Gelsenkirchen. Einem Zeitungsbericht zufolge plädiert der Corona-Expertenrat der Bundesregierung für eine 2G-Plus-Regel in der Gastronomie. Wirte sind in Sorge.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die Ministerpräsidenten der Länder wollen am Freitag erstmals nach dem Jahreswechsel über den weiteren Kurs im Kampf gegen die Coronapandemie beraten. Im Blick steht vor allem die schnelle Omikron-Ausbreitung. Damit hat sich am Dienstag auch der Expertenrat der Bundesregierung befassen.

Neue Kontaktbeschränkungen halten die Wissenschaftler zwar einem Bericht der Rheinischen Post zufolge nicht für notwendig. Sorgen bereite aber das Infektionsgeschehen in der Gastronomie. In Innenräumen würden die Regeln zu lasch kontrolliert, zu viele Personen seien ohne Masken unterwegs. Deshalb sei in der Videoschalte Bund und Ländern empfohlen worden, flächendeckend über 2G-Plus in der Innengastronomie nachzudenken, berichtet die Zeitung und bezieht sich auf Regierungskreise.

Testpflicht auch für Geimpfte und Genesene in der Gastronomie? „Umsatzeinbußen wären die Folge“

Christoph Klug, FDP-Lokalpolitiker und Gastronom in Gelsenkirchen, reagiert mit einem geseufztem „Oje“ auf eine mögliche Testpflicht in Restaurants, Bars, Cafés und Kneipen. Klug hatte nach einem Corona-Fall in einem seiner Lokale in Buer im vergangenen Jahr zeitweise freiwillig darauf gesetzt, dass nur noch Gäste mit einem aktuellen Negativtest in das „Lokal ohne Namen“ durften, unabhängig von ihrem Impfstatus. „Dafür haben wir zwar viel Zuspruch bekommen“, berichtet der der Wirt, aber ein wesentlicher Teil der Gäste sei dennoch ferngeblieben.

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„Wer abends spontan in die Kneipe will, muss dann erstmal eine Teststelle finden, die noch geöffnet ist. Spontanbesuche bleiben dann doch eher aus“, berichtet Klug aus seiner Erfahrung. Selbst wenn die Corona-Schnelltestzentren auch zu später Stunde noch geöffnet hätten, gibt es die Sorge, dass ein Test als Voraussetzung für einen Gastro-Besuch zu vielen Kunden letztendlich doch zu umständlich sein könnte und den Wirten erhebliche Umsatzeinbuße drohen würden.

„Eine Testpflicht würde zwar auch für mein Personal und mich mehr Sicherheit bedeuten, aber ich fürchte, die Sicherheit käme dann schon von alleine, weil ein Teil des Personals mangels Kunden komplett zu Hause bleiben könnte“, blickt Klug besorgt auf mögliche Regelverschärfungen.

Anders verhielte es sich, wenn eine Testpflicht flächendeckend in allen Bereichen des täglichen Lebens gelten würde. Dann, so der Gelsenkirchener Gastronom, hätten die Menschen ja eh immer einen aktuellen Testnachweis in der Tasche. Das Ansteckungsrisiko würde sinken und die Kunden nicht erst eine Hürde nehmen müssen, um in einer Gastronomie einzukehren.

Liane Bottermann vom „Zutz“: „Das würde uns wehtun“

Mit Sorge blickt man auch im „Zutz“ auf die mögliche neue Regelung: „Das würde uns wehtun“, sagt Liane Bottermann, eine der „Zutz“-Gesellschafterinnen. „Das vergangene Jahr war ohnehin schwer für uns – ich bin mir sicher, dass eine solche Reglung zu weiteren starken Umsatzeinbußen führen würde.“ Wenn ein Test notwendig wäre, um einen Gastronomiebetrieb zu besuchen, würde das viele Menschen abhalten, ist sie sicher – vor allem vor einem spontanen Kneipenbesuch würden viele potenzielle Besucher zurückschrecken.

„Ich stelle generell fest, dass zumindest unsere Gäste sehr verständnisvoll gegenüber den Regeln sind“, sagt sie. „Geschätzt 90 Prozent sind auch bereits geboostert, außerdem haben wir im Zutz eine moderne Luftfilteranlage, die für weitere Sicherheit sorgt.“ Daher plädiert sie für ein Modell, wie es ab dem 10. Januar in Hamburg gilt: Dort brauchen Gäste, die bereits dreimal geimpft sind, keinen Test vorzulegen. „Damit könnten wir uns anfreunden“, sagt sie.

Senat weitet 2G-Plus für Hamburg deutlich aus

Der Hamburger Senat hat bereits am Dienstag weitere Einschränkungen beschlossen und das dort geltende 2G-Plus-Modell ausgeweitet. So werden die bisherigen 2G-Regeln weitgehend durch 2G-Plus ersetzt, wie Senatssprecher Marcel Schweitzer am Dienstag sagte. Wer doppelt geimpft oder genesen ist, muss nun künftig in vielen Bereichen zusätzlich einen tagesaktuellen negativen Test vorlegen. Demnach gilt das für die Gastronomie - also für Bars und Restaurants-, für Kulturveranstaltungen und für den Sport in Innenräumen.

Ansonsten oft gut gelaunt, angesichts einer möglichen Testpflicht auch für Geimpfte und Genesene in der Innengastronomie aber nun etwas besorgt: Christoph Klug, Inhaber mehrerer Kneipen in Gelsenkirchen-Buer, hier im März 2020, als er sein Lokal Domgold im Lockdown schließen musste.
Ansonsten oft gut gelaunt, angesichts einer möglichen Testpflicht auch für Geimpfte und Genesene in der Innengastronomie aber nun etwas besorgt: Christoph Klug, Inhaber mehrerer Kneipen in Gelsenkirchen-Buer, hier im März 2020, als er sein Lokal Domgold im Lockdown schließen musste. © FUNKE Foto Services | Joachim Kleine-Büning

Personen, die bereits ihre Auffrischungsimpfung erhalten haben, werden von der neuen 2G-Plus-Regel ausgenommen - und das laut Senatssprecher schon unmittelbar nach der Auffrischimpfung. Ungeimpfte hingegen haben ja schon jetzt, bei der aktuell geltenden 2G-Regel, zu solchen Aktivitäten keinen Zutritt mehr. Die neue Regelung soll am Montag in Kraft treten und wird laut Schweitzer zunächst für vier Wochen gelten.

Gastronom Uwe Suberg, der in Gelsenkirchen das „Noah’s Place“ betreibt, geht von einem Umsatzeinbruch in Höhe von 75 Prozent aus, wenn 2G-Plus eingeführt würde. „Das mag zwar aus pandemischer Sicht richtig sein – käme aber einem Shutdown gleich“, sagt er. „Kaum jemand lässt sich doch in der Nase bohren, um nur einen Kaffee zu trinken.“ Viele Gastronomen wären dann wirtschaftlich komplett am Ende. „Dann sollte man lieber gleich die Gastro schließen und die Wirte vernünftig unterstützen“, meint er.