Gelsenkirchen-Buer. Frust über die „Ignoranz des heiligen Stuhls“, Austausch mit Kardinälen: Wie Katharina Norpoth aus Gelsenkirchen den Synodalen Weg erlebt.

Und sie bewegt sich doch, die Mehrheit der katholischen Bischöfe in Deutschland: Dass gleichgeschlechtliche Paare gesegnet, Frauen zu Diakoninnen geweiht und Verheiratete als Priester zugelassen werden – dafür sprach sich jetzt die mit Geistlichen und Laien besetzte Vollversammlung des Synodalen Wegs aus. Mittendrin, als einzige Stimmberechtigte aus Gelsenkirchen: Katharina Norpoth. Wie sich das anfühlt, mit Kardinal Marx als Sitznachbarn Redebeiträge zu kommentieren und Ermahnungen des päpstlichen Botschafters zu lauschen, erzählte sie nach ihrer Rückkehr aus Frankfurt.

Die zwei Tage Zuhören, Diskutieren und vor allem Moderieren stecken der 30-Jährigen noch in den Knochen. Von Donnerstag, 14 Uhr, bis Samstag, 15.30 Uhr, galt es, daueraufmerksam zu sein, um hochkomplexe Texte zur Erneuerung der katholischen Kirche in Deutschland zu erörtern.

Gelsenkirchenerin will Beitrag dazu leisten, Vertrauen in Kirche wiederherzustellen

Ein Kind des Ruhrgebiets: In Essen geboren, in Gelsenkirchen-Buer aufgewachsen, lebt Katharina Norpoth (30) auch jetzt noch im Gelsenkirchener Norden. Sie ist das einzige stimmberechtigte Mitglied der Vollversammlung Synodaler Weg aus der Emscherstadt.
Ein Kind des Ruhrgebiets: In Essen geboren, in Gelsenkirchen-Buer aufgewachsen, lebt Katharina Norpoth (30) auch jetzt noch im Gelsenkirchener Norden. Sie ist das einzige stimmberechtigte Mitglied der Vollversammlung Synodaler Weg aus der Emscherstadt. © ZdK | M. von Lachner

Und das im vollen Bewusstsein, dass (auch internationale) Medien genau verfolgen, wie je 69 Vertreter der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) und des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) sowie weitere stimmberechtigte Akteurinnen und Akteure aus unterschiedlichsten Bereichen das Vertrauen zurückzugewinnen versuchen, das im Zuge des sogenannten Missbrauchsskandals verloren ging.

Als Mitglied eines von insgesamt drei Moderationsteams war die Studentin der Sozialwissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum am Donnerstag und Freitag besonders gefordert: Gemeinsam mit dem Priester Michael Berentzen aus dem Bistum Münster erteilte sie Diskussions-Teilnehmenden das Wort, etwa zu Papieren wie „Macht und Gewaltenteilung in der Kirche“ oder „Einbeziehung der Gläubigen in die Bestellung des Diözesanbischofs“.

Katharina Norpoth aus Gelsenkirchen: „Gelöste Stimmung nach den Abstimmungen“

Warten auf das Abstimmungsergebnis zum Text „Einbeziehung der Gläubigen in die Bestellung des Diözesanbischofs“: Katharina Norpoth aus Gelsenkirchen (2.v.l.) mit Co-Moderator, Pfarrer Michael Berentzen (l.), Bischof Georg Bätzing (3.v.l.) und Claudia Lücking-Michel bei der 3. Vollversammlung des Synodalen Wegs in Frankfurt am Main.
Warten auf das Abstimmungsergebnis zum Text „Einbeziehung der Gläubigen in die Bestellung des Diözesanbischofs“: Katharina Norpoth aus Gelsenkirchen (2.v.l.) mit Co-Moderator, Pfarrer Michael Berentzen (l.), Bischof Georg Bätzing (3.v.l.) und Claudia Lücking-Michel bei der 3. Vollversammlung des Synodalen Wegs in Frankfurt am Main. © Maximilian von Lachner / ZdK

Dass diese am Ende mit einer Zweidrittel-Mehrheit (auch der Bischöfe) verabschiedet und damit als Forderung Richtung Rom adressiert wurden, hatte Katharina Norpoth „gehofft, aber nicht in dieser Deutlichkeit erwartet“, sagt sie, zumal es nach wie vor Kritik an dem Gesprächsformat gebe. „Es heißt ja immer noch vereinzelt, der Synodale Weg sei nicht katholisch, zu protestantisierend und sogar kirchenschädlich.“ Deshalb: „Die Stimmung nach diesen Abstimmungen war spürbar gelöster, weil wir gespürt haben: Bei vielen ist der Groschen endlich gefallen!“

Lesen Sie auch:

Exklusiv:Vergabeverfahren um neue Polizeischule gestoppt

Gelsenkirchen:Zwölf Apotheken dürfen gegen Corona impfen

Gelsenkirchen: Spekulationen um Citymanagerin für Buer

Sie weiß, wovon sie spricht: In Essen geboren, wuchs sie im Gelsenkirchener Norden auf und übernahm früh als Messdiener(-Leiterin) Verantwortung in der Propsteigemeinde St. Urbanus in Buer, bevor sie von 2010 bis 2015 auf Bundesebene in der Kolpingjugend des Kolpingwerkes Deutschland wirkte und schließlich von 2015 bis 2020 Bundesvorsitzende des Bundes Deutscher Katholischer Jugend (BDKJ) wurde. Seit Mai 2021 engagiert sie sich als Einzelpersönlichkeit im ZdK. Kurz: Sie kennt die für die Amtskirche heiklen Themen, die den Gläubigen vor Ort, zumal den jungen, unter den Nägeln brennen.

Gelsenkirchenerin kämpft für Gleichberechtigung aller Geschlechter in der Kirche

Im Gremium des Synodalen Wegs redet sie als Mitglied im Synodalforum (ähnlich einem Arbeitskreis) zu „Liebe leben in Sexualität und Partnerschaft“ gerne Klartext: Die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare durch Priester steht ebenso auf ihrer persönlichen Agenda wie die Gleichberechtigung nicht nur der Frauen, sondern aller Geschlechter in der Kirche – auch in Leitungsfunktionen.

Auch interessant

Dicke Bretter also, die Synodale wie sie zu bohren haben. Entsprechend dankbar ist sie für die öffentlichkeitswirksame Positionierung von so prominenten Kardinälen wie Reinhard Marx, der jetzt – „nicht als erster übrigens“ – ein Ende des Zölibats verlangte. In der Vollversammlung saß Katharina Norpoth neben ihm, „weil die Sitzordnung nach dem Alphabet vorgeht, so sitzen alle, ob geweiht oder nicht geweiht, bunt durcheinander.“

Gelsenkirchener Studentin: „Viele Bischöfe und Priester haben die Nase voll“

So gab’s hin und wieder regen Austausch mit dem Kardinal, aber nur in den Pausen zwischen den einzelnen Redebeiträgen, versteht sich. Probleme, mit geistlichen Würdenträgern wie Bischöfen oder Kardinälen zu sprechen, hat sie nicht: „In der Jugendarbeit des BDKJ ist es normal, dass Priester und Laien sich austauschen und ihre Stimmen gleich viel wert sind.“

Wir taggen GElsen: Videos und Bilder aus Gelsenkirchen finden Sie auch auf unserem Instagram-Kanal GEtaggt. Oder besuchen Sie die WAZ Gelsenkirchen auf Facebook.

Ob denn da nicht Frust aufkomme, wenn der Botschafter des Papstes in Deutschland, Nikola Eterovic, die Beschlüsse des Synodalen Wegs als wenig relevant einstuft mit der Begründung, entscheidend sei die Autorität des Papstes? „Ja und nein“, antwortet sie. „Diese Ermahnung spiegelt einerseits die Ignoranz des heiligen Stuhls wider und zeigt, wie sehr Denkweisen und Strukturen miteinander verbunden sind. Andererseits sehe ich in Deutschland viele Bischöfe und Priester, die davon die Nase voll haben, weil sie die Kirche in der bisherigen Form nicht mehr für zeitgemäß halten und verändern wollen.“

Hoffnung, dass die Aufbruchstimmung nicht verpufft, sondern Wirkung zeigt in Rom

Der Verweis aus Rom, in Deutschland lebten nur 22,6 Millionen von weltweit 1,3 Milliarden Katholiken, sei zwar richtig. „Aber die Welt schaut jetzt auf Deutschland und unsere Beschlüsse. Sexualisierte Gewalt gegen Kinder und auch Erwachsene ist schließlich kein rein deutsches Problem, wie beispielsweise auch eine aktuelle Studie in Frankreich gezeigt hat.“

Missbrauchsfälle waren Anlass für Start des Synodalen Wegs

Anlass für den Start des Synodalen Wegs im März 2019 war die MHG-Studie „Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“ und die damit verbundene Erschütterung.

Das Gesprächsformat wird getragen von der Deutschen Bischofskonferenz und dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken. Ziel ist es, gemeinsam im Austausch von geweihten und nicht geweihten Katholiken aus den unterschiedlichsten Bereichen nach Antworten auf die Krise zu suchen und Schritte zur Stärkung des christlichen Zeugnisses auszuloten.

Zentral sind die vier Themen „Macht und Gewaltenteilung in der Kirche – Gemeinsame Teilnahme und Teilhabe am Sendungsauftrag“, „Leben in gelingenden Beziehungen – Liebe leben in Sexualität und Partnerschaft“, „Priesterliche Existenz heute“ sowie „Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche“. Sie werden in Foren für die Vollversammlung aufbereitet.

Dass Laien und geistliche Amtsträger überhaupt miteinander und nicht nur übereinander reden, sich auf Augenhöhe austauschen: „Das ist ein Erfolg!“ So ist ihre große Hoffnung, dass die Aufbruchstimmung des Synodalen Wegs nicht verpufft, sondern Wirkung zeigt im fernen Rom. Wenn nicht jetzt direkt, dann in der nahen Zukunft.