Gelsenkirchen. Mehr Schulschwänzer und mehr Bußgelder: Wie Gelsenkirchen des zunehmenden Problems Herr werden will. Und was Schulen dagegen unternehmen.
- Die Schulen selbst melden Fehlzeiten und bei Häufung verhängte Bußgelder an die Schulaufsicht
- Nicht alle Schulen scheinen bei der Meldung und Bestrafung gleich „eifrig“ zu sein
- Über 14-Jährigen droht im Extremfall auch Jugendarrest
Der CDU-Stadtverordnete Michael Schmitt hatte Ende 2022 den Bildungsausschuss nach der Höhe der unentschuldigten Fehlzeiten an Gelsenkirchener Schulen sowie nach Schwerpunkten, Altersgruppen und Sanktionen dafür gefragt. In der kommenden Sitzung des Fachausschusses am Donnerstag, 9. März (ab 16 Uhr im Hans-Sachs-Haus), werden die Antworten nun vorgelegt. Besonders detailliert sind sie nicht.
340 Fälle in 2022 erfasst – laut Münster vor allem an Gesamt- und Sekundarschule
Erfasst werden die unentschuldigten Fehlzeiten durch Meldungen der Schulen an die Schulaufsicht. Für Gymnasien, Gesamtschulen, Sekundarschule und Realschule sitzt die Aufsicht in Münster, Schulamt und untere Schulaufsicht für Grund-, Haupt- und Förderschulen haben den Sitz in Gelsenkirchen. In Münster wurden im Kalenderjahr 2021 für Gelsenkirchen 206 Fälle von Missachtung der Schulpflicht gemeldet, in 2022 waren es sogar 340 Fälle – zum Vergleich: Im gesamten Regierungsbezirk waren es 1311. Mehr als jeder vierte Fall wurde damit aus Gelsenkirchen gemeldet. Die Gründe für die unentschuldigten Fehlzeiten werden von Münster nicht erfragt, Statistiken nach Altersgruppen liegen nicht vor.
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Generell gebe es an Gymnasien die wenigsten Fälle, die meisten an Gesamtschulen, heißt es in der Antwort der Schulaufsicht auf Schmitts Frage nach Details zu Schulformen. Als einzelne Schulen waren laut Münster zuletzt in Gelsenkirchen die Gesamtschule Berger Feld und die Sekundarschule Hassel auffällig.
Sanktioniert wird langfristiges unentschuldigtes Fehlen in den meisten Fällen mit einem Bußgeld, in seltenen Fällen verbunden mit einer Ordnungsverfügung samt Zwangsgeldandrohung. Bevor es dazu kommt, gebe es jedoch ein gestuftes Verfahren mit pädagogischem Einwirken durch die Schule, versichert Münster. [Lesen Sie dazu:Mehr Schulverweigerer nach dem Lockdown]
Schule verlangt im Zweifel ärztliches Attest statt fadenscheiniger Entschuldigung
In der Tat gibt es in der Schule zahlreiche Bemühungen, die Schülerschaft zum verlässlichen Schulbesuch zu bewegen, versichert Maike Selter-Beer, Leiterin der Gesamtschule Berger Feld auf WAZ-Nachfrage. Dass die Zahlen an Ihrer Schule höher seien, hänge damit zusammen, dass man mehr Maßnahmen ergreife als andere. „Die Schulen entscheiden ja selbst, ob sie ein Bußgeld verhängen. Wir tun das, reagieren früh und stark, um dem Schulabsentismus entgegen zu wirken.“
Fehlzeiten würden am Berger Feld sofort im elektronischen Klassenbuch detailliert erfasst und gemeldet. Die jeweiligen Lehrkräfte kontaktieren die Eltern der fehlenden Schüler zeitnah, sprechen mit den Betroffenen, auch über Gründe. Wenn Ermahnungen nicht weiterführen oder Entschuldigungen offensichtlich nicht wirklich begründet sind, wird bei Fehlzeiten ein ärztliches Attest gefordert. „Im Zweifelsfall spreche ich oder ein Kollege auch mit dem jeweiligen Arzt, um die Situation zu erklären. Persönliche Gespräche helfen auch hierbei“, versichert die Schulleiterin.
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Pädagogische Maßnahmen der Schule sind laut Behörde Voraussetzung für die Einleitung eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens. Wird das Bußgeld nicht bezahlt, wird es entweder vollstreckt oder in Sozialstunden umgewandelt, die die Jugendlichen leisten müssen. Werden diese angeordneten Sozialstunden nicht angetreten, kann das Jugendgericht Jugendarrest verhängen. Im Regelfall werden Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen die Eltern eingeleitet. Bei Jugendlichen ab 14 Jahren kann das Verfahren auch gegen den Jugendlichen selbst geführt werden.
Weniger Fälle an Grundschulen im laufenden Schuljahr
Unterstützung für Grund- und Hauptschulen
Für den Bereich Hauptschulen hat die Stadt Gelsenkirchen ein eigenes Konzept mit der Schulrätin Ulrike Kleber, den Schulen und dem Jugendreferat aufgestellt, um „Schulabsentismus“ (Abwesenheit) frühzeitig entgegenzuwirken. Der Leitfaden für das abgestimmte Vorgehen „Wir merken, dass Du fehlst“ wurde 2020 entwickelt.
Bereits nach kurzer Fehlzeit werden Eltern und Kind kontaktiert, Besuche im häuslichen Umfeld sind möglich, um die Hürden zur Rückkehr in die Schule möglichst niedrig zu halten und die Familien bei Bedarf zu unterstützen bei der Einhaltung der Schulpflicht. Der Sozialdienst Schule der Stadt kümmert sich auch um Grundschüler mit auffälligen Fehlzeiten.
Beim Schulamt für die Stadt Gelsenkirchen wurden im Corona-Schuljahr 2021/22 an Grundschulen 264 Verfahren zur Ahndung von Schulpflichtverletzungen eingeleitet, für das erste Halbjahr 2022/23 waren es lediglich 93. Bei Hauptschülern wurden im Schuljahr 21/22 72 Fälle gemeldet, im ersten Halbjahr des laufenden Schuljahres 45 Fälle. An den Förderschulen sind die Zahlen allerdings deutlich höher: 375 dokumentierte Fälle waren es in 2021/22, im ersten Schulhalbjahr 22/23 bereits 165. Gründe für unentschuldigtes Fehlen werden auch hier nicht erfasst, ebenso wenig wie Alterstatistiken. Sanktionen erfolgen auch hier in der Regel per Bußgeldverfahren.
Generell nehmen laut Schulaufsicht Münster die unentschuldigten Fehlzeiten weiterhin zu. Begonnen habe dieser Trend jedoch bereits vor Corona.