Gelsenkirchen. Der Volksmund weiß: „Vater werden ist nicht schwer, Vater sein dagegen sehr.” Doch wie vieles unterliegt auch dieses Phänomen dem gesellschaftlichen Wandel. Experten aus Gelsenkirchen haben beobachtet: Immer mehr Männer nehmen die Vaterrolle an und gehen in ihr auf.

Mütter haben aufgrund ihrer Schwangerschaft oft eine enge Bindung zum Kind, was das Hineinwachsen in ihre neue Rolle erleichtert. Lange hieß es, dass Männer es schwerer haben ihre Vaterrolle anzunehmen. Experten zufolge gibt es aber einen neuen Trend: Väter engagieren sich immer stärker für ihre Kinder.

Angebote für Väter werden immer beliebter

„Seit drei bis vier Jahren wollen deutlich mehr Männer aktiv Erziehungsverantwortung für ihre Kinder übernehmen”, sagt eine, die nah dran ist, an den so genannten „neuen Väter”. Susanne Krieger ist bei der Elisabeth-Käsemann-Familienbildungsstätte der evangelischen Kirche in Gelsenkirchen zuständig für den Fachbereich „Mit Kindern leben”, der spezielle Kurse für Familien anbietet. Sie sagt: „Unsere Angebote für Väter sind sehr beliebt und werden immer besser angenommen.” Krieger kann das statistisch belegen: 2008 waren 13 Prozent der Kursteilnehmer Männer, im vergangenen Jahr schon 17 Prozent – Tendenz steigend. Mehr als 500 Väter machten 2009 mit – beim Babyschwimmen, beim Vater-Kind-Treff, bei der Indianerwerkstatt oder beim gemeinsamen Kochkurs „Papa komm, ran an den Topf.”

Diese Angebote sind nur für Väter und zeigen: Auch die Familienbildungsstätte reagiert auf das gesteigerte Bedürfnis des starken Geschlechts, mehr Zeit mit dem Nachwuchs zu verbringen. Der Pädagoge und Kursleiter Bernd Hellbusch hat beobachtet, dass es „eine andere Selbstverständlichkeit bei Männern gibt, sich mit diesem wichtigen, einschneidenden Lebensbereich auseinanderzusetzen.” Hellbusch ist sicher: „Da hat ein Umdenken stattgefunden – auch bei traditionellen Vätern.” Unsicherheit und Berührungsangst sind weitgehend verschwunden. Das Bedürfnis, Zeit mit den Kindern zu verbringen, ist stark – übrigens quer durch alle Bevölkerungsschichten.

Neun von zehn Vätern sind bei der Geburt ihrer Kinder dabei

Der Stellenwert der Kinder sei insgesamt deutlich gestiegen: Auch hier gibt es Zahlen: „Früher waren nur etwa fünf Prozent der Männer bei der Geburt ihres Kindes dabei, heute sind es 90 Prozent.” Auch der Anteil der Väter, die Elternzeit nehmen, hat sich von drei auf 17 Prozent erhöht.

Hellbusch ist selbst Vater von drei Söhnen und weiß: „Männer wollen und müssen die Rollen von Ernährer und Erzieher integrieren.” Wer das schaffe, könne „ein unvergessliches Gemeinschaftserlebnis mit seinen Kindern haben.” Wer nicht, dem drohen auch Probleme in der Partnerschaft: Männer, die nicht bereit sind, aktiv Verantwortung für die Erziehung der Kinder zu übernehmen, „werden in Zukunft keine Frauen mehr finden”, prognostiziert Bernd Hellbusch. Denn diese suchen eben nicht nur einen Ernährer, sondern einen Vater für ihre Kinder und einen gleichberechtigten Partner für sich selbst – ganz selbstverständlich.

Und überhaupt, vieles ist gar nicht so neu an den neuen Vätern: „Das ist eigentlich nichts exotisches: Es schaut keiner mehr hinterher, wenn ein Mann allein einen Kinderwagen schiebt. Das ist totale Normalität”, weiß Heidi Wiesner, Leiterin der Elisabeth-Käsemann-Familienbildungsstätte. Sogar die Berufsbeschreibung „Ich bin Hausmann” sei mittlerweile „salonfähig”. Zumindest auf einer Party, „in der Firma eher nicht”, schränkt Wiesner ein. Doch selbst hier macht die Entwicklung nicht halt: „Es gibt ja bereits einige prominente Vorbilder in Politik und Wirtschaft”, findet Susanne Krieger: „Da ist die gesellschaftliche Entwicklung weiter, als das in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird.”