Gelsenkirchen. „Ich kann es nicht begreifen“: Die Hündin einer Gelsenkirchenerin wurde an der Emscher erschossen. Die Jägerschaft nimmt Stellung zu der Tragödie.

  • Schäferhund-Husky-Mischling Frida wurde an der Emscher erschossen. Die Hündin war nur 13 Monate alt. Ihre Halterin ist am Boden zerstört: „Frida hat meinen ganzen Alltag ausgemacht.“
  • Die Polizei stuft die Tragödie als „Jagdunfall“ ein, die Kreisjägerschaft sagt: „Der Schuss hätte definitiv nicht erfolgen dürfen“.
  • Bei dem Schützen handelt es sich um einen eigentlich erfahrenen Oberhausener Jäger.

„Ich kann einfach nicht aufhören zu weinen, ich kann es nicht begreifen“. Als Marcha Matthiesen am Samstagmorgen in die offene Facebook-Gruppe „Husky Freunde“ völlig niedergeschlagen eine Nachricht schreibt, ist die Tragödie erst rund zwölf Stunden her. Ihr Hund, die gerade 13 Monate alte Frida, wurde der Gelsenkirchenerin genommen. Per Schuss von der Jagdwaffe. „Frida hat meinen ganzen Alltag ausgemacht, sie war immer bei mir“, schreibt sie. „Und jetzt hat sie jemand einfach erschossen.“

Gelsenkirchener Hundehalterin: „Ich hatte sofort ein ekelhaftes Gefühl“

Als die Frau aus Hassel am Freitagabend, wie fast jeden Tag, gemeinsamen mit ihrem Ehemann, mit Schäferhund-Husky-Mischling Frida und ihrer zweiten Hündin Sukie an der Emscher entlang spaziert, da lässt sie die beiden in der Nähe des singenden Bergs kurz losrennen. Hier mögen es ihre Hunde, weiß sie. „Hier verschwinden sie kurz gerne für wenige Sekunden hinter dem Gebüsch und kommen dann für gewöhnlich gleich wieder.“ Aber dann hört die Hundehalterin plötzlich einen lauten Knall. „Ich hatte sofort ein ekelhaftes Gefühl und habe die Hunde gerufen“, erzählt sie. Aber nur Sukie kommt zurück.

Gingen durch dick und dünn: Frida (r.) und Hündin Sukie.
Gingen durch dick und dünn: Frida (r.) und Hündin Sukie. © Privat

Matthiesen sucht das Gelände ab, während ihr Mann weiter nach Frida ruft. Dann sieht sie ihre Hündin auf der Wiese liegen, „blutüberströmt“, wie sie erzählt. „Es war ein perfekt gezielter Herz-Lungen-Schuss“, sagt die 43-Jährige am Montagmorgen im Gespräch mit unserer Redaktion. Es fehlen ihr immer noch die Worte. „Wie nur konnte das passieren?“

Kreisjäger aus Gelsenkirchen: „Hier wurde ein schwerer Fehler begangen“

Dieselbe Frage stellt man sich auch bei der örtlichen Jägerschaft. Kreisjäger Stefan Lacher spricht von einem „Unglücksfall“, vermutlich einer Verkettung mehrerer unglücklicher Umstände. „Der Schuss hätte definitiv nicht erfolgen dürfen“, sagt Lacher, der sich kurz nach dem Vorfall bei Familie Matthiesen meldete und dort sein Bedauern aussprach.


Abgegeben worden sei der Schuss durch einen Kollegen, der als „Gastjäger“ im gemeinschaftlichen Jagdbezirk an der Emscher unterwegs gewesen sei. „Er war schon mehrfach bei uns, eigentlich ein Kollege mit einem gewissen Wissen und Erfahrungsschatz. Aber klar ist: Er hat jetzt einen schweren Fehler begangen, der zu viel Leid geführt hat.“

Ungefähr hier ereignete sich die Tragödie: Das Emscherufer in Nähe des singenden Berges am nebligen Montagmittag.
Ungefähr hier ereignete sich die Tragödie: Das Emscherufer in Nähe des singenden Berges am nebligen Montagmittag. © FFS | Lutz von Staegmann

Was am Ende jedoch zu der Fehleinschätzung des Mannes führte, das müssten nun die Ermittlungsbehörden klären. Bei der Polizei bestätigt man den Vorfall, ordnet ihn nach aktuellen Stand als „Jagdunfall“ ein. Der Jäger – der nach Angaben der Polizei aus Oberhausen stammt - habe sich unmittelbar nach dem Vorfall selbst gemeldet und Eigenanzeige erstattet.

Durfte man hier am Gelsenkirchener Emscherufer gegen 22 Uhr überhaupt noch jagen?

„Er wollte direkt zu den Geschädigten, aber ich habe ihn telefonisch dringend davon abgeraten, es zu tun,“ sagt Kreisjäger Stefan Lacher. Zu einer Begegnung zwischen dem Jäger und Ehepaar Matthiesen sei es deswegen am Abend der Tragödie nicht gekommen. Aber hätte der Oberhausener hier überhaupt jagen dürfen? Und das um diese Uhrzeit, zwischen 21 und 22 Uhr?

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Der Vorsitzende der Kreisjägerschaft beantwortet beide Fragen mit einem klaren Ja. Um diese Uhrzeit könne man etwa Hasen, Nutrias oder Füchse antreffen und auch jagen. „Man kann nicht per se sagen: Nur weil es so spät und dunkel war, hätte man keinen Schuss mehr abfeuern dürfen“, so Lacher. „Aber die sichere Schussabgabe ist das obere Gebot.“

„Hundehalterin: „Ich möchte nicht gegen Jäger hetzen“

Leinenpflicht an der Emscher

Marcha Matthiesen ließ ihre beiden Hündinnen am Tatort frei herumlaufen. „An der Emscherinsel herrscht Leinenpflicht und hinter abgezäunten Bereichen sollte sich niemand aufhalten“, sagt Stadtsprecher Martin Schulmann.

Ihr sei dies nicht bekannt gewesen, sagt Matthiesen. Hier sei es erlaubt, die Hunde von der Leine zu lassen, habe man ihr einst beim Ordnungsamt mitgeteilt.

Kreisjäger Stefan Lacher betont ebenfalls, insbesondere die abgesperrten Bereiche hinter den Drahtzäunen, also dort, wo der Hund tot gefunden wurde, seien definitiv nicht zu betreten. „Eine Entschuldigung für den Vorfall aber ist das natürlich nicht.“

Marcha Matthiesen jedoch kann einfach nicht verstehen, wie man ihre Hündin etwa mit einem Fuchs hätte verwechseln können. „Kein Fuchs der Welt ist so groß wie meine Frida.“ Doch obwohl ihr der Schrecken noch immer in den Knochen steckt, obwohl auch ihre drei Kinder (23, 13, 11) völlig am Boden zerstört seien: Groll gegen die Jägerschaft insgesamt zu hegen, liege ihr fern, sagt sie. „Ich möchte nicht gegen Jäger hetzen, sie haben es schwer genug mit ihrem Ruf. Aber kein verantwortungsvoller Jäger hätte so etwas getan.“ Zudem sei Frida direkt hinter einem Gebüsch gewesen. „Hätte der Schuss sie verfehlt, hätte er auch uns treffen können.“