Gelsenkirchen. Erstmals sind zwei alleinstehende Prinzen angetreten, den Stadtschlüssel an sich zu bringen. Die Kreativität von OB Welge machte das schwierig.

„Tanz Garde tanz - am besten aus der Reihe“, ruft Stadtprinz Thorsten I. Pasucha aus. Es ist noch früh am Morgen. Und das ist ein bisschen aus spürbar. Über die aktiven Karnevalisten hinaus haben noch nicht so viele Jecken den Weg gefunden auf den Platz vor dem Bahnhof-Center.

Rosi hingegen ist ausgeschlafen und in Feierlaune. „Ich bin seit über 50 Jahren jedes Mal hier dabei“, sagt die begeisterte Närrin. „Wir fahren nach Köln, wie fahren nach Düsseldorf - aber an Weiberfastnacht waren wir schon immer hier in Gelsenkirchen im Hans-Sachs-Haus.“ Da wird sie fast ein bisschen wehmütig. „Ich denke gern zurück an damals, als der Schlagersänger Ibo noch immer mit dabei war.“ Rosi ist nicht nur kostümiert, sie ist auch gewappnet. In ihrer Hand hat sie einen „Schnarchklopfer“. Ob sie mit dem heute die Männer in die Schranken weist? „Ja, aber ganz liebevoll.“

Ein emanzipiertes Prinzen-Doppel

Sarah, Christine und Inge sind Enkeltochter, Tochter und Großmutter und ein knallpinkes Feier-Trio.
Sarah, Christine und Inge sind Enkeltochter, Tochter und Großmutter und ein knallpinkes Feier-Trio. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Auf dem Bahnhofsvorplatz stimmt Prinz Thorsten die Jecken ein. Als singender Stadtprinz ist das für ihn einfach. „Karneval im Ruhrpott“, singt er - und die Karnevalisten stimmen ein. Wie ihm heute zumute ist, wenn er als emanzipierter Prinz den Stadtschlüssel an sich bringen muss? Das ist ja eigentlich ein Job für die Prinzessin. „Ich kenne es ja nicht anders. Ich bin zum ersten Mal an Weiberfastnacht in Gelsenkirchen dabei.“ Gleichsam ist er zuversichtlich, dass er, gemeinsam mit Kinderprinz Ben, die Herrschaft über das Rathaus übernehmen kann. Bis dahin jedoch ist noch etwas Zeit zum Schunkeln.

Bunt kostümiert und bester Laune ziehen die Närrinen und Narren vom Bahnhof ins Rathaus.
Bunt kostümiert und bester Laune ziehen die Närrinen und Narren vom Bahnhof ins Rathaus. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Da stimmt auch ein besonderes Trio ein: Sarah, Christine und Inge sind Enkeltochter, Tochter und Großmutter. Immer an Weiberfastnacht haben sie „Frauentag“, berichten sie. „Da haben wir uns so lange drauf gefreut“, erzählt Christine. Und Sarah erzählt lachend: „Unsere Männer müssen heute zu Hause bleiben. Die haben Haushaltsdienst. Das gönnen wir uns einmal im Jahr.“

Verwaltungs-Dreigestirn verteidigt den Stadtschlüssel

Während die Jecken Aufstellung nehmen zum Zug über die Bahnhofstraße, ist eines zu beobachten: Es ist wie im echten Leben. Der Karneval scheidet die Geister. Die einen sind jeck und ausgelassen, die anderen skeptische Beobachter. Immerhin gibt es unter ihnen Interessierte. „Ist denn schon Rosenmontag?“, fragt ein junger Mann mit Migrationshintergrund - und lässt sich dann den Ablauf des Straßenkarnevals erklären.

Getanzt, geschunkelt und gelacht wird im Gelsenkirchener Karneval in der ganzen Session, aber ganz besonder an Weiberfastnacht.
Getanzt, geschunkelt und gelacht wird im Gelsenkirchener Karneval in der ganzen Session, aber ganz besonder an Weiberfastnacht. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Auf geht’s also gen Rathaus. Immer länger wird der Zug, weil sich immer mehr Narren einreihen. Bald schon ziehen sie ins Hans-Sachs-Haus ein, wo auf der Bühne Oberbürgermeisterin Karin Welge gemeinsam mit Bürgermeister Werner Wöll und Bürgermeisterin Martina Rudowitz auf einer Kiste hockt, die den Stadtschlüssel beinhaltet. Vermeintlich.

OB Karin Welge punktet mit Köpfchen

„Herzlich willkommen im Gürzenich von Gelsenkirchen“, begrüßt Dennis Bittermann, Sitzungspräsident des Stadtkomitees Gelsenkirchener Karneval die Gäste und überreicht an die beiden Tollitäten, die sich mit Tricks und Charme mühen, an die Kiste zu kommen. Die jedoch entpuppt sich als leer und Karin Welge als durchaus gewieft. Dann aber lenkt sie ein: „Man hat mir gesagt, ich sei gut beraten, irgendwann im Laufe des Vormittags zu kapitulieren.“ Und so verrät sie das Versteck und lässt den Stadtschlüssel von der Saaldecke herunter. Ein letztes Wort richtet sie, die Entmachtete, an die Narren - und das ist durchaus gewagt: „Lasst uns zeigen, wir sind nicht die Randzone des Karnevals, wir in Gelsenkirchen sind das Zentrum.“