Gelsenkirchen. Markus Töns (SPD) hat den Wahlkreis Gelsenkirchen gewonnen. Nun wird er liefern müssen - ob bei den Altschulden oder der EU-Südost-Migration.

Auf der CDU-Wahlparty war an diesem Abend der Bundestagswahl 2021 der etwas despektierliche Satz zu hören, die SPD hätte ja auch mit einem Sack Reis gewinnen können. Wahrlich ist das Comeback der Sozialdemokratie in Gelsenkirchen keine große Überraschung. Die SPD und ihr Direktkandidat Markus Töns hätten sich eine Peinlichkeit nach der anderen leisten müssen, um nicht als Gewinner hervorzugehen. Die treue Stammwählerschaft ist das eine. Aber Markus Töns konnte auch geschmeidig auf der Zustimmungswelle reiten, die Kanzlerkandidat Olaf Scholz ihm bereitet hat.

SPD kann sich nicht mehr hinter großen Koalitionspartner verstecken

Mit der SPD als knapp stärkste Kraft im Bund zeichnet sich nun eine sozialdemokratisch geführte Bundesregierung ab. Das heißt auch: Markus Töns wird künftig nicht mehr auf die Blockadehaltung des großen Koalitionspartners verweisen können, wenn etwa Initiativen zur Entschuldung der Kommunen oder zur Bewältigungshilfe der EU-Südostmigration nicht durchgesetzt werden können. Er und seine Genossinnen und Genossen werden nun liefern müssen.

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Gelsenkirchen wird also bundespolitisch mehr mit dem Respekt behandelt werden müssen, von dem Olaf Scholz so gerne spricht. Andernfalls droht, dass sich die Gelsenkirchenerinnen und Gelsenkirchener in ihrer Enttäuschung weiter alleingelassen fühlen - und wieder mehr Leute empfänglicher werden für die spaltende Politik der AfD. Die Rechtspopulisten sind in Gelsenkirchen weiterhin deutlich stärker als im Bund, haben hier in diesem Jahr aber auch einen Dämpfer bekommen. Auch hier konnten sie als Stimme der Ungeimpften und Pandemiepolitik-Kritiker nicht so mobilisieren wie sie es in den Folgejahren der sogenannten Flüchtlingskrise während der Bundestagswahl 2017 konnten.

Gelsenkirchen bleibt prominent in Berlin vertreten

Auf der Gewinnerseite dagegen: die Bündnisgrünen, die mit ihrer Direktkandidatin Irene Mihalic ein zweistelliges Ergebnis erreichen konnten und ihr Ergebnis von 2017 mehr als verdoppeln konnten. Das ist nicht nur dem Bundestrend zu verdanken. Mihalic hat den Grünen-Wahlkampf mit inhaltlichen Akzenten zu Hochwasserschutz und Mafia-Strukturen bereichert und ist in der Öffentlichkeit als profilierte Innenpolitikerin wahrnehmbar gewesen. Das gibt ihr gute Karten beim Postenpoker einer möglichen Dreierkoalition mit Grünen-Beteiligung.

Mihalic wird nicht die einzige Gelsenkirchenerin sein, die in den kommenden Jahren in Berlin eine tragende Rolle spielen könnte. Auch für Marco Buschmann von der FDP, einem engen Vertrauten von Parteichef Christian Lindner, dürfte der nächste Karriereschritt anstehen. Zählt man Töns und AfD-Mann Jörg Schneider hinzu, ist Gelsenkirchen in Berlin in den nächsten Jahren weiterhin gut vertreten. Die Stadtbevölkerung darf von den vieren verlangen, dass sie dabei das Beste für die Stadt rausholen.