Gelsenkirchen. Das Leben in einer Stadt wie Gelsenkirchen findet auch in Vereinen statt. So blicken Verantwortliche in die Zukunft, das sind ihre Wünsche.
Wer sich in einem Verein organisiert, der kennt das möglicherweise. Vorstandswahlen sind immer ein wenig wie eine Partie Mikado: Wer sich zuerst bewegt, hat verloren – und muss ein Amt übernehmen. Heißt im übertragenen Sinn: Es wird für viele Vereine immer schwieriger, Menschen zu finden, die ein Ehrenamt übernehmen wollen. Dabei ist die Arbeit, die Vereine leisten, immens wichtig für eine Stadtgesellschaft – und wird das auch in Zukunft sein.
Susanne Bohlenz ist Präsidentin des Schützenvereins BSV Buer-Bülse, Björn Tondorf ist Präsident der Karnevalsgesellschaft Erler Funken, Klaus Lindner ist Präsident von Gelsensport, der Dachorganisation der Gelsenkirchener Sportvereine. Ebenfalls mit am Tisch sitzt Philipp Schulz, Vizepräsident Sport bei den Bülser Schützen. An diesem Abend haben sich die vier zusammengesetzt, um über die Situation der Vereine in der Stadt zu sprechen, und darüber, wie es mit dem Vereinswesen in Zukunft weitergehen soll.
So prägen Vereine das Stadtbild von Gelsenkirchen
Alle sind sich einig: Die Herausforderungen und die Belastung für jemanden, der ein Ehrenamt in einem Verein übernimmt, sind enorm gestiegen. „Eigentlich müsste es bei jeder Vorstandswahl heißen: ,Wer möchte noch einen Vollzeitjob zum Vollzeitjob dazu?’“, sagt Susanne Bohlenz und meint das nur halb im Scherz. Björn Tondorf nickt. „Früher hieß es, ,Mach Du mal die Jugendarbeit’ und dann hat man das gemacht“, sagt er. Heute müssten sich gerade Vereinsmitglieder, die mit Jugendlichen zu tun haben, erst einmal intensiv fortbilden. Das sei ja auch durchaus richtig so, fügt Tondorf an – es koste aber eben auch jede Menge Zeit und Arbeit.
Darüber, dass Vereine eine wichtige Rolle im Stadtleben spielen, besteht ebenfalls Einigkeit. „Vereine prägen das Stadtbild, sie beleben die Stadt, sie tun viel für die Kinder- und Jugendförderung“, zählt Björn Tondorf auf. Die Präsidentin der Bülser Schützen stimmt zu. „Wir sorgen dafür, dass Jugendliche von der Straße wegkommen“, sagt Susanne Bohlenz. „Bei uns lernen sie Respekt, ein Verein vermittelt Sozialkompetenz und Werte.“ Klaus Lindner weist darauf hin, dass Vereine auch in Sachen Integration und Inklusion wertvolle Arbeit leisteten.
Viele Menschen wollen sich nicht mehr langfristig engagieren
Das betrifft auch die Gemeinschaft zwischen Jung und Alt. „Bei uns treffen sich die Generationen“, sagt Susanne Bohlenz, und auch soziale Unterschiede spielten in einem Verein keine große Rolle. „Wenn sich unsere Mitglieder ihre grünen Jacken oder Björns Karnevalisten ihre rot-gelben Jacken anziehen, dann sind sie alle gleich“, sagt die Schützenpräsidentin. Ohnehin sei der Verein vor allem für ältere Menschen oft der letzte Ort, an dem sie Gesellschaft erfahren würden. „Der Mitgliedsbeitrag im Verein ist ein Versicherungsbeitrag gegen Vereinsamung“, fasst es Klaus Lindner zusammen.
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Allerdings hätte sich da im Laufe der Jahre auch vieles verändert. Zwar seien die Angebote, die Vereine bieten würden, immer noch attraktiv für die Menschen – die seien aber nicht mehr in dem Maße wie früher bereit, sich langfristig zu engagieren. Klaus Lindner kennt das, er weiß, dass es mittlerweile einfacher geworden ist, Leute für ein bestimmtes Projekt zu bekommen, als für einen langfristigen Vereinsposten.
Mitgliedsantrag auf dem Bierdeckel
Björn Tondorfs Erler Funken haben darauf schon reagiert. „Man muss andere Angebote machen, muss flexibler sein“, sagt er. Die Hürden für einen Vereinseintritt dürften nicht zu hoch gelegt werden – etwa mit einer „Schnuppermitgliedschaft“. „Ich sage dann gerne zu potenziellen Mitgliedern, ,Guckt euch das erst einmal ein, zwei Jahre an und entscheidet dann, ob ihr richtig bei uns mitmachen wollt.’“
Gerade bei der Gewinnung von neuen Mitgliedern müssten Vereine auch bereit sein, neue Wege zu gehen. „Ich habe zuletzt 15 Mitglieder über Facebook gewonnen“, sagt Tondorf. Ein wenig auskennen müsste man sich bei den neuen Medien aber schon. „Wenn ich Medien wie Facebook oder Instagram nutze, muss ich auch schnell reagieren – das sind die Nutzer gewöhnt“, so Tondorf. Kreative Wege bei der Mitgliederwerbung ist auch der BSV Buer-Bülse gegangen: „Wir haben beim Schützenfest Bierdeckel ausgelegt, auf denen ein Mitgliedsantrag stand“, sagt Susanne Bohlenz. Fast 30 Menschen hätten diesen Antrag unterschrieben.
Für die Zukunft haben die drei Vereinschefs einige Wünsche. Mehr Verständnis bei der Stadt, wenn es etwa um Dinge wie Genehmigungen geht, wünscht sich Klaus Lindner. Philipp Schulz beklagt, dass es vor allem im Norden der Stadt kaum noch Veranstaltungsräume für viele Menschen gibt, in zehn Jahren sieht er auch ein Sportstättenproblem auf die Stadt zukommen: „Viele Anlagen sind in einem schlechten Zustand“, sagt er. Einen ganz handfesten Wunsch hat Klaus Lindner dann auch noch: „Es wäre schön, wenn Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren, vom Land eine Aufwandsentschädigung bekommen würden.“