Gelsenkirchen. Ernst Krepek hat ein bewegtes Leben hinter sich. Spiritualität und das Tätowieren geben ihm Halt. Kunden will er dafür ebenfalls begeistern.

Bianca Grzeski präsentiert stolz ihren mit einer Klarsichtfolie umwickelten Unterarm. „Einzigartig“ wurde kurz vorher mit schwarzer Tinte und einer surrenden Nadel in Schreibschrift unter ihre Haut gestochen. Ganz spontan hat sich die 41-Jährige für ihr neues Tattoo und die für sie selbst gut sichtbare Platzierung entschieden. Für das Motiv nahm die Gelsenkirchenerin an einer Aktion des Studios „Ernst Co Tattoo“ an der Markenstraße 29 in Gelsenkirchen-Horst teil.

Kunden erhalten eine Hautmalerei mit einer positiven Aussage, die Inhaber Ernst Krepek (55) vorab festgelegt und auf der Facebook-Seite des Studios gepostet hat. Jeder Tätowierwillige muss zudem einen Betrag von mindestens 25 Euro spenden. Das Geld kommt sozialen Einrichtungen oder Projekten zugute. „Wichtig ist, dass es für einen lokalen Zweck ist. Am liebsten ist mir irgendetwas für Kinder“, erklärt der langjährige Tätowierer. Über 2000 Euro sind bereits in der aufgestellten Spendendose gelandet. Unterstützung erhält er durch seinen Kumpel Flo Adamkiewicz (36).

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Zufrieden mit ihrem neuen Tattoo: Bianca Grzgski.
Zufrieden mit ihrem neuen Tattoo: Bianca Grzgski. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Mit einer ähnlichen Aktion startete Krepek bereits im Dezember 2021. Monatlich verschenkte er über Facebook ebenfalls Tattoos mit positiven Botschaften. Kunden konnten ihre Wunsch-Slogans wie „Liebe dich selbst“, „Stay strong“, „Hope“ oder „Never give up“ zunächst als Kommentare posten. Die ausgelosten Gewinner erhielten schließlich ein Gratis-Tattoo. „Bereits jetzt sind über 300 Motive verschenkt worden, die Kraft und Halt vermitteln“, so Adamkiewicz.

Ernst Krepek, dessen Körper selbst fast komplett mit Tattoos bedeckt ist, habe es im Leben nicht immer einfach gehabt. Aufgrund familiärer Unglücksfälle begann er mit 14 Jahren zu trinken. Er wurde zum Alkoholiker. Mit 17 Jahren musste der gebürtige Magdeburger sein erstes heimlich gestochenes Tattoo qualvoll mit Salz aus der Haut entfernen. Sein Vater wollte es damals so. Auch saß er mal hinter Gittern, da er nicht immer mit dem Gesetz klarkam. Unangenehm ist es ihm dennoch nicht, denn er hat aus der Vergangenheit gelernt und sein Leben umgekrempelt. Seit 26 Jahren trinkt er keinen Alkohol mehr. Mit seiner Frau Alexandra (38) hat er mittlerweile eine kleine Tochter zur Welt gebracht.

Ernst Krepek möchte andere Menschen bestärken und ihnen durch Tätowierungen „ein positives Lebensgefühl“ schenken.
Ernst Krepek möchte andere Menschen bestärken und ihnen durch Tätowierungen „ein positives Lebensgefühl“ schenken. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Andere Menschen möchte er bestärken und ihnen durch Tätowierungen „ein positives Lebensgefühl“ schenken. Auch seinen Körper zieren einige Tattoos, die ihn selbst in gute Stimmung versetzen. Nach der, wie er selbst sagt, „schmerzhaften Scheidung“ von seiner Exfrau und seinem verstärkten Alkoholkonsum befasste sich der ehemalige Gerüstbauer, Industriemechaniker und Assistent für behinderte Menschen viel mit Spiritualität. Er besuchte Seminare verschiedener Motivations- und Persönlichkeitstrainer. Auch entdeckte er die Tattookunst für sich. Anfangs tätowierte er lediglich Bekannte. Sein Motto in dieser Zeit, aber auch heute: „Wenn ich etwas weglasse, muss ich etwas Neues kreieren.“

Diese Zeit sei nicht einfach gewesen. „Es war ein schleichender Prozess, sich vom Alkohol abzuwenden“, berichtet er. Aber er habe es geschafft. Das Tattoo-Handwerk wurde zu seinem Hauptjob, er griff nicht mehr zur Flasche. Gestartet an der Essener Straße ist es mittlerweile der fünfte Standort in Horst für seinen Laden, den er mit seinem Team betreibt.

„Ich wusste die ganze Zeit nicht, dass ich schwanger war. Die vermuteten Bauchschmerzen waren Wehen“

Herzen der Liebe

Die Aktionen laufen über die Facebook-Seite: www.facebook.com/ErnstUndCoTattoo/

Seit kurzem steht auch eine Spardose im Laden, in die Menschen für einen guten Zweck freiwillig etwas reinwerfen können. „Ziel ist es, gemeinsam etwas Gutes zu bewirken“, so Ernst Krepek.

Seine Frau Alexandra lernte übrigens von ihm das Tätowieren. Jeden Monat lassen sich beide als Zeichen ihrer Liebe ein rotes Herz stechen.

Auch Kundin Bianca Grzeski hat eine Geschichte, die ihr Leben komplett auf den Kopf stellte. Deshalb soll ihr das neue Tattoo ein gutes Lebensgefühl verleihen. Ende Februar brachte sie völlig unwissend zu Hause ihre Tochter alleine zur Welt. „Ich wusste die ganze Zeit nicht, dass ich schwanger war. Die vermuteten Bauchschmerzen waren Wehen“, sagt sie und ergänzt: „Mein Mann hat innerhalb von drei Tagen das Schlafzimmer in ein Kinderzimmer umgewandelt.“ Ihr gebe das neue Tattoo Kraft. Es ist jedoch nicht das erste. Ein Schalke-Emblem, ein Skorpion und unter anderem der Name ihrer Tochter zieren ihren Körper.

Viel Zeit geht mittlerweile für die ehrenamtliche Arbeit drauf. Trotzdem ist Ernst Krepek dieses Projekt besonders wichtig. Für seine nächste Aktion können sich Kunden für das Wort „unaufhaltsam“ bewerben. Auch hier müssen mindestens 25 Euro in den Spendentopf geworfen werden. Wenn der Gesamtbetrag von über 1000 Euro erreicht ist, wird er an ein neues soziales Projekt gespendet.