Gelsenkirchen. Eine neue Ausstellung im Wissenschaftspark verneigt sich vor Gelsenkirchener Fotografen Joachim Schumacher. Eröffnung am Donnerstag um 18.30 Uhr.

Es gibt Fotografen, die fahren einfach los und knipsen das, was ihnen da unterwegs an Auffälligem vor die Kamera kommt. Joachim Schumacher bevorzugt hingegen eine andere Arbeitsweise: Er sammelt immer erst Hintergrundwissen zum ausgewählten Projekt, recherchiert sorgfältig, bevor er zum ersten Mal den Auslöser seiner Kamera betätigt. Diese Akribie in der Vorbereitung wirkt sich immens auf die Qualität seiner Aufnahmen aus – und hat auch einen großen Anteil daran, dass der 72-jährige Gelsenkirchener bis heute zu den wichtigsten und renommiertesten Fotografen des Ruhrgebiets zählt.

Als Verneigung vor dem Mann, der seit nunmehr einem halben Jahrhundert bevorzugt die Industrie- und Stadtlandschaften des Reviers in den Fokus nimmt, zeigt der Wissenschaftspark in Ückendorf ab dem heutigen Donnerstag die Ausstellung „Es ging um die Kohle“. Diese versammelt rund 130 Arbeiten aus dem breiten Fundus des Fotografen, der 1950 in Saarbrücken geboren wurde, sein Zuhause aber schon seit langem in Bulmke-Hüllen gefunden hat. Und so ist es nicht verwunderlich, dass die Besucher auch auf zahlreiche Gelsenkirchener Motive stoßen werden.

Analytischer Blick auf die Heimat

Ein Foto von Joachim Schumacher, das in der Ausstellung zu sehen sein wird, Bottrop Bergehalde Haniel, Installation des spanischen Künstlers Agustin Ibarrola, 2008
Ein Foto von Joachim Schumacher, das in der Ausstellung zu sehen sein wird, Bottrop Bergehalde Haniel, Installation des spanischen Künstlers Agustin Ibarrola, 2008 © Joachim Schumacher, Bochum

Joachim Schumacher gehöre zu jenen Fotografen, die „über Jahrzehnte das Bild des Reviers nach außen getragen haben“, lobte Peter Liedtke bei der Vorbesichtigung am Mittwochvormittag. Der Ausstellungsorganisator und Macher des Pixelprojekts Ruhrgebiet erinnerte daran, dass Schumacher einst auch Werbefotos von den vorzeigbarsten Seiten des Reviers im Auftrag seines Arbeitgebers, des Regionalverbands Ruhrgebiet, angefertigt hatte. Doch abseits davon habe er auch immer einen eigenen, kritischen und analytischen Blick auf seine Heimat geworfen. Und diese mit viel Präzision dokumentarisch festgehalten.

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„Das ist nicht nur eine der größten, sondern auch mit Abstand meine längste Ausstellung“, sagt Schumacher beim gemeinsamen Rundgang und schmunzelt. Denn seine Werke werden an den Wänden entlang der 300 Meter langen Glasarkade im Wissenschaftspark präsentiert. Arbeiten aus elf seiner Fotoserien hat er ausgewählt. Die älteste stammt von 1973, die aktuellste aus dem Vorjahr. Mit der getroffenen Auswahl sei er sehr zufrieden: „Meine wichtigsten Sachen sind jetzt alle hier zu finden, nur nicht komplett.“ Er hätte noch so viele weitere spannende Fotos, dass er locker auch drei Etagen im Wissenschaftspark damit hätte bestücken können.

Ein fotografierender Augenzeuge entscheidender Ruhrgebiets-Epochen

Schumacher war fotografierender Augenzeuge entscheidender Epochen des Ruhrgebiets – etwa jene Zeiten, als der Himmel über der Ruhr eben noch nicht wieder blau war, sondern durch die Industrieabgase noch hinter einer stinkenden, gesundheitszerstörenden Dunstglocke verschwand. Doch gerade dieses diffuse Licht, das daraus resultierte und das er für viele seiner frühen Schwarz-Weiß-Aufnahmen gekonnt nutzte, sei heutzutage nicht mehr anzutreffen. Gut für die Umwelt und die Menschen, die hier leben; ein wenig bedauernswert für den Fotografen, der stets besondere Lichtverhältnisse sucht.

„Man ahnte ja nicht, wie sehr sich die Dinge hier verändern würden“, sagt Schumacher mit Blick auf die Auswirkungen des Strukturwandels. Industrieanlagen wurden reihenweise abgerissen, auf den Brachen entstanden manchmal neue Arbeitsplätze. Oder aber sie wurden der Natur überlassen. Auch diese Prozesse hat Schumacher bildlich festgehalten. Beinahe logisch, dass das Fotoarchiv des Ruhr Museums in Essen nun seine Arbeiten übernommen und in seinen Bestand aufgenommen hat. „So weiß ich zumindest, dass meine Fotos und Negative in guten Händen sind – und auch dauerhaft bleiben.“

Wer durch die Ausstellung läuft, der entdeckt Kurioses. Wie jene Fotos, die Schumacher aus einem fahrenden Zug heraus geschossen hat. Eines davon zeigt Rotthausen im Jahre 1980, als die Bergmänner dort teils noch in schlichten Holzhäusern wohnten. Spannend ist aber auch sein bildlicher Ausflug in die Zinkhüttensiedlung Bergeborbeck. Hier hat Schumacher ausnahmsweise auch einmal Menschen in den Mittelpunkt seiner Aufnahmen gerückt. Der Schwerpunkt liegt ansonsten eindeutig auf der Abbildung von Industrie- und Stadtlandschaften.

Ein Schüler von Otto Steinert

Ab dem Jahr 2000 wagte der einstige Otto-Steinert-Schüler dann den Wechsel zur Farbfotografie. „Das ist mir am Anfang doch recht schwergefallen“, gibt Schumacher offen zu. Denn Farbe sei dominant und lenke den Betrachter sehr schnell vom eigentlichen Inhalt des Bildes ab. „Ich musste danach erst einmal meine vertraute Sachlichkeit wiederfinden.“ Doch das glückte. Das beweisen auch die späteren Arbeiten, die am anderen Ende der Glasarkade zu finden sind.

Besonders schön sei es gewesen, dass ihm beim Sichten der vielen alten Fotos sofort wieder die jeweiligen Orte und Umstände eingefallen seien, unter denen die Fotos damals entstanden sind. Denn auch nach Jahrzehnten seien die tief in ihm schlummernden Erinnerungen sofort wieder wachgeküsst worden. Auch das ist einer der wunderbaren Effekte, die Dokumentarfotografie hervorzaubern kann.