Gelsenkirchen. Dieser Abschluss-Jahrgang hat die ganze Oberstufe unter Pandemiebedingungen gelernt. Wie geht es Gelsenkirchener Abiturienten vor den Prüfungen?

Eine (fast) komplette Oberstufe in Pandemiezeiten: Dieser Abiturjahrgang, der nach den Osterferien in die Prüfungen gehen muss, hat es besonders schwer gehabt. Mindestens ein halbes Jahr Unterricht vor Ort fehlt so gut wie allen, hinzu kommen persönliche Fehlzeiten wegen eigener (Corona-)Infektion oder Quarantäne wegen erkrankter Kontaktpersonen. Hinzu kam an der Gesamtschule Buer Mitte eine ganz Woche Schulschließung wegen zu vieler Infektionsfälle bei Schülern und Lehrkräften, ebenso wie an anderen Schulen immer wieder Unterricht mangels Lehrkräften vor Ort ausfallen musste. [Zum Thema: Freude und Frust beim Corona-Abitur in Gelsenkirchen]

Koordination beim intensiven, gemeinsamen Abitur-Lernen hat gehakt

Das Abitur soll dennoch eine allgemeine Hochschulreife attestieren, mit normalen Prüfungen, erleichtert nur durch eine weitere Wahlmöglichkeit unter den Aufgaben. Ein wenig mulmig ist es den allermeisten dabei schon. 2021 gab es nach den Osterferien noch einmal zwei Wochen Intensivvorbereitung auf die Abiturfächer in den Schulen. In diesem Jahr gab es dieses Angebot nur vor den Ferien. „Leider hat das bei uns aber nicht geklappt, weil die Koordination untern den Innenstadtgymnasien nicht funktioniert hat. Es wäre wirklich gut gewesen, wenn wir nach den Osterferien noch eine intensive Extra-Lernzeit bekommen hätten“, erklärt Rasmus Chaikowski (17), Abiturient am Ricarda-Huch-Gymnasium. [Zum Thema: So könnte ein faires Abitur aussehen]

Das zusammenhängende Lernen hat gefehlt

Er macht sich für sich selbst weniger Sorgen mit Blick aufs Abitur, aber hat bei manchem Mitschüler bemerkt, wie sehr das Lernen unter Pandemie-Bedingungen belasten kann: Jan Benedict Nedbal, von der Gesamtschule Buer Mitte.
Er macht sich für sich selbst weniger Sorgen mit Blick aufs Abitur, aber hat bei manchem Mitschüler bemerkt, wie sehr das Lernen unter Pandemie-Bedingungen belasten kann: Jan Benedict Nedbal, von der Gesamtschule Buer Mitte. © JBN | Jan Benedict Nedbal

An der Gesamtschule Buer Mitte gab es die Abitur-Intensivvorbereitung vor den Osterferien auch schon in der Vor-Coronazeit. Jan Benedict Nedbal (noch 17), der sich hier auf das Abitur vorbereitet hat, macht sich weniger Sorgen um sich selbst. Er geht mit einem Notenschnitt von 14 Punkten in die Prüfungen. Für das Lehramtsstudium, das er für sich plant, dürfte das allemal genügen. Philosophie und Englisch will er studieren, langfristig zudem die Zusatzqualifikation für Mathematik erwerben. Mathe und Englisch sind seine Leistungskursfächer.

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„Aber in meiner Stufe gab es meiner Einschätzung nach schon mehr Mitschüler als sonst, die auf der Strecke geblieben sind. Wir haben mit 125 angefangen, die Abiturzulassung haben nun 95 bekommen. Es sind auch bei einigen die Noten runtergegangen, weil einfach das zusammenhängende Lernen durch die vielen Auszeiten wegen Lockdown und Quarantäne gefehlt hat. Allerdings sind nur zwei Mitschüler im letzten Schritt an der Abitur-Zulassung gescheitert. Die anderen sind schon vorher ausgestiegen.“

Schulleiterin Ulrike Purz schätzt das anders ein: „Die Zahl jener, die nicht bis zum Abitur durchmachen, bewegt sich durchaus im üblichen Rahmen. Bei uns an Gesamtschulen machen wir den Schülerinnen und Schülern schon früh klar, dass auch die Fachhochschulreife viele Türen öffnet und zu guten Ausbildungsstellen verhelfen kann. Diese Chance nutzen alljährlich viele, die absehen können, dass sie keine optimalen Abiturnoten erwarten können.“

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Aber auch Purz hat deutliche Unterschiede zu „normalen“ Abiturjahrgängen festgestellt. „Dieser Jahrgang ist so viel stiller als andere. Ja, sie haben die Mottowoche gefeiert und genossen. Aber dennoch sind diese Abiturienten viel zurückhaltender als frühere Jahrgänge. Ich hoffe, dass sie irgendwann ihre Jugend nachholen können“, wünscht ihnen die Schulleiterin.

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Eine Oberstufe ganz ohne Kurs-Fahrten

An beiden Schulen konnten in der gesamten Oberstufe keine Kurs- oder Jahrgangsfahrten durchgeführt werden. Auch Geplantes musste abgesagt werden. Für den kommenden Abiturjahrgang plant die Gesamtschule Buer-Mitte angesichts der unsicheren Lage nur innerdeutsche Fahrten für den Herbst.

Die ersten zentralen Abiturklausuren werden an Gymnasien, Gesamtschulen und Weiterbildungskollegs am Dienstag, 26. April geschrieben, die letzten regulären (ohne Nachschreibetermine) am 10. Mai.

Gerade in den letzten Wochen sei die Angst vor den Corona-Tests in der Schule angestiegen, erklärt Jan Nedbal. Die Angst, auf den letzten Metern wieder von daheim lernen zu müssen wegen Quarantäne, sei groß gewesen. Tatsächlich fielen in Gelsenkirchen in den letzten beiden Wochen vor den Ferien rund fünf Prozent aller Schülerinnen und Schüler wegen Infektion oder Quarantäne für den Präsenzunterricht aus. „Und auch, wenn es bei uns an der GBM noch vergleichsweise gut lief, wir schon vor Corona Iserve, Tisch-Kameras und Beamer hatten und somit Distanzunterricht möglich war: Es ist doch etwas anderes, Kontakt über Videokonferenzen zu halten statt im persönlichen Gegenüber. Die digitalen Aufgabenstellungen sind im Laufe der Pandemie zwar besser geworden, aber es ist immer noch etwas anderes“, versichert Nedbal. [Zum Thema:Fit machen für das Lehren und Lernen in der digitalen Welt]

Alleine den Stoff auffrischen, den „wir hoffentlich im Unterricht erarbeitet haben“

Rasmus Chaikowski macht am Ricarda-Huch-Gymnasium in Gelsenkirchen sein Abitur.
Rasmus Chaikowski macht am Ricarda-Huch-Gymnasium in Gelsenkirchen sein Abitur. © RC | Rasmus Chaikowski

Dabei sieht er weniger Nachteile für sich selbst, fühlt sich dank guter privater Digitalausstattung durchaus privilegiert. Aber das gelte eben nicht für alle, bedauert er. Die Ferien nutzt er nun für das „intensive Auffrischen des Stoffes, den wir hoffentlich im Unterricht erarbeitet haben“.

Viel Resignation in den letzten Monaten

Auch Rasmus Chaikowski vom Ricarda sorgt sich angesichts sehr guter Vornoten weniger um sich selbst als vielmehr um Mitschülerinnen und Mitschüler mit schlechteren Lern-Voraussetzungen: „Die Lebenssituationen sind ja sehr unterschiedlich. Die Landesregierung hat dabei versagt, die Schulen durch die Pandemie zu leiten. In den letzten Monaten hat sich regelrecht Resignation bei uns ausgebreitet.“ [Lesen Sie auch:Lernen wird in Gelsenkirchen dank Digital-Technik bewegter

„Nebenbei“ Wahlkampfunterstützung für Genossen

Chaikowski plant ein Studium der Ökonomie mit Nachhaltigkeitsaspekt, ein Bewerbungsverfahren dafür hat er schon erfolgreich durchlaufen. „Nebenbei“ unterstützt der stellvertretende Juso-Vorsitzende Gelsenkirchens in diesen Tagen übrigens auch noch die Genossen im Landtagswahlkampf. Für ihn bleibt es im Frühsommer also doppelt spannend.