Gelsenkirchen-Buer. Wie die Gelsenkirchener Verwaltung das Informationsdefizit begründet. Und welche Gefahren die Funde für Schüler und Lehrer mit sich bringen.
Es war eine knappe Mitteilungsvorlage in der Bezirksvertretung Nord auf eine Anfrage des stellvertretenden Bezirksbürgermeisters Ingo Kowalczyk: Die „umfangreichen Schadstoffsanierungen“ am Max-Planck- und Annette-von-Droste-Hülshoff-Gymnasium sowie am Berufskolleg am Goldberg, hieß es, könnten nur in den Ferien vorgenommen werden. Freilich: Was für den CDU-Bezirksverordneten neu war, davon hatten auch die kommissarischen Schulleitungen von MPG und AvD nach eigenen Angaben keine Kenntnis.
„Von Asbest und PCB in unserem Gebäude höre ich jetzt zum ersten Mal“, reagierte etwa Charlotte Renner, kommissarische AvD-Leiterin, überrascht auf die Nachfrage der Redaktion. Ähnlich äußerte sich auch ihre MPG-Kollegin Cirsten Scharf, die Anfang August die kommissarische Leitung von Thomas Henrichs übernommen hatte. Henrichs, inzwischen tätig für die Bezirksregierung Münster, bestätigte ebenfalls auf Anfrage, über die Funde nicht informiert zu sein.
Schadstoffe in Putzen und Bodenbelägen der zwei Gelsenkirchener Gymnasien
Dass aktuell Asbest in deren Gymnasien in Putzen, Spachtelmassen, Klebern, Bodenbelägen, Fensterkitt der Drahtglastüren und Rohrdämmungen festgestellt worden war, erfuhren die Zwei erst durch die Redaktion; ebenso von PCB im Anstrich der Türanlagen-Metallrahmen am AvD.
Irritiert zeigte sich Charlotte Renner auch von der möglichen Terminierung der ihr noch unbekannten Baumaßnahmen. „Wir überlegen gerade, ob und wann wir Lernferien anbieten, um coronabedingte Lernrückstände aufzuholen. Da müssen wir schon wissen, ob uns bestimmte Räume nicht zur Verfügung stehen.“
Verwaltung: Ein nicht so seltener Zufallsfund
Wie die Redaktion auf Nachfrage im städtischen Referat für Hochbau und Liegenschaften erfuhr, handele es sich um einen in Schulen nicht so seltenen Schadstoff-Zufallsfund. „Was Asbest und PCB angeht, haben wir ja 2018 sämtliche städtischen Gebäude, die vor 1996 errichtet wurden, aus Vorsicht unter Generalverdacht gestellt. Bevor dort bauliche Eingriffe vorgenommen werden, untersuchen wir die Bereiche, wo die Arbeiten geplant sind. Und dabei finden wir nicht immer, aber doch immer wieder Schadstoffe“, erklärte Referatsleiter Tino Gäfke.
In MPG und AvD seien Asbest und (im AvD) PCB entdeckt worden, als die Verwaltung besondere Brandschutzmaßnahmen vorbereitet habe. Wie es heißt, ist in beiden Schulen der Austausch von Drahtglastüren geplant, die laut Deutschem Gesetzlichen Unfallversicherungsverband (DGUV) eine Verletzungsgefahr mit sich bringen, da deren Glas nicht bruchsicher ist.
26 Türanlagen in drei Etagen sind es laut Verwaltung am AvD, 28 am MPG. Asbest entdeckt wurde am AvD an vier Türbereichen, wie viele es am MPG sind, konnte die Bauverwaltung nicht sagen. „Der gebundene Schadstoff wurde in Spachtelmassen mit verarbeitet. Er wird beim Austausch der Türen unter vorgegebenen Richtlinien entfernt, so dass keine Gefahr besteht“, betonte Gäfke.
Stadt: Keine Gefahr für Schüler und Lehrer im laufenden Betrieb
Nach seinen Angaben stünden die alten Drahtglastüren mit ihrem nicht bruchsicheren Glas noch so lange unter Bestandsschutz, wie dort keine baulichen Veränderungen vorgenommen würden. „Wir tauschen sie in allen Schulen sukzessive aus“, aber das brauche auch aus finanziellen Gründen seine Zeit. Der Fokus liege derzeit nun einmal auf dem Bau der neuen Schulen, „es sei denn, es ist Gefahr im Verzug, dann handeln wir sofort.“ Dabei sei die Verwaltung auch immer auf Hinweise aus den Schulen angewiesen.
Eine Gefahr für Schüler und Lehrer gehe im laufenden Schulbetrieb nicht von den Schadstoffen aus, hob Gäfke hervor. Voraussetzung: Die entsprechenden Flächen würden nicht durch Schneiden, Schleifen, Bohren, Hämmern oder Meißeln beschädigt. „Nur wenn sich zum Beispiel der asbesthaltige Kleber von Bodenfliesen löst, wird es kritisch. Problematischer ist eine PCB-haltige Versiegelung, da der Schadstoff ausdünstet. Aber die Messwerte in der Raumluft am AvD liegen deutlich unterhalb der Grenzwerte.“
Eltern und Schüler konnten wegen fehlender Info nicht gewarnt werden
Wer Schulen und Klassenräume betritt, stellt allerdings zumeist fest: Kinder und Jugendliche gehen nicht immer „bestimmungsgemäß“ mit Bodenfliesen und deren womöglich asbesthaltigen Klebern, Fensterkitt und Wandputz um. Risse in Bodenbelägen und Löcher im Fensterkitt lassen auf mutwillige Zerstörung mit Zirkeln oder Stiften schließen – und damit auf die Freisetzung von Schadstoffen.
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Eine entsprechende Information von Schülern und Eltern, um vor Gesundheitsschäden durch die Beschädigung von Wänden oder Bodenfliesen zu warnen, erfolgte nicht – die Schulleitungen von MPG und AvD waren ja nicht über die Funde informiert. Die kommissarische MPG-Leiterin Scharf wusste lediglich vom Austausch einiger Brandschutztüren zu berichten.
Baumaßnahmen werden mindestens sechs Wochen dauern
Dass die Schulen keine Kenntnis von den aktuellen Schadstoff-Funden haben, begründete Gäfke damit, „dass wir erst die Beschlüsse in den politischen Gremien einholen, um keine falschen Erwartungen zu wecken; erst dann werden die Schulen informiert und in die Terminabstimmung eingebunden.“
Was den nun anstehenden Einbau von Brandschutztüren angeht, so werde dieser in jeder Schule mindestens sechs Wochen dauern. Eigentlich waren die Arbeiten für die gerade beendeten Sommerferien geplant, wegen krankheitsbedingter Personalengpässe in der Verwaltung hätten sie aber nicht durchgeführt werden können, so Gäfke weiter. Angepeilt seien nun die Sommerferien 2022, denkbar sei aber auch eine Aufteilung in Teilleistungen.
Berufskolleg-Leiter lobt Transparenz der Stadt in Sachen Schadstoffe
Berufskolleg-Leiter Ralf Niebisch zeigte sich nach den PCB-Sanierungen von zwei Gebäuden in den vergangenen zwei Schuljahren auf dem neuesten Stand in Sachen Schadstoffe und lobte die „gute, konstruktive Zusammenarbeit“ mit der Verwaltung, der die Sicherheit von Schülern und Lehrern sehr wichtig sei.
So seien etwa zwei Werkräume vorübergehend versiegelt und geschlossen worden, weil deren Türen mit einer asbesthaltigen Brandschutz-Schicht versehen waren. „Nun wurden die Türen in den Ferien ausgetauscht, und die Räume können wieder genutzt werden“, so Niebisch.
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