Gelsenkirchen. 21 Jahre Schwangerenberatung in Gelsenkirchen: Der Verein „Donum Vitae“ leistet wichtige Arbeit – bei steigendem Pensum. Das sind die Gründe.

Neues Leben entsteht: In den Köpfen steckt das Ideal der strahlenden Schwangeren, an der Seite ein liebevoller Partner, drumherum ein voll positiver Spannung auf den Nachwuchs wartendes Umfeld. Doch nicht immer geht eine Schwangerschaft mit unerschütterlicher Glückseligkeit einher. Denn da ist auch die Kehrseite, da sind Frauen und Mädchen, die genau diese Veränderung in eine (Lebens-) Krise stürzt. Wer sind diese Frauen? Was bewegt sie? Der Verein Donum Vitae für Bottrop, Gelsenkirchen und Gladbeck leistet seit 21 Jahren Schwangerschafts- und Schwangerschaftskonfliktberatung – und hat Antworten auf diese Fragen. Ein Besuch in der Beratungsstelle an der Overwegstraße.

Gelsenkirchen: Immer mehr Frauen suchen Hilfe bei Schwangerenkonfliktberatung

Hinter dem Team von Donum Vitae liegt ein ereignisreiches, ein außergewöhnliches Jahr 2020. Corona hat auch hier alles auf den Kopf gestellt. Doch ein Trend aus der Vergangenheit hatte Bestand: Die Suche nach Beratung, sie hat zugenommen. 2019 verzeichnete Donum Vitae laut Jahresbericht eine Zunahme der Ratsuchenden von drei Prozent. 715 Beratungsgespräche wurden geführt, über die Hälfte (52 Prozent) waren Schwangerschaftskonfliktberatungen.

Zum Hintergrund: Der Abbruch einer Schwangerschaft ist in Deutschland nur straffrei, wenn die Schwangere sich vor dem Eingriff in einer staatlich anerkannten Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle beraten lassen hat. Das ist durch den Paragraf 218 a des Strafgesetzbuches geregelt. [Lesen Sie auch: Schon 2017 suchten immer mehr Frauen Hilfe bei Donum Vitae]

Im Corona-Jahr 2020 lag die Zahl der Erstberatungen mit 703 nur geringfügig niedriger, auch hier machten wieder über die Hälfte die Schwangerschaftskonfliktberatungen aus. In der Gruppe ab 40 Jahren erfasste das Donum-Vitae-Team einen Anstieg bei der Schwangerschaftskonfliktberatung wie auch in der Gruppe der 14- bis 17-Jährigen. „Die Verdreifachung der Anzahl der Minderjährigen im Kontext von Schwangerschaftskonfliktberatung könnte darauf zurückzuführen sein, dass im Jahr 2020 Veranstaltungen zu sexueller Bildung kaum umsetzbar waren“, heißt es im Jahresbericht von Donum Vitae.

Zyklusmodell „Anke“ zeigt in den Beratungen bei Donum Vitae meist gute Wirkungen – nicht nur, weil es ganz anschaulich und greifbar den Zyklus und eine Befruchtung des Eis erklärt. „Das Wissen über den eigenen Körper ist einfach sehr gering“, so Barbara Hildebrand-Vohl, geschäftsführende Beraterin bei Donum Vitae.
Zyklusmodell „Anke“ zeigt in den Beratungen bei Donum Vitae meist gute Wirkungen – nicht nur, weil es ganz anschaulich und greifbar den Zyklus und eine Befruchtung des Eis erklärt. „Das Wissen über den eigenen Körper ist einfach sehr gering“, so Barbara Hildebrand-Vohl, geschäftsführende Beraterin bei Donum Vitae. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Dazu passt, was Barbara Hildebrand-Vohl berichtet: „Das Wissen über den eigenen Körper ist einfach sehr gering“, sagt die geschäftsführende Beraterin von Donum Vitae. Das sei aber nicht nur bei den jungen, sondern bei nahezu allen Frauen so, die an die Overwegstraße oder in die Außenstellen nach Bottrop oder Gladbeck kommen. [Lesen Sie auch:Warum es in Gelsenkirchen nun leichter ist, eine Hebamme zu finden]

Der Grund liegt für sie auf der Hand: „Weil es kein Thema ist oder tabuisiert wird.“ Die Beraterin geht ins Detail, etwa bei der Verhütungsberatung: „Man spricht nicht darüber“– und schildert aus der direkten Aufklärungsarbeit etwa die Beantwortung der Frage, warum „man die Pille jeden Tag nehmen muss und eben nicht nur vor dem Sex.“

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Warum die Frauen ihr Kind nicht bekommen wollen, dafür gibt es vielfältige Gründe: „Viele haben die Familienplanung schon abgeschlossen, manche sind mit den Kindern, die schon da sind, überlastet und überfordert.“ Häufig sei es die Armut, die die Frauen zu dieser schwerwiegenden, oftmals auch verzweifelten Entscheidung bringt. „Ich möchte meinem Kind auch noch was kaufen können“, sei ein häufiger Satz, den Barbara Hildebrand-Vohl in diesem Zusammenhang hört.

Das Team von Donum Vitae legt dann den Fokus darauf, aufmerksam zu machen auf das, was ist: „Ein Kind ist nicht nur ein Problemfaktor“, so die Sozialpädagogin. „Wir wollen, dass unsere Klientinnen zuversichtlicher in die Zukunft gucken“, sagt sie auch. Sie wollen die Frauen nicht alleine lassen, mit all ihren Nöten und Ängsten. Und die Beratungsgespräche dazu nutzen, „Möglichkeiten aufzuzeigen und das Problem von allen Seiten zu beleuchten.“ Eben Perspektiven bieten, für ein Leben mit Kind.

Donum Vitae in Gelsenkirchen: Die Beratungsstelle ist für alle Schwangeren da

Sie sieht in der aktuellen Rechtslage Konfliktpotenzial: Auch wenn ein Abbruch mit vorhergehender Konfliktberatung straffrei ist, habe er durch den Eintrag im Strafgesetzbuch auch „immer einen Makel.“ Ginge es nach Barbara Hildebrand-Vohl, sollte der Paragraf 218 raus aus dem StGB. Das Beratungsgespräch hingegen sollte – allein für die Auseinandersetzung – Bestand haben.[Lesen Sie auch: Engpass? Nur ein Gelsenkirchener Arzt nimmt Abtreibungen vor]

Ein anderer Punkt ist Barbara Hildebrand-Vohl wichtig: „Die Beratungsstelle ist für alle Schwangeren da, das wissen viele nicht.“ Kommen Frauen, die in Sachen Ernährung, Entbindung, Hebamme, Anforderungen als Mutter, oder ähnlichem Unterstützung brauchen, ist das für die Beraterin wie ein Kontrastprogramm.

Gelsenkirchen: Anteil der Ratsuchenden aus dem Ausland kontinuierlich gestiegen

In der Retrospektive, was sieht sie, wenn sie auf ihre seit 14 Jahren andauernde Arbeit bei Donum Vitae blickt? Es gebe ähnliche Konstellationen, die Verläufe gleichen sich, bei den hilfesuchenden Frauen. Sie sind oft benachteiligt, hätten teils weniger Bildung und ein geringes Selbstwertgefühl.

Eine weitere Beobachtung in der Rückschau: Es seien viele Menschen aus dem Ausland hinzugekommen. Laut dem Donum Vitae-Jahresbericht 2020 ist der Anteil der „Ratsuchenden, die eine andere Staatsangehörigkeit als die deutsche haben, in den letzten zwei Jahren kontinuierlich gestiegen. Über die Hälfte der Frauen, die zur Beratung kamen, hatte eine andere Staatsangehörigkeit.“

Hier ist es oftmals die Sprachbarriere, die die Beratungen erschwert und zeitaufwendiger macht. Auch wenn Sprachmittlerinnen an der Seite der ratsuchenden Frauen stehen.

Weitere Beratungsstellen

Donum vitae, die Schwangeren- und Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle für Bottrop, Gelsenkirchen und Gladbeck, wurde im September 2000 gegründet und nahm im Januar 2001 die Beratungsarbeit auf.

Neben Donum Vitae gibt es weitere Stellen, an die sich Schwangere für eine Beratung wenden können. Die Evangelische Beratungsstelle für Ehe- und Lebensfragen und Schwangerschaftskonfliktberatung, an der Urbanusstraße 13, ist erreichbar unter 0209/37 34 4 oder per Mail unter ev.beratung.ge@meinediakonie.de . Die E-Mail-Adresse dient ausschließlich zur Kontaktaufnahme.

Schwangerschaftsberatungen und Beratungen im Schwangerschaftskonflikt (ohne Beratungsnachweis) bieten ebenfalls der Sozialdienst Katholischer Frauen und Männer Buer, an der Hochstraße 47 (0209/16587743 und 0209/16587755 oder per E-Mail unter sekretariat-buer@skfm-ge.de), und der Sozialdienst Katholischer Frauen und Männer Gelsenkirchen, an der Kirchstraße 51 (0209/923300 oder 0209/9233050, E-Mail: sekretariat@skfm-ge.de) an.

Und dann berichtet Barbara Hildebrand-Vohl von dieser einen Frau, die in die Beratung kam, die Schwangerschaft beenden wollte, aus panischer Angst vor einer Fehlgeburt. „Was ist, wenn man das Kind entscheiden lässt, ob es kommen möchte?“, hatte sie der Frau als Gedankenanstoß mitgegeben. Nun, sie bekam das Kind. Und es war: gesund.