Gelsenkirchen. Gelsenkirchener Geschäftsmann wegen Steuerbetrug vor Gericht: Unternehmer zeichnet mit Mitangeklagten Weg des Geldes nach. Millionendeal platzte.

Im Prozess um schwarze Kassen und Steuerbetrug in Millionenhöhe bahnt sich ein vorzeitiges Ende an: Sowohl Staatsanwaltschaft als auch die Verteidigung des angeklagten Gelsenkirchener Geschäftsmannes signalisierten vor der Großen Wirtschaftsstrafkammer des Essener Landgerichts ihre Bereitschaft zu einer möglichen Verständigung.

Verteidigung des Gelsenkirchener Geschäftsmannes hält drei bis fünf Jahre als Strafe für realistisch

In Anbetracht des geschätzten Steuerschadens in Höhe von fünf Millionen Euro – es geht um Körperschafts-, Gewerbe- und um Vergnügungssteuer – sieht die Anklage das Strafmaß bei einer Haftstrafe von „fünf bis acht Jahren“, für die Verteidigung sind mit Blick auf den Fall „Uli Hoeneß mit einem Schaden in zehnfacher Höhe“ drei bis fünf Jahre vorstellbar.

Für den mitangeklagten, leitenden Ex-Mitarbeiter (49) stehen drei bis vier Jahre von Seiten der Staatsanwaltschaft im Raum. Die Verteidigung erklärte eine Bewährungsstrafe unter drei Jahren zum Ziel.

Bei den beiden mitangeklagten Frauen, ebenfalls Mitarbeiterinnen, gibt es dem Vorsitzenden Richter Roland Wissel zufolge „noch Klärungsbedarf“. Hier könnte den Anwälten nach Paragraf 153(a) zum Tragen kommen – die Einstellung des Verfahrens wegen Geringfügigkeit bzw. gegen eine Geldauflage.

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Interessant wurde es am vierten Verhandlungstag, als es um die Wiedergutmachung des Schadens ging – das ist Voraussetzung für eine mildere Strafe. Im Raum stand dabei auch die Frage, ob der 57-jährige Familienvater bis zur Urteilsverkündigung auf freien Fuß kommt.

Die Verteidigung erklärte, dass bislang „1,1 Millionen Euro zurückgezahlt worden sind“, weitere 600.000 Euro sollen zeitnah durch die „Veräußerung eines Supermarktes an einen Discounter“ fließen. Richter Roland Wissel merkte dazu trocken an, dass ihn in erster Linie interessiere, „was an Geld da ist und nicht, was noch kommen könnte“.

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Aussage vor dem Landgericht: Der 57-jährige Geschäftsmann aus Gelsenkirchen (hier Bilder vom Prozessauftakt am 29. September) äußerte sich zu den Vorwürfen.
Von Matthias Heselmann und Nikos Kimerlis

Gelsenkirchener Unternehmer wollte seltenen Mercedes für 1,5 Millionen Euro verkaufen

Der Rechtsbeistand des erfolgreichen Unternehmers mit Sommerhaus auf Ibiza konterte den Hinweis damit, dass „sein Mandant, durch den Prozess bereits viel Schaden erlitten“ habe. Als Beispiel nannte er den geplatzten Verkauf eines sehr seltenen Mercedes. Für das AMG-Modell soll sich ein Interessent aus dem arabischen Raum bereits für 500.000 Euro die Kaufoption gesichert haben. Avisierter Verkaufspreis: 1,5 Millionen Euro.

Die vorzeitige Entlassung des 57-Jährigen aus der Untersuchungshaft wurde von Seiten der Anklage wegen „Verdunkelungsgefahr und Fluchtgefahr“ abgelehnt.

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Für eine in Aussicht gestellte Verständigung forderte der Vorsitzende Richter „ein Mindestmaß“ an belastbaren Zahlen ein. Auch die Art und Weise wie das Geld am Fiskus vorbei seinen Weg nahm, wollte das Gericht nachvollziehen. Der Geschäftsmann und auch der Ex-Mitarbeiter zeigten sich bereit, dazu auszusagen.

„Zahlscheingeschäfte“ über die Sparkasse Gelsenkirchen getätigt

Grundlage des üppigen Geldflusses am Finanzamt vorbei waren manipulierte Geldspielautomaten, die die wahren Umsätze verschleierten. Der vorenthaltene Gewinn wanderte über „Zahlscheingeschäfte“ aufs Konto. Der Clou dabei: Bei dieser „Art der bargeldlosen Überweisung taucht nur der Kontoinhaber auf, nicht der Karteninhaber“, wie es eine Sachbearbeiterin der Sparkasse Gelsenkirchen, zuständig für Ermittlungsverfahren amtlicher Stellen, vor Gericht zu Protokoll gab.

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Der Zeugin zufolge wurden so zwischen den Jahren 2016 und 2019 monatlich über 15.000 Euro an Bargeld transferiert. Dabei reicht üblicherweise die Kundenkarte, also die EC-Karte. Richter Wissel nannte dazu ein Beispiel aus den Ermittlungsakten: „Zweigstelle Hüllen, Januar 2018, 24.000 Euro.“

„Übergeben wurde das Geld am Wohnsitz“ des Unternehmers in Gelsenkirchen, so die Aussage des Ex-Mitarbeiters zum Weg des Geldes. Dabei muss es vormals augenscheinlich ein besonders inniges Vertrauensverhältnis zwischen dem ehemals leitenden Angestellten und seinem Chef gegeben haben. Richter Roland Wissel dazu in Richtung Ex-Geschäftsführer: „Die Zuneigungsbekundungen in den Chats zu Ihnen sind im Vergleich zu denen an seine Frau in der Überzahl.“

Der Unternehmer „hat es nie hinterfragt“, erklärte er vor Gericht, warum die vorbeigeschleusten Beträge mitunter so stark schwankten. „Ich habe ihm voll vertraut“.

Gelsenkirchener Steuerprozess: Geldgeschenke verteilt in guten Einnahme-Monaten

Darüber hinaus hatte der frühere Geschäftsführer die Erlaubnis, in besonders guten Monaten Angestellte am illegalen Gewinn teilhaben zu lassen. „Ich durfte das selbst entscheiden“, sagte der 49-Jährige dem Gericht. Mal seien es 500 Euro, mal 1000 Euro gewesen, die er unter anderem an eine der mitangeklagten Frauen verteilt habe.

Wie hoch die Summen unversteuerten Geldes wirklich waren, wird wohl nie endgültig geklärt werden können. Auch wenn vorgelegte Chatverläufe der Staatsanwaltschaft anderes vermuten lassen, sechsstellige Beträge, vor Gericht konnte sich der Gelsenkirchener Unternehmer im Verhältnis dazu nur an kleinere Summen erinnern, die in den Jahren 2012 bis 2019 monatlich mindestens dem Finanzamt vorenthalten wurden. Mal waren es „mindestens 10.000 Euro“, dann wieder „mindestens 40.000 Euro“.

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Die genannten Mindestbeträge zusammengerechnet ergeben eine Summe von 1,74 Millionen Euro.