Gelsenkirchen. Gelsenkirchener Marco Buschmann ist Justizminister, aber auch Hobbymusiker mit Hang zur Dramatik und Liebe für 80er-Sounds. Wir haben reingehört.

„Last Christmas“ oder „Let It Snow“ sind ausgelutscht? Es gibt da ja noch einen Geheimtipp aus Gelsenkirchen, das „Epic Christmas Medley“, das 2020 zum ersten Corona-Weihnachten im Netz hochgeladen wurde. „It feels like a dangerours adventure“, Weihnachten fühle sich zurzeit an wie ein gefährliches Abenteuer, erklärte der Künstler zu jenem Stück. Entsprechend kriegerisch klingt der Zusammenschnitt bekannter Weihnachtsklassiker, als würde Darth Vader mit seinen imperialen Truppen und nicht das Christkind anrücken. „The style of action movies soundtracks“ nennt es der Soundarchitekt – der übrigens niemand Geringeres ist als der Bueraner, FDP-Kreisverbandchef und Bundesjustizminister Marco Buschmann.

Justizminister Buschmann produziert als MBSounds düstere Elektro-Songs

36 Songs hat Buschmann in den letzten sieben Jahren auf seinem Profil bei Soundcloud unter dem Namen MBSounds hochgeladen – ein Portal, das vor allem als Plattform für Nachwuchsmusiker aus der ganzen Welt einen festen Stand hat. „Seit einige Medien meinen Soundcloud-Kanal erwähnt haben, haben sich über 14.000 Menschen meinen letzten Track angehört“, schrieb Buschmann vor kurzem auf Twitter. „Ich fühle mich sehr geehrt. Hoffentlich tun niemandem die Ohren weh.“ Das „Epic Christmas Medley“ jedenfalls darf man schon mal als gewöhnungsbedürftig bezeichnen. Aber MBs Oeuvre ist ja noch viel umfassender.

Auf den Punkt bringen lässt es sich allerdings nicht so ganz. Experimentierfreude kann man dem Justizminister nicht absprechen. Vieles klingt nach Synthesizern aus den 80ern, vieles düster, bisweilen gruselig. MB selbst klebt Genre-Etikette wie House, Dance & EDM oder Trance auf seine Tracks. Mal versucht er Daft Punk und Kraftwerk nachzuahmen, mal Filmkomponist Hans Zimmer. Mal will er einen Soundtrack für die Legende von Excalibur kreieren, mal bereitet er sich mit einer „musikalischen Tagebuchnotiz“ per waberndem Elektro-Beat auf das FDP-Dreikönigstreffen in Stuttgart vor. Überhaupt stellt – und das ist dann wohl der gelbe Faden seiner Musik – Buschmanns geliebte Partei seine größte Muse dar.

Buschmann verarbeitet in seinem meistgeklickten Track eine „Wutrede“ von FDP-Chef Lindner

Da ist das Piano-Instrumental, das er für den Wahlwerbespot des Parteikollegen Alexander Graf Lambsdorff für den Europawahlkampf 2014 komponierte. Oder der kurze Jingle für die NRW-Julis. Aber vor allem ist da mit knapp 43.000 Klicks MBs bislang populärste Nummer „Wutrede“, die radikalen Industrial-Krach mit einer Rede von Neu-FinanzministerChristian Lindner aus seiner Zeit im Düsseldorfer Landtag verbindet.

Gewissermaßen auch kreative Partner: Marco Buschmann und Parteichef Christian Lindner (re.).
Gewissermaßen auch kreative Partner: Marco Buschmann und Parteichef Christian Lindner (re.). © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Seinerzeit wehrte sich der heutige FDP-Parteichef mit scharfen Worten gegen einen Zwischenruf des damaligen SPD-Fraktionsgeschäftsführers Volker Münchow, der dem einstig gescheiterten Startup-Unternehmer Lindner indirekt Versagen als Gründer vorwarf. „Welchen Eindruck macht so ein dümmlicher Zwischenruf wie Ihrer auf irgendeinen gründungswilligen jungen Menschen?“ Andere Frage: Was sollte einen Liberalen schon mehr auf die Palme bringen? Zorn dient bekanntlich als nahrhafte Inspirationsquelle für Musik. Und deswegen gibt es ja auch „Second Speech of Anger“, die zweite Wutrede, in der MB, musikalisch dieses Mal etwas gelassener, Lindners verbales Auseinanderrupfen der AfD begleitet.

Buschmann rekonstruiert die „Schattenjahre“ der FDP musikalisch

MBs ambitioniertestes Projekt allerdings ist die fünfteilige „Schattenjahre“-Serie, in der er die schweren Jahre der FDP nach dem gescheiterten Einzug in den Bundestag 2013 rekonstruiert – vom deprimierenden Moment nach den Hochrechnungen bis zu Christian Lindners beflügelnder Ankündigung, den Liberalismus in Deutschland erneuern zu wollen. Gewissermaßen sind auch diese fünf Songs eine Lindner-Kooperation: 2018 brachte Buschmanns Kumpel nämlich das gleichnamige Buch „Schattenjahre“ heraus – und MB also den inoffiziellen Soundtrack.

Wer weder wissen will, wie die große Krise der FDP aufbereitet wurde, noch etwas für 80er-Synthie-Sound übrig und sowieso genug von Weihnachtsliedern – kriegerisch oder klassisch – hat, für den bleibt da noch ein anderer Geheimtipp aus Gelsenkirchen: „Neujahrsfest“ gibt dem Corona-Silvesterabend, an dem große Feiern wieder mal gestrichen sind, zumindest ein bisschen cineastischen Pathos und zugleich staatstragenden Anstand. So könnte auch das Justizministerium klingen.