Gelsenkirchen. Ukrainer suchen „den schnellen Einstieg in den Arbeitsmarkt“, sagt man beim Gelsenkirchener Jobcenter. Doch drei zentrale Hürden erschweren dies.
- Immer mehr ukrainische Geflüchtete finden einen Job in Gelsenkirchen.
- „Viele Ukrainer und Ukrainerinnen suchen den schnellen Einstieg in den Arbeitsmarkt“, heißt es beim Jobcenter. Doch so einfach ist diese Suche nicht.
- Denn es gibt drei zentrale Herausforderungen: Die Anerkennung von Berufsabschlüssen, die fehlende Kinderbetreuung und die Sprachbarrieren.
Ein Jahr nach Beginn des russischen Angriffskrieges ist die Integration der ukrainischen Geflüchteten in den Arbeitsmarkt in vollem Gange: Von den rund 1415 Ukrainern im Alter zwischen 19 und 65 Jahren, die in Gelsenkirchen registriert sind, haben nach Angaben des Jobcenters mittlerweile rund 60 Personen erfolgreich eine Beschäftigung aufgenommen oder eine vermittelt bekommen. Allerdings gibt es zahlreiche Hürden, die die Arbeitsaufnahme erschweren.
Ukrainer in Gelsenkirchen arbeiten bislang in Branchen wie Logistik und Gastronomie
Bei den Jobs handele es sich in der Regel um Helfertätigkeiten, also um Jobs, für die man keine Berufsausbildung benötigt – und zwar in Branchen wie Lager und Logistik, Gastronomie, Reinigung oder Transport und Aushilfsfahrten, also Zustell- oder Kurierdienste. „Viele Ukrainer und Ukrainerinnen suchen den schnellen Einstieg in den Arbeitsmarkt“, stellt Jobcenter-Geschäftsführerin Anke Schürmann-Rupp fest.
Nicht bei den Zahlen berücksichtigt sind ukrainische Minijobber. Auch hier gebe es Erfolge bei der Vermittlung, sagt Schürmann-Rupp – und ergänzt: „Bei dieser Zielgruppe wird aktuell angestrebt, die Stundenzahl aufzustocken.“ Noch keine „validen Zahlen“ habe man zu den Aufstockern zur Hand, also den Ukrainern, deren Lohn nicht für den Lebensunterhalt reicht und die ergänzend Bürgergeld erhalten.
Der Weg in den Arbeitsmarkt wurde Ukrainern gesetzlich erleichtert; Sie müssen kein Asylverfahren abwarten, sondern erhalten direkt eine Aufenthaltserlaubnis, die ihnen die Erwerbstätigkeit ermöglicht. Das heißt jedoch nicht, dass die Arbeitsaufnahme im Eiltempo gelingt. Schürmann-Rupp nennt drei zentrale Herausforderungen: die Sprachbarrieren, die Kinderbetreuung und die Anerkennung der Abschlüsse.
Jobs für Ukrainer: Warum die Anerkennung von Berufsabschlüssen so schwierig ist
Rund 62 Prozent der Ukrainer hätten keine abgeschlossene Berufsausbildung. Etwa 26 Prozent seien Akademiker, etwa 12 Prozent hätten eine betriebliche oder schulische Berufsausbildung. „Diese Aufzählung muss allerdings näher erläutert werden“, merkt Schürmann-Rupp an. Denn das Ausbildungssystem in der Ukraine unterscheide sich stark von jenem in Deutschland.
„Oft ist ein – oder sind sogar mehrere – Hochschulabschlüsse bei den ukrainischen Geflüchteten vorhanden, die eigentliche Berufserfahrung wurde dann aber fachfremd gesammelt“, so die Jobcenter-Chefin. Das heißt: Die Arbeitssuchenden aus der Ukraine hätten teilweise nie oder vor mehreren Jahren im erlernten Beruf gearbeitet. „Daher kann es vorkommen, dass ihre Qualifikation nicht mehr verwertet und anerkannt werden kann.“
Zudem hätten viele „in unterschiedlichen Bereichen gearbeitet, ohne eine entsprechende Ausbildung zu haben.“ Auch dies erschwere die Anerkennung einer Qualifikation. „Zeugnisse sind meistens nur online, und Nachweise über Berufserfahrungen kaum vorhanden.“
Sprachbarrieren sind weitere große Herausforderung bei der Arbeitsvermittlung
Die zweite große Herausforderung bei der Integration in den Arbeitsmarkt sind die Sprachbarrieren. „Oft bestehen Sprachprobleme bereits bei der Datenerhebung“, stellt Schürmann-Rupp fest. Trotz einer höheren Berufsqualifikation würden deshalb erst einmal Stellen im Helferbereich gesucht – jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt eines entsprechenden Spracherwerbs oder des - wie beschrieben – schwierigen Abschlusses der Anerkennungsverfahren der ausländischen Abschlüsse.
Geflüchtete aus der Ukraine haben die Möglichkeit, einen Integrationskurs mit 700 Unterrichtseinheiten à 45 Minuten zu besuchen, um die deutsche Sprache zu erlernen (Infobox). In Gelsenkirchen gibt es nach Angaben der Stadt derzeit acht Träger, die Integrationskurse für Ukrainer und alle anderen Geflüchteten durchführen. Ein Träger ist die VHS, wo Interessierte laut Stadt aktuell sechs Wochen auf einen Kurs warten müssen.
So ist ein Integrationskurs aufgebaut
Ein vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) anerkannter Integrationskurs umfasst sechs Module mit je 100 Unterrichtseinheiten Sprachunterricht sowie einen abschließenden Orientierungskurs. Hier wird „in weiteren 100 Unterrichtseinheiten über die in Deutschland gültigen Werte und Normen gesprochen und es werden Kenntnisse zum Staat und zur Geschichte Deutschlands vermittelt“, informiert die Stadt.
Der Unterricht erfolgt im Regelfall an fünf Tagen in der Woche. Am Ende eines Integrationskurses stehen zwei Prüfungen: Der Sprachkurs mit dem (A2/B1)-Deutsch-Test und der Orientierungskurs mit dem „Leben-in-Deutschland-Test“.
Teilnehmende, die (das lateinische Alphabet) noch nicht bzw. nicht ausreichend lesen und schreiben können, beginnen mit einem Alphabetisierungskurs; dieser dauert etwas länger und umfasst 1300 Unterrichtseinheiten.
„Beim Ausbau des Angebotes ist die größte Herausforderung der knappe Markt an geeigneten Dozierenden, die über eine Zulassung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge verfügen müssen“, sagt Bildungs- und Integrationsdezernentin Anne Heselhaus. Dennoch seien im Zuge des Ukraine-Kriegs alleine an der VHS vier Integrationskurse zusätzlich eingerichtet worden, um dem gestiegenen Bedarf gerecht zu werden. Das bedeute jedoch nicht, dass man die Ukrainer bei der Integration als besondere Zielgruppe hervorhebe.
Auch für ukrainische Kinder fehlen Betreuungsplätze in Gelsenkirchen
Doch auch wenn Integrationskurse und Anerkennung der Berufsqualifikation erfolgreich abgeschlossen werden, gilt es noch eine entsprechende Kinderbetreuung für die arbeitswilligen Ukrainerinnen und Ukrainer zu finden. Jobcenter-Geschäftsführerin Schürmann-Rupp nennt diese als dritte zentrale Hürde. Aktuell werden rund 50 ukrainische Kinder in einer Kita betreut – von über 204 Kindern unter sechs Jahren, die in der Stadt leben.
Die Stadt schreitet zwar stetig beim Ausbau der Kita-Plätze voran – allerdings sind weiterhin nicht genügend Betreuungsplätze vorhanden, um jedem Kind ein entsprechendes Angebot zu machen. Die Verwaltung versucht währenddessen über alternative Betreuungsangebote, wie etwa die mobile Kita oder Spielgruppen, ukrainische Familien anzusprechen – eine Ganztagsbetreuung, die eine Arbeitsaufnahme ermöglichen würde, kann dadurch allerdings nicht gewährleistet werden.