Gelsenkirchen-Buer. Am Freitag war es in Gelsenkirchen-Buer zu einem größeren Polizeieinsatz wegen einer Schlägerei gekommen. Polizei beklagt fehlenden Respekt.

Es waren Szenen, wie man sie in der ansonsten eher beschaulichen Buerschen Innenstadt selten sieht: Polizisten, die im Vollsprint über die Domplatte laufen, aggressive Jugendliche, die Polizisten attackieren – und schließlich erst am Boden fixiert und dann ins Polizeigewahrsam gebracht werden. Wie berichtet, war eine Schlägerei gegenüber des Michaelshauses Auslöser für einen größeren Polizeieinsatz, den viele Menschen, die bei schönem Wetter in der Außengastronomie saßen, „live“ mitbekamen.

Treffpunkt vieler Jugendlicher ist der Gelsenkirchener Bereich zwischen Hochstraße/Hagenstraße und dem Platz vor dem Michaelshaus. 
Treffpunkt vieler Jugendlicher ist der Gelsenkirchener Bereich zwischen Hochstraße/Hagenstraße und dem Platz vor dem Michaelshaus.  © Foto: Heselmann

Ausgangspunkt des Vorfalls war offenbar der Bereich zwischen Hochstraße/Hagenstraße und dem Platz vor dem Michaelshaus. Für Beobachter der Szene in Buer keine Überraschung: Dass sich dort an den Abenden am Wochenende regelmäßig viele Menschen versammeln, um zu feiern, ist nicht neu. In dem Areal konzentriert sich die Buersche Kneipenszene, unter anderem finden sich dort das „Wacholderhäuschen“, das „Fliegenpils“, um die Ecke sind das „Lokal ohne Namen“, das „Domgold“ und seit kurzem auch das „LON Deli“.

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Doch nicht alle der vor allem jungen Menschen, die sich dort treffen, sind auch Gäste in den Kneipen – viele besorgen sich ihre Getränkte auch entweder im Supermarkt (bis zum Ladenschluss) oder an der Trinkhalle an der Hagenstraße. Peter Wendt betreibt seit vielen Jahren die Gaststätte „Fliegenpils“, er beobachtet das Treiben dort schon seit einiger Zeit. „Dass man sich in Buer vor der Kneipe statt in der Kneipe trifft, ist ja nichts Neues“, sagt er. „das gab es schon vor vielen Jahren.“ Er hat aber auch wahrgenommen, dass das Problem in letzter Zeit gehäuft auftritt – immer wieder gebe es Ärger mit Jugendlichen, die dort stehen und mitunter auch einmal in Streit miteinander geraten. Wendt fordert einen größere Präsenz der Polizei. „Die sollte nicht nur reagieren, sondern agieren“, sagt er.

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Auch Wendt hat das Kiosk als eines der Probleme ausgemacht: Dort könnten sich Jugendliche problemlos und oft recht günstig mit Alkohol versorgen, sagt der Wirt. Stadtsprecher Martin Schulmann widerspricht. „Der Besitzer hat sich freiwillig dazu bereit erklärt, Alkohol bis maximal 23 Uhr zu verkaufen“, so Schulmann, „außerdem gibt es dort kein Bier mehr in Glasflaschen.“

98 Anzeigen wegen Widerstands gegen Beamte in sieben Monaten in Gelsenkirchen

Haben Corona-Pandemie und Lockdown dazu beigetragen, dass die Aggressivität bei Jugendlichen steigt? Eine Studie dazu gibt es nicht. Die Polizei beobachtet zumindest aber schon seit mehreren Jahren eine „auffällige und zunehmende Respektlosigkeit gegenüber Polizei- und Rettungskräften sowie anderen gleichgestellten Personen“, wie Behördensprecher Matthias Büscher auf Anfrage erklärte. Nichts zuletzt deshalb benennen Polizei und Feuerwehr in ihren Jahresberichten Übergriffe auf Einsatzkräfte mittlerweile explizit. Verbunden mit den Attacken gehen nach Angaben der Polizei „in nahezu allen Fällen Handyaufnahmen von Beteiligten und Unbeteiligten“ einher.

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Wie Büscher weiter mitteilte, stellen seine „Kolleginnen und Kollegen zudem häufig fest, dass sich Unbeteiligte, unabhängig vom Geschlecht, mit dem vermeintlichen Opfer solidarisieren und ebenfalls die Einsatzkräfte angreifen“. In welchen Dimensionen sich die Attacken bewegen, zeigen die jüngsten Zahlen. Demnach wurden im Zeitraum von Januar bis Juli dieses Jahres 98 Strafanzeigen wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und tätlichen Angriffs auf ebensolche gefertigt, im Vorjahreszeitraum waren es 91 Anzeigen. Dabei wurden 171 angegriffene Einsatzkräfte (2020: 166) registriert.

Sprunghafte Zunahme von Beamtenbeleidigungen in Gelsenkirchen

Polizei: Kein Einsatz von Taser

Nach den tumultartigen Szenen machten Berichte die Runde, die Polizei hätte Schlagstöcke und Taser (Elektroschockpistolen) eingesetzt, zudem sollen bis zu 17 Personen festgenommen worden sein. „Der Einsatz von Schlagstöcken oder Taser ist im Einsatzbericht nicht aufgeführt“, sagte Matthias Büscher. Drei Personen seien vorübergehend in Gewahrsam genommen worden. „Das Abdrängen von Personen oder Gruppen, um eine aufgeheizte Situation zu beruhigen, gehört zu der Palette polizeilicher Maßnahmen“, so der Sprecher weiter.

Als Modell- und Erprobungsbehörde für den Taser hätte der Einsatz des Elektroschockers im sogenannten Erfassungsbericht aufgeführt sein müssen. Das war laut Gelsenkirchener Polizeipräsidium nicht der Fall.

„Darüber hinaus werden auch Strafverfahren eingeleitet, wenn Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte in Ausübung ihres Dienstes beleidigt werden“, sagte Matthias Büscher. Die Zahl der diesbezüglich eingeleiteten Verfahren ist offenbar stark gestiegen. „Waren es im Jahr 2020 deutlich weniger als 100 Strafanzeigen insgesamt, so sind es im laufenden Jahr bereits deutlich über 100 Strafanzeigen wegen Beleidigung von Polizistinnen und Polizisten“, so der Sprecher.

Bei den Übergriffen auf Beamte überwiegen laut Polizeibehörde die tätlichen Angriffe, Bedrohungen sind demnach in der Minderzahl. „Drängeln, Schubsen und Stoßen, gefolgt von Schlägen und Tritten“, sind Büscher zufolge die häufigsten Attacken auf Polizisten. Beleidigungen mit Worten und Gesten (Stinkefinger und Co.). Die häufigsten verbalen Angriffsformen sind Beleidigungen mit Worten oder Gesten, Anschreien und Bedrängen sowie das Zu-Leibe-Rücken.

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