Gelsenkirchen. Protest vor der Ratssitzung begleitet Debatte zur Bauplanung am BP-Raffineriestandort Gelsenkirchen. Auch eine CDU-Personalie sorgt für Wirbel.

Es gibt Sitzungstage, da wird die Debatte über die Tagesordnung oder Dringlichkeitsanträge deutlich emotionaler (und auch zeitintensiver) geführt als die über die eigentlichen Beratungs-Punkte. Die 11. Sitzung des Rates der Stadt Gelsenkirchen gehörte Donnerstag dazu. Größere Themen wie Bebauungspläne, den Umbau des Gelsendienste-Betriebshofs Adenauerallee samt erwarteter Kostenexplosion oder die verschärfte Regeln für öffentliche Sicherheit und Ordnung wurden nahezu geräuschlos abgeräumt. Etwas mehr Aufregungspotenzial gab es zuvor und zum Finale.

Gelsenkirchener OB liegen keine neuen Fakten zur HSPV-Entscheidung vor

Die Sorge vor Energiearmut durch rasant steigende Versogerpreise, die Debatte um die vermeintliche Absage für Gelsenkirchen bei der Standortentscheidung für die HSPV, die Hochschule für Polizei und Verwaltung, wie sie Linke und AUF umtrieb oder gar eine Resolution für Freiheitsrechte, wie sie die AfD vor dem Hintergrund der Corona-Beschränkungen verabschieden wollte, schafften es nicht auf die Tagesordnung. 1., weil sie (Energiearmut) mehrheitlich zur Beratung an den Sozialausschuss verwiesen wurden, weil es 2. (HSPV) zum jetzigen Zeitpunkt aus Sicht von Oberbürgermeisterin Karin Welge keine öffentlich kommunizierbaren Fakten gibt und 3., weil sich die Ratsmehrheit (Freiheits-Resolution) nicht vor den Karren der AfD spannen lassen wollte.

Protest vor der Ratssitzung gegen die Pläne am BP-Raffineriestandort Scholven

Aufreger-Potenzial hatte das Bebauungsplanverfahren für die Fläche der sogenannten Norderweiterung, auf der BP bekanntlich nördlich des Raffineriestandorts Scholven mit einem US-Partner eine Anlage zum Kunststoffrecycling errichten will, besonders vor Beginn der Sitzung. AUF protestierte zusammen mit Umwelt-Initiativlern vor dem Tagungsort, dem Sportzentrum Schürenkamp, gegen die Pläne. Lesen Sie auch: BP will Recycling-Leuchtturmprojekt nach Gelsenkirchen holen

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AUF, aber auch Linke und Grüne erneuerten im Rat nochmals ihre Vorbehalte und ihre Kritik an der Standortauswahl und am Pyrolyseverfahren, mit dem Kunststoffe für den Raffinerieeinsatz verarbeitet werden sollen. Linke, Die Partei und Grüne enthielten sich bei der mit breiter Mehrheit von SPD, CDU, FDP, WIN und AfD getragenen Abstimmung über den Aufstellungsbeschluss. Die Grünen machen ihre endgültige Entscheidung vom Abwägungsprozess im Laufe des Bebauungsplanverfahrens abhängig – spätere „Zustimmung oder Ablehnung nicht ausgeschlossen“, wie ihr Stadtverordneter Burkhard Wüllscheidt betonte. Aufklärung in der Sache erhofft sich die Verwaltung von einem Experten-Hearing, das sie im Laufe des Verfahrens anbieten will.

CDU-Ausschussbesetzung durch Ilhan Bükrücü wirft Fragen auf

Emotionen begleiteten eine personelle Umbesetzung der CDU-Ratsfraktion. Ihr Stadtverordneter Malte Stuckmann bleibt nicht im Ausschuss für Wirtschaft für Innovation, Beherbergung und Gastronomie. Seinen Sitz übernimmt, als sachkundiger Bürger, Ilhan Bükrücü. Seine Links und Likes in sozialen Kanälen hatten vor der Kommunalwahl 2020 seine bisherige politische Laufbahn beendet. Bükrücü stand unter anderem im Verdacht, den Völkermord an den Armeniern zu leugnen, er zog seine Rats-Kandidatur zurück. Der Fraktionsvorsitzende Sascha Kurth betonte damals, in der CDU sei kein Platz für solches Gedankengut. Die Kehrtwende nun war eine Steilvorlage für massive Kritik seitens der AfD an der Personalie. Kurth konterte nun: „Ilhan Bükrücu ist weder Völkermordleugner, türkischer Nationalist noch Erdogan-Unterstützer, sondern respektabler Gelsenkirchener Unternehmer mit Migrationshintergrund und deshalb im Wirtschaftsförderungsausschuss genau richtig.“

Wenig Verständnis für Bükrücüs Äußerungen damals zeigten auch die anderen Fraktionen, sie trugen die Personalie jedoch mit.

Die Corona-Folgen für die Gelsenkirchener Stadtfinanzen

Die Corona-Pandemie hat die städtischen Finanzen trotz massiv gesunkener Steuereinnahmen bislang nicht so stark getroffen wie befürchtet. Das machte Stadtkämmerer Luidger Wolterhoff auf Antrag von AUF im Rat deutlich. Bei der Gewerbesteuer hat Gelsenkirchen statt der geplanten 110 nur 31 Millionen Euro eingenommen. Zum Ausgleich flossen 2020 119 Millionen Euro aus Landesmitteln nach Gelsenkirchen. Weiteres Thema: Corona-Folgen überschatten Haushalt für 2022

Bei der Gewerbesteuer rechnete die Stadt vergangenes Jahr laut Wolterhoff mit „40 Millionen Euro Schaden, real sind es 15,5 Millionen geworden.“ Mindereinnahmen sah das Szenario bei der Umlage von Einkommenssteuer und Umsatzsteuer in Höhe von 7 und 3 Millionen Euro voraus, „nur“ 6 und 1 Million Euro waren es schließlich unterm Strich.

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