Gelsenkirchen. Wo die Polizeihochschule gebaut wird, steht weiterhin nicht fest: In Gelsenkirchen spielt man die letzte Karte aus. Der Ärger in Herne ist groß.

Das Gerangel um die NRW-Polizeihochschule geht nun doch noch einmal in die nächste Runde: Der für Gelsenkirchen ins Rennen gegangene Projektentwickler Kölbl Kruse spielt seine letzte Karte aus und hat entschieden, das Votum der Vergabekammer, die sich für den Standort Herne ausgesprochen hatte, durch das Oberlandesgericht Düsseldorf prüfen zu lassen. Das teilte das Unternehmen am frühen Freitagmorgen mit – wenige Stunden nach Ablauf der Beschwerdefrist.

Gelsenkirchens Oberbürgermeisterin Karin Welge: Städte werden „aufeinander losgejagt“

Details wollte Kölbl Kruse mit Verweis auf das laufende Verfahren nicht nennen. Auch im Gelsenkirchener Hans-Sachs-Haus will man den Schritt erst einmal nicht kommentieren, wie man in der Pressestelle betonte – und wies zudem darauf hin, dass die Stadt Gelsenkirchen „in diesem Fall keine unmittelbar Verfahrensbeteiligte ist“. Dass Kölbl Kruse und die Stadtverwaltung in der Causa Hochschule mit einer Stimme sprechen, dürfte aber unbestritten sein. Und was Oberbürgermeisterin Karin Welge von dem bisherigen Vergabeverfahren hält, machte sie im vergangenen Hauptausschuss noch einmal deutlich.

„Wir jagen Städte im Ruhrgebiet aufeinander los, in einer Zeit, in der wir eigentlich viel mehr enger zusammenrücken müssten“: Gelsenkirchens Oberbürgermeisterin Karin Welge sieht das bisherige Vergabeverfahren zur Polizeihochschule kritisch.
„Wir jagen Städte im Ruhrgebiet aufeinander los, in einer Zeit, in der wir eigentlich viel mehr enger zusammenrücken müssten“: Gelsenkirchens Oberbürgermeisterin Karin Welge sieht das bisherige Vergabeverfahren zur Polizeihochschule kritisch. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

„Ich finde es schwierig, dass das Land NRW eine strukturpolitisch für Gelsenkirchen so relevante Frage zu einem Duell der Investoren erklärt hat“, kommentierte Welge das Verfahren vor der politischen Sommerpause. „Mein Wohlgefallen hat das nicht gefunden – unabhängig davon, wer Sieger in dem Verfahren ist. Wir jagen Städte im Ruhrgebiet aufeinander los, in einer Zeit, in der wir eigentlich viel mehr enger zusammenrücken müssten.“

Polizeihochschule: Herne muss warten – so reagiert Oberbürgermeister Frank Dudda

Hernes Oberbürgermeister Frank Dudda wollte dies am Freitag auf Nachfrage der WAZ bei einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz nicht so stehenlassen. Es sei verwunderlich, dass dieser Hinweis erst am Ende eines mehrjährigen Verfahrens erfolge. Und: „Alle Einrichtungen, die zuletzt im Ruhrgebiet vergeben worden sind, sind über Wettbewerbe vergeben worden.“ Das sei übliche Praxis und möglicherweise sogar vergaberechtlich geboten. Die Städte seien nicht gezwungen worden, an dem Verfahren teilzunehmen.

Auch ließ Dudda am Freitagmittag sehr deutlich durchblicken, dass er kein großes Verständnis für die Gelsenkirchener Seite hat. Der Bewerber habe im Rahmen des mehrstufigen Vergabeverfahrens das Recht zu einer Beschwerde. „Wir haben aber das Recht dazu, auf die Konsequenzen für die Stadt, das Land und vor allem auf Tausende Nachwuchskräfte im öffentlichen Dienst hinzuweisen“, so der OB. Die Entscheidung der Vergabekammer bei der Bezirksregierung sei „klar und eindeutig“ gewesen.

Hernes Oberbürgermeister Frank Dudda: Seitenhiebe Richtung Gelsenkirchen

Zum Hintergrund: Gegen die erste Entscheidung des Landes für Herne hatte Kölbl Kruse auf den letzten Drücker einen Nachprüfungsantrag bei der Bezirksregierung Münster eingereicht und damit für Überraschung gesorgt – nicht zuletzt bei der Fachhochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung (HSPV) selbst. Mitte Juni, etwa drei Monate nach dem Nachprüfungsantrag, erhielt Herne dann jedoch die für die Stadt frohe Botschaft, dass das Vergabeverfahren nicht zu beanstanden sei.

Seitenhieb Richtung Gelsenkirchen: Hernes Oberbürgermeister Frank Dudda.
Seitenhieb Richtung Gelsenkirchen: Hernes Oberbürgermeister Frank Dudda. © FUNKE Foto Services | Alexa Kuszlik

Der erneute Antrag auf Überprüfung der Entscheidung durch nur einen der drei unterlegenen Bewerber – auch Bochum und Dortmund waren im Rennen – lasse aber die Frage zu, ob sich alle Verantwortlichen ihrer Verantwortung bewusst seien, so nun ein deutlicher Seitenhieb seitens Dudda. Er hätte mit Gelsenkirchen lieber über ein gemeinsames Zukunftsprojekt gesprochen „anstatt blockiert zu werden“, sagte der OB.

Immer noch keine finale Entscheidung zur Polizeihochschule: So reagiert der Hochschulpräsident

Auf das „nachvollziehbare“ Votum hat auch die Leitung der Polizeihochschule am Freitagvormittag noch einmal hingewiesen. Das Vergabeverfahren sei nachvollziehbar gewesen und für alle Bieter von Beginn an transparent geführt worden, heißt es in einer Mitteilung der Hochschule. Erwartungsgemäß missfällt es Martin Bornträger, Präsident der HSPV, dass sich das Verfahren nun weiter in die Länge zieht: „In einem Rechtsstaat haben Bieter in öffentlichen Vergabeverfahren grundsätzlich die Möglichkeit, Entscheidungen anzuzweifeln und gerichtlich überprüfen zu lassen. Dennoch bedauern wir natürlich sehr, dass sich die Umsetzung des so wichtigen Neubauprojektes für das Land NRW und die Hochschule weiter verzögert.“

Bei der Stadt Gelsenkirchen kritisierte man, dass nicht alle Kritikpunkte von Kölbl Kruse beachtet und in die Entscheidung miteinbezogen wurden. Das betonte auch OB Welge zuletzt noch einmal: „Sowohl in der mündlichen Verhandlung als auch schriftlich wurde klar, dass lediglich zwei Punkte der Rüge überhaupt gewertet wurden“, sagte sie im Hauptausschuss. Nun müssen die Richter letztinstanzlich entscheiden, ob das Votum des Landes und die Bestätigung durch die Vergabekammer der Bezirksregierung Münster rechtmäßig erfolgt ist oder nicht.

Was das ganze Prozedere am Ende für die Beziehung zwischen Gelsenkirchen und seiner östlichen Nachbarstadt bedeutet? Auf die Frage eines Journalisten, ob Hernes OB Dudda das Verhalten der Gelsenkirchener Bewerber „auf deutsch gesagt Scheiße“ finde, antwortete der OB nur: „Ich gehe gleich direkt in den Urlaub. Und das ist gut so.“