Gelsenkirchen-Hassel. Das Street-Art-Festival „Rubug“ beginnt am Freitag auf der einstigen Zeche zwischen Gelsenkirchen-Hassel und Herten. Die Vorbereitungen laufen.

Es ist nahezu poetisch: Angestrahlt mit blauem Licht hängen die Körbe in der einstigen Schwarzkaue der Zeche Westerholt auf der Stadtgrenze zwischen Gelsenkirchen-Hassel und Herten in verschiedenen Höhen von der Decke herab. Es wirkt fließend, fast wie visualisierte Musik. In jedem Korb hängt ein aus Papier gefalteter Vogel. Allesamt sind sie schwarz. So wie die Kumpel, die einstmals im Schwarm aus der Grube kamen. Die Installation ist der künstlerische Beitrag von Chiara Dahlen aus Belgien zur ersten „Rubug”, dem Festival für Streetart auf Westerholt.

In einem Bogen scheinen die Vögel in die Kaue zu fliegen, um danach frisch wieder heraus zu kommen. Dann fliegen sie den Fenstern entgegen – zur richtigen Tageszeit ins Licht der Abendsonne. „Dort kommen bunte Vögel hin. Und sie sind auch nicht mehr in Käfigen. Das symbolisiert für mich Freiheit”, erklärt die Künstlerin. Denn die Arbeit unter Tage stellt sie sich gegenteilig vor. „Da ist es beengt. Das stelle ich mir unangenehm vor.” Ganze 2.700 Vögel hat die Künstlerin gefaltet. Ob sie alle verwende, das werde sich noch zeigen. Aber, sagt sie, auf jeden Fall würden die 1.700 Körbe mit Vögeln ausgestattet. „Mit meiner Arbeite schaffe ich einen Korridor, durch den ich den Besucher leite, durch die Schwarzkaue und hin zum Licht.”

Im alten Hochregallager der Gelsenkirchener Zeche entsteht ein Kunstraum

Rico a L’arrache aus Leipzig stellt seine Stahlvögel aus.
Rico a L’arrache aus Leipzig stellt seine Stahlvögel aus. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Die 85 teilnehmenden Künstler sind seit Tagen auf dem Gelände aktiv, bereiten ihre Arbeiten für die Eröffnung vor. Sie kommen aus ganz verschiedenen Ländern und widmen sich alle einem Thema: der Auseinandersetzung mit der Bergbaugeschichte am Standort. Für viele von ihnen ist es die erste Begegnung mit den Spuren der Montanindustrie. So ist es auch bei „Loomit”, einem der prominentesten Vertreter der Streetart in Deutschland. Im ehemaligen Hochregallager soll ein neuer Kunstraum entstehen, ähnlich einer Kathedrale, – „himmlisches” Oberlicht inklusive.

„Loomit” hat sich rasch für eine der Wände entschieden. Bevor er jedoch künstlerisch tätig werden konnte, musste er die Wand freilegen, sie von Drähten, Streben und Ähnlichem befreien. Mittlerweile entsteht hier seine Kunst. „Ich mache das, was jeder Sprayer macht: den eigenen Namen sprayen.” Die Buchstaben, die frei auf der Wand zu schweben scheinen, werden später ergänzt durch Elemente des Ortes. „Ich werde den verunglückten Abrissbagger einbauen und auch Kohleflöze.” Die Kulisse inspiriere ihn. „Es ist eine beeindruckende Architektur. Das legt einen um. Fantastisch.”

Ein steiler Vergleich: „Wie Schloss Neuschwanstein“

Die Installation des Künstlers Elparo aus Frankreich.
Die Installation des Künstlers Elparo aus Frankreich. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Gleich im Nebenraum machen David Mannstein und Maria Vill einen einstigen Bergmann zum Hauptdarsteller. Sie haben die Augen des 85-jährigen Kumpels fotografiert und projizieren sie überdimensioniert auf eine große Wand. So stehen die Besucher beim Eintreten Auge in Auge mit dem Bergmann. „Das ist ein Paste Up. Das Motiv wird auf Papier gebracht und dann auf die Wand”, erklärt Christoph Brüggemeier, der Pressesprecher. „Wegen des Denkmalschutzes. Man muss das ganze Areal ja hier betrachten wie Schloss Neuschwanstein.”

In der Elektromotorenwerkstatt ist das einzige Objekt zu finden, das bereits fertig ist. „Elparo” aus Frankreich hat es geschaffen. Ein Nebenraum ist zum Teil ausgekleidet mit vervielfältigten Symbolen, die an Schriftzeichen erinnern. Auf dem Boden liegen zahlreiche alte Steine. Und durch den Raum schlängelt sich eine hölzerne Skulptur, aus gleich großen Brettern geschaffen und in einer fließenden Bewegung scheinbar festgehalten – wie ein Lindwurm ohne Ende. Denn er taucht aus dem Boden auf, schlängelt sich durch den Raum und taucht an anderer Stelle wieder ab.

Schwebende Installation im luftigen Raum

Musikprogramm und Cocktailbar

Das Festival „Rubug” auf der Zeche Westerholt an der Egonstraße öffnet erstmals am Freitag, 20. Mai. Bis Sonntag, 22. Mai, ist das Gelände von 10 bis 22 Uhr für Besucher geöffnet (letzter Einlass: 18 Uhr). Weitere Öffnungszeiten sind von Donnerstag, 26. Mai, bis Sonntag, 29. Mai, zu den gleichen Zeiten.

Karten gibt es zum Preis von 14 Euro (erm. 9,50 Euro) online unter rubug.de/tickets. Besucher können auch spontan kommen und ihr Ticket am Einlass erwerben.

Ab 12 Uhr gibt es täglich auch Musikprogramm mit Newcomern auf einer kleinen Bühne. Daneben gibt es eine idyllische Chill-Out-Area und eine Cocktailbar.

Ein paar Meter weiter hat Rico a L’arrache seine Werkstatt eingerichtet. Auch ihn hat der Ort zu Vögeln inspiriert. Seine jedoch sind nicht zart und aus Papier, sie sind aus Blechstreifen gestaltet, haben eine ordentliche Größe und wirken doch unglaublich zerbrechlich. Denn Teile ihres Körpers tragen Elemente zerbrochener Spiegel in sich. „Mein erster Gedanke war der an einen Vogel. Das Einzige, was ich vom Bergbau wusste, war, dass Vögel unter Tage als Gasdetektoren genutzt wurden. Erst bei der Arbeit entwickelte ich die Idee eines ganzen Schwarmes, der Bezug nimmt auf die vielen Kumpel unter Tage. Und ich wollte eine leichte, schwebende Installation machen in diesem luftigen Raum.”

55 Vögel sind bereits entstanden. Etliche sollen noch folgen. Selbst jetzt, wo sie noch am Boden stehen, berühren sie bereits auf ganz eigentümliche Weise. Besonders die Brüche des Spiegelglases sprechen für sich – und für die Region: Die Brüche sind deutlich erkennbar, tun der Schönheit jedoch keinen Abbruch. Im Gegenteil. Sie wirken authentisch.