekt? Also, „ist ja toll, mal was anderes. Wat ‘n schöner Saal“, fängt er an, mehr Zeit gibt er diesem Spielort nicht.
Festgelegt auf seine Rolle seit „RTL Samstag Nacht“
Der ist übrigens nicht ausverkauft, kein Wunder, denn Appelt kommt an drei Abenden hintereinander in Essen, Gelsenkirchen und Oberhausen mit „Startschuss – Auf die Kacke, fertig, los!“ auf die Bühne. Ist das ein neues Programm, hat er neue Themen? Eher nicht. Macht aber auch nichts. Er hat sich festgelegt, schon damals in den 1980er Jahren bei „RTL Samstag Nacht“.
„Die wollten mich als Drecksau“, macht er ganz klar, und dabei ist er geblieben. Inzwischen mit den zehn Kilo auf den Rippen, die sein Arzt verloren hat, „dafür hab ich die gefunden“, mit Frau, Kindern und Geschichten der letzten und vorletzten Jahre. Aber eben „dreckig“.
Das Schild mit dem Wort, das ihn schon zu RTL-Zeiten berühmt machte, hat er immer dabei. Und er benutzt es laufend, es ist auch noch immer nicht „Geschlechtsverkehr“ oder „Fortpflanzung“. „Politisch korrekt, wer das erwartet, ist hier verkehrt“, nordet er die Gäste ein. „Das ärgert mich, wenn du nur aus Frackigkeit meinst: Das und das darfst du nicht mehr sagen“, schickt er hinterher.
Appelt keilt ausnahmslos gegen alle aus
Deswegen startet er auch noch mal, nicht etwa, weil noch zwei Nachzügler aus Geldern an diesem Abend vorne Platz nehmen. „Flitzpiepen“, kommentiert er, „habt Ihr keine Uhren in Geldern?“ Und dann stichelt er, um sie alle in die Stimmung zu bringen, zu pfeifen, „Buh“ zu rufen oder „Komm raus, Du Sau“, denn das will er hören.
Dafür liefert der gebürtige Essener, der in Berlin lebt, aber dann auch. „Wer Gelsenkirchen kennt, dem gefällt’s schließlich überall“, damit kriegt er sie, und sie pfeifen, buhen und schmähen ihn. Denn er will das so.
Er keilt aus gegen das Gendern, gegen Vegetarier, Veganer und Frutarier. Das haben andere auf der Bühne auch schon getan, aber nicht in einem Abwasch, und nicht mit diesen Bildern. Denn Appelt schwärmt davon, wie er den Krustenbraten geradezu zelebriert, oder wie er die Acht-Kilo-Gans für Weihnachten extra beim Bio-Bauern geholt hat.
Seine Parodien kommen auch ganz tief aus der Mottenkiste
Ganz groß ist der Komiker, wenn er parodiert. Er kramt ganz tief in der Mottenkiste, holt den Rudolf Scharping heraus („langsam, ganz langsam“), den Helmut Kohl, die Angela Merkel, natürlich den Herbert Grönemeyer. Und dann springt er ohne Ankündigung, ohne Pause, zwischen den Figuren hin und her.
Da trifft Udo Lindenberg auf Helene Fischer und Til Schweiger nuschelt sich durch Action-Szenen im Hamburger Tatort. Natürlich hat er über die Corona-Zeit jetzt auch Karl Lauterbach in seine Liste aufgenommen. Appelt wäre außerdem nicht Appelt, wenn er nicht noch eine Überraschung im Ärmel hätte, und er belegt, dass er auch den Olaf Scholz parodieren kann.
Dann wird er doch noch ein bisschen sentimental
Richtig politisch wird er nicht, aber er rückt auch Dinge zusammen, die sonst weit auseinanderliegen. Wenn er das Bild entstehen lässt, dass sich die Bundeswehr-Soldaten an den Leopard-Panzern unter Tränen festkleben („das Einzige, was bei der Truppe funktioniert“), dann bekommen die „Klima-Kleber“ in einem Atemzug auch ihr Fett weg.
Dabei kann Ingo Appelt ja auch ein bisschen sentimental. Wenn er aus den Anfängen erzählt, von den Auftritten auf den kleinen Bühnen in Köln mit anschließender Feier in den Schwulenkneipen mit Leuten wie Hella von Sinnen, Dirk Bach, Ralf Morgenstern, wie herzlich, offen, ehrlich die alle waren. Da klingt mal eine ganz andere Saite, immerhin, wenn auch nur kurz.
Er bleibt bei der „Drecksau“, und er hat seine Fans.