Gelsenkirchen. Einmal mehr kommen Bueraner in der WAZ-Gelsenkirchen zu Wort. Der „Debattierclub“ äußerte sich dieses Mal zum Ukraine-Krieg und zum Preisanstieg.

Viel ist geschehen seit dem letzten Besuch am buerschen Hochtisch. Die Welt ist eine andere. Die Gruppe, die sich hier trifft, auch. Die Frauenquote habe zugenommen, erzählt der Herr mit dem Aperol. Oftmals sei er hier der einzige männliche Diskussionsgast. So soll es auch heute sein.

Es ist kaum überraschend: Das erste Thema dreht sich um den Krieg in der Ukraine. „Ich war vorige Tage mehr als überrascht. Da saß bei Markus Lanz eine Dame, die versuchte, die Menschen auseinanderzudividieren. Bislang galt ja die Meinung, es ist Putins Krieg. Die Menschen in Russland sind nicht so. Hier aber wurde gesagt, die Russen als solche sind anders als wir. Das war purer Rassismus. Das Privileg der westlichen Welt ist doch, dass wir immer davon ausgegangen sind, dass alle Menschen gleich sind.“ Eine blonde Dame mit Prosecco ist ebenso entsetzt. „Ich denke, dass die meisten Russen den Krieg nicht wollen. Aber eine Meinungsäußerung lässt Putin ja nicht zu.“ Auch eine blonde Frau mit Cappuccino stimmt zu: „Das so zu sagen ist das Allerletzte.“

Von der Ausladung Steinmeiers und der Angst, in den Krieg verwickelt zu werden

Wie aber reagieren auf den russischen Angriffskrieg? Den Gashahn abschalten? „Wir müssen das russische Gas benutzen“, sagt die blonde Dame mit Prosecco. „Frieren für den Frieden – wenn ich so etwas schon höre. Einen Pullover ziehe ich ohnehin schon an.“

Wir taggen GElsen: Videos und Bilder aus Gelsenkirchen finden Sie auch auf unserem Instagram-Kanal GEtaggt. Oder besuchen Sie die WAZ Gelsenkirchen auf Facebook.

Den Herrn mit dem Aperol aber treibt ein anderes Thema um, das jetzt aus ihm heraus platzt: die Ausladung Frank-Walter Steinmeiers, als er die Ukraine bereisen wollte. „Da machen die sich keine Freunde mit.“ Die cappuccinotrinkende blonde Frau pflichtet ihm bei: „Die hätten den Besuch nicht ablehnen dürfen.“ „Da fühle ich mich als Deutscher beleidigt“, erwidert der Herr. „Die Politiker, die jetzt verurteilt werden für ihre Russlandpolitik, die haben über Jahrzehnte für Frieden gesorgt in Europa. Man hat ja den Eindruck, die Kritiker wollen uns in den Krieg treiben.“ – „Ja, das wollen sie auch“, meint auch die blonde Dame mit Prosecco. Aber das dürfe man nicht zulassen.

Ärger und Sorge über den massiven Preisanstieg als Folge des Ukraine-Krieges

Ob sie Angst haben vor einem Krieg? „Auf jeden Fall. Da muss ja nur einer eingreifen, dann ist alles vorbei. Da muss ja nur eine Bombe daneben gehen“, sagt die Cappuccinotrinkerin. „Ich kann es mir nicht vorstellen. Putin macht nichts aus Versehen. Das ist für mich undenkbar“, sagt die Dame mit Prosecco. „Ein Wirtschaftskrieg – ja.“ Das spüre man ja bereits. „Wobei ich das nicht ganz verstehe. Die Ukraine muss ja ein steinreiches Land sein, wenn man schaut, was alles durch diesen Krieg teurer wird. Die raten ja schon dazu, Ersparnisse anzulegen für die nächste Heizrechnung.“ –

„Aber wie soll das gehen, wenn man die Mark umdrehen muss?“, sagt der Herr mit Aperol. „Ganz Rewe hat neue Preisschilder. Alles ist teurer geworden“, weiß die Cappuccinotrinkerin. „Aber warum? Die Milch, die Butter, kommt das auch alles aus der Ukraine?“, fragt die blonde Dame mit Prosecco. Der Hausherr mischt sich ein: „Nein. Aber das Futter. Und ohne dieses gibt es nun einmal keine Milch.“

+++ Sie wollen keine Nachrichten aus Gelsenkirchen verpassen? Dann können Sie hier unseren kostenlosen Newsletter abonnieren +++

Schon hat sich das Gesprächsthema in Richtung Inflation entwickelt. „Diese sieben Prozent, das ist doch schön geredet“, sagt die Cappuccinotrinkerin. In anderen Ländern der Eurozone werde das auch bereits eingestanden. „Ich glaube auch: Das wird sich weiter steigern. Irgendwann werden 2,20 Euro für den Liter Benzin normal sein“, meint die Dame mit Prosecco. Auch die 2,89 Euro für „die gute irische Butter?“ „Normalpreise sind Mondpreise. Das zahlt doch niemand. Da muss man auf die Angebote achten. Die kauft man im Angebot und friert sie ein. Die jungen Leute wissen ja gar nicht mehr, dass man das machen kann.“

„Was auch viel teurer geworden ist, sind Blumen“, berichtet eine Dame mit dunklen Haaren, die sich bislang zurückgehalten hat, von ihrem letzten Marktbesuch. Ihre Sitznachbarin, eine Dunkelhaarige mit Zigarette, überrascht mit ihrer Ansicht: „Eigentlich bin ich doch glücklich. Ich habe den Kühlschrank voll und keinen Krieg im Land.“ Aus mehreren Richtungen ist zu hören: „Noch nicht.“ Dann beendet die Dunkelhaarige ihren Satz: „Ich bin glücklich, in Deutschland zu leben.“

Über Frauen in der Politik und die Abgänge der Ministerinnen

Bleibt noch ein Thema: die heimische Politik. Besonders, wo doch die Wahl in NRW ihre Schatten vorauswirft. Mit dem Vertrauen in die Politiker jedoch, das eint hier alle, ist es nicht sehr weit her. Man bekomme doch ohnehin nicht, was im Wahlkampf versprochen werde. „In der Regierung bekriegen die sich ja gegenseitig“, meinen mehrere. „Die machen allesamt Mist. So wie die Trulla, die nach der Flutkatastrophe in Urlaub gefahren ist. Bekommen die alle noch Kohle?“, fragt die Dunkelhaarige mit Zigarette. Die Sitznachbarin weiß Antwort: „Ja. Ich habe gehört, die bekommt 75.000 Euro Abfindung.“ Die andere ärgert sich lautstark: „Die hat doch gelogen.“ Jetzt geht es etwas durcheinander. Die anderen am Tisch können nicht ganz folgen, über wen denn hier geschimpft wird. Die ehemalige Landwirtschaftsministerin von NRW oder die Bundesfamilienministerin. Schon kurios: So unterschiedlich die Couleur, so ähnlich das Verhalten.

Nun mischt sich der Herr mit Aperol noch einmal ein: „Ihr als Frauen solltet bei dieser Debatte aber genau hinhören. Da machen jetzt einige Männer die Diskussion auf, dass die Frauen überlastet sind mit Familie und Beruf. Das wird genutzt, um zu sagen, die Frauen gehören hinter den Herd.“ Die blonde Dame mit Prosecco macht lächelnd einen Einwurf: „Aber hatten wir nicht mal eine Verteidigungsministerin mit sieben Kindern?“ – „Ja“, entgegnet der Herr. „Und die ist jetzt an der Spitze Europas.“ Nun meldet sich auch eine weitere Dame erstmals zu Wort: „Aber da hat der Mann auch alles übernommen. Und überhaupt, wir haben doch auch unser Leben lang gearbeitet und gleichzeitig die Kinder groß gezogen.“ – „Genau“, sagt noch einmal der Herr mit Aperol. „Frauen an die Front! Auch in der Politik. Wobei der aktuelle Unterton so nicht gemeint ist.“