Gelsenkirchen-Beckhausen. Eltern und Anwohner übergeben 1600 Unterschriften gegen eine Verlagerung der Gelsenkirchener Einrichtung. Warum sich diese wohl verschieben wird.
„Familienglück“ heißt es, das Neubauprojekt der Deutschen Reihenhaus AG auf dem Gelände der Heilig-Geist-Kirche. Doch glücklich, nein, das sind die Eltern der dortigen katholischen Kita und auch zahlreiche Schaffrather nicht. Viele laufen weiterhin Sturm gegen eine Verlagerung der Einrichtung zur Braukämperstraße: 1600 Unterschriften haben sie in zehn Wochen gesammelt. Aber auch davon unabhängig sieht es so aus, als könnten Kinder und Erziehende nun doch länger an der Giebelstraße bleiben als geplant.
„Kurze Beine, kurze Wege“: Getreu diesem Motto lehnen die Initiatorinnen und Initiatoren um Anwohnerin Andrea Hegemann den Abriss „ihrer“ Kita auf dem Grundstück an der Giebelstraße ab, das die Pfarrei St. Urbanus an die Deutsche Reihenhaus verkauft hat. Wie berichtet, will das Kölner Unternehmen dort 24 Eigenheime errichten. Dafür plant ein Investor zwischen Hof Holz und dem Sportplatz an der Braukämperstraße ein neues Kita-Gebäude für bis zu 100 Mädchen und Jungen.
Gelsenkirchener Eltern fürchten längere Wege und zusätzliche Fahrtkosten
Eine Strecke von 1,2 bis zwei Kilometern bis zum neuen Standort sei für Eltern mit Kleinkindern und Kinderwagen fußläufig „kaum erreichbar“, so ein Argument der Abriss-Gegner. Familien würden finanziell über Gebühr belastet, weil sie dazu genötigt würden, sich ein (weiteres) Auto zuzulegen oder eine ÖPNV-Monatskarte zu kaufen.
Außerdem würden die Kinder aus dem sozialen Netz herausgerissen, von dem derzeit alle profitierten: „Die Mädchen und Jungen aus der Kita besuchen Demenzkranke in der Schaffrather WG und helfen im nahen Kleingarten mit. Diese Kooperationsprojekte zwischen Alt und Jung sind bei einer Standort-Verlagerung der Kita nicht mehr durchführbar“, so Andrea Hegemann.
Kritiker werfen Gelsenkirchener Pfarrei mangelnde soziale Verantwortung vor
Auch könnten in der Kita geschlossene Freundschaften nicht mehr wie bisher auf dem Sportplatz fortgeführt werden, fürchten die Eltern um die sozialen Kontakte ihres Nachwuchses. Gegen die neue Kita an der Braukämperstraße sprechen sie sich ausdrücklich nicht aus, weil in Gelsenkirchen rund 1000 Plätze fehlten, was Stadtsprecher Martin Schulmann auf Nachfrage bestätigt.
Vielmehr nehmen sie erneut die Pfarrei St. Urbanus ins Visier und werfen ihr sowie dem Bistum vor, „dass eine Gewinnmaximierung wichtiger ist als die soziale Verantwortung für ein gutes Miteinander aller Generationen im Quartier.“ Dies fänden die Eltern „schade, weil die Vermittlung von christlichen Werten für viele ein Grund war, ihr Kind in einer konfessionellen Kita anzumelden“, betont Andrea Hegemann und fordert die Deutsche Reihenhaus, Politik und Stadt auf, sich für den Verbleib der Kita und den Schutz des alten Baumbestandes einzusetzen.
Propst Pottbäcker verweist auf „desaströse“ finanzielle Situation der Pfarrei St. Urbanus
Auch Politiker von SPD, Grünen, FDP, Linken und WIN hatten Kritik an dem Vorhaben geäußert, etwa weil sie eine Versiegelung der von alten Bäumen geprägten Fläche und (weitere) Parkplatzprobleme im Quartier fürchten. Am Ende votierte im Oktober 2022 eine Ratsmehrheit dafür, das Bebauungsplan-Verfahren anzuschieben.
Propst Pottbäcker hatte damals den Vorwurf unsozialen Verhaltens zurückgewiesen. Die Deutsche Reihenhaus sei ein Investor, „der jungen Familien bezahlbaren Wohnraum bietet“. Außerdem sei die finanzielle Situation der Pfarrei „so desaströs, dass wir handeln mussten. Eine noch längere Suche nach einem Investor hätten wir uns nicht leisten können“, hatte der Stadtdechant im Oktober 2022 ausgeschlossen, dass St. Urbanus eine Kita in Eigenregie neu errichten könnte. Dies hatten einige Eltern angeregt.
Gelsenkirchener Jugenddezernentin Heselhaus sichert Initiatoren „Unterstützung“ zu
Bildungs- und Jugenddezernentin Anne Heselhaus sicherte den Eltern unterdessen bei der Entgegennahme der Unterschriftenliste zu, sie „zu unterstützen“, ebenso wie der SPD-Stadtverordnete Manfred Rose, der SPD-Fraktionsvorsitzende Udo Gerlach aus der Bezirksvertretung West sowie der Bezirksverordnete Walter Schmidt, die ebenfalls an der Gesprächsrunde teilnahmen.
Wie Stadtsprecher Schulmann auf Nachfrage der Redaktion konkretisierte, habe Heselhaus mit der Formulierung gemeint, den Einsatz der Eltern dahingehend zu unterstützen, „dass in dem (näheren) Bereich eine Kita entsteht, allerdings nicht auf dem bisherigen Grundstück.“ Bislang haben nach eigenen Angaben weder Stadt noch Kirche ein freies Grundstück in der Nähe der Giebelstraße gefunden, das sich zur Bebauung mit einer Kita eignet.
Kita-Betreiber: Investor hält an Neubau-Vorhaben fest, überarbeitet aber die Pläne
Falls sich ein Investor dafür finde, werde Heselhaus sich für die Realisierung eines solchen Projekts stark machen. Auf den Grundstückseigentümer (Deutsche Reihenhaus, d. Red.) einzuwirken, damit dieser am bisherigen Standort Giebelstraße eine neue Einrichtung baue, habe sie allerdings nicht vor, so Schulmann weiter.
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Während Eltern und Anwohnende gegen die Verlagerung ihrer Kita Front machen, hält der Investor „nach wie vor aktiv“ an seinen Plänen fest, an der Braukämperstraße eine neue Einrichtung zu bauen, so Katharina Feldmann, Gelsenkirchener Gebietsleiterin des Kita-Zweckverbands, Betreiber der katholischen Kindertagesstätten im Bistum Essen. Ob der Umzug aber tatsächlich zum 31. Juli 2024 erfolgen kann, sei zweifelhaft.
Hintergrund sei die Notwendigkeit, die bisherigen Pläne noch einmal zu überarbeiten. Weitere Details dazu wollte Feldmann nicht nennen. „Es bleibt aber dabei, dass wir die Kita an der Giebelstraße erst aufgeben, wenn der Neubau bezogen werden kann“, betonte sie, dass kein angemeldetes Kind ohne Betreuung dastehen werde. Es würden auch weiterhin Kita-Plätze für das neue Kindergartenjahr am jetzigen Standort vergeben, „natürlich mit der Information, dass die Einrichtung verlagert werden soll.“