Gelsenkirchen. Die Liste der Impfwilligen ist oft abgearbeitet, das Verfallsdatum der Impfdosen überschritten. Wie sich die Impfflaute in Gelsenkirchen auswirkt

Immer mehr Arztpraxen melden, dass sie Impfstoff entsorgen müssen. Oder dass sie einen immensen Aufwand betreiben müssen, um nicht wahrgenommene Termine adäquat nachzubesetzen.

Davon berichtet auch eine Hausarztpraxis in Schalke. „Leider zeichnet sich dieser Trend auch bei uns ab. Die Menschen sind impffaul geworden“, sagt Daniela Breuer von der Hausarztpraxis „Dr. Beck und Kollegen“. Eine ellenlange Warteliste wie noch vor einigen Wochen müssen die Arzthelferin und ihre Kolleginnen nicht mehr führen. Das sei jetzt nur noch eine Sache von wenigen Tagen. Mitunter sind es auch nur wenige Stunden order Minuten.

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„Viele sind in den Urlaub gefahren oder lassen den zweiten Impftermin einfach verfallen, weil die Inzidenz verhältnismäßig niedrig ist“, sagt Breuer. „Man kommt ja bislang noch überall problemlos überall hinein, beispielsweise ins Restaurant. Deshalb denken viele, man braucht keine Impfung mehr“, mutmaßt die Arzthelferin Gründe für die Impfflaute in Gelsenkirchen.

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Gelsenkirchener Arztpraxen: Zunehmend schwerer, bei Nichterscheinen Ersatz zu finden

Für Daniela Breuer und das Praxisteam bedeuten die vielen Absagen und Nichterschienenen „eine Heidenarbeit“. Gut und gerne drei Stunden, so erzählt sie, hängen sie und ihre Kolleginnen dann täglich am Hörer, um die Lücken im Terminkalender aufzufüllen. Neben all der anderen Arbeit, die zu verrichten ist. Mit Glück kommen Patienten, die für einen späteren Termin vorgesehen sind, spontan vorbei. „Aber das ist nicht die Regel, sondern eher die Ausnahme. Auch wir mussten daher schon Impfdosen entsorgen.“

Ähnliches ist auch von der Erler Praxis von Allgemeinarzt Valentin Borcea zu hören. „Erst heute haben wir wieder einige Absagen bekommen“, sagt eine medizinische Fachangestellte, die ihren Namen nicht veröffentlich wissen will. „Immerhin haben wir zumeist Bescheid gekriegt, so dass wir noch versuchen können, Ersatz zu finden. Das aber wird zunehmend schwerer, wir telefonieren Patienten selbst nach Dienstschluss noch hinterher“, beschreibt die Helferin ihren Arbeitsalltag.

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„Das ist sehr schade und frustrierend zugleich“, so die Fachangestellte weiter. „Offenbar denken viele, dass eine Impfflasche gleichbedeutend ist mit einer Impfung und einfach jemand anders dann die Spritze bekommt.“ Das aber ist nicht der Fall, und die Mitarbeiterin erinnert daran: „Aus einer Ampulle Vakzin stellen wir sechs Impfdosen her, finden wir bei einer geöffneten Flasche keinen Ersatz bei Absage und Nichterscheinen, so landet das wertvolle Vakzin in der Abfalltonne.“

Impfangebote im Zentrum

Selbst am Gelsenkirchener Impfzentrum in der Emscher-Lippe-Halle (Adenauerallee 118) verebbt der Strom der Impfwilligen sichtbar. Zuletzt war das Zentrum für einige Tage geschlossen. Der nächste Tag, an dem jedem Impfling auch ohne Termin ein Vakzin gegen das lebensgefährliche Corona-Virus gespritzt wird, ist der Mittwoch, 28. Juli von 14 bis 18 Uhr. Ab Donnerstag, 29. Juli, öffnet das Gelsenkirchener Impfzentrum bis auf weiteres täglich (auch an Wochenenden) jeweils von 8 bis 18 Uhr.

Das Impfzentrum bietet am Donnerstag, 29. Juli, und am Donnerstag, 5. August, von 14 bis um 18.30 Uhr Impftermine für Kinder und Jugendliche ab 12 Jahren an. Eine Voranmeldung oder Buchung ist nicht notwendig. Wegen des Beratungsgespräches sollte Zeit eingeplant werden.

In Gelsenkirchen haben aktuell 138.888 Menschen eine vollständige Impfung erhalten, das entspricht einer Quote von rund 53 Prozent im Bezug auf die Gesamtbevölkerung. Die angestrebte Herdenimmunität wird bei 85 Prozent erreicht. 165.215 Menschen haben ihre Erstimpfung bekommen.

Gelsenkirchener Praxis vergibt keine Ersatz-Impftermine bei Achtlosigkeit

Dr. Hans-Bernd Tefett hat aus diesem Verhalten mancher Impflinge bereits Konsequenzen gezogen. „Wer ohne Grund einen Impftermin absagt oder nicht erscheint, der bekommt auch keinen weiteren Termin mehr - der kann sich beim Impfzentrum anstellen“, sagt der Allgemeinmediziner. In der Hochphase verzeichnete die Gemeinschaftspraxis in der Altstadt 300 Impfungen pro Woche, jetzt seien es weitaus weniger.

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Wegen der zunehmenden Impfmüdigkeit, so berichtet es der Arzt weiter, sprächen er und seine Kolleginnen und Kollegen „alles an, was zwei Beine hat“. Das Telefon sei ständig am Ohr, gleichbedeutend mit einem „gigantischen Aufwand“. Tefett treibt die Sorge vor einer vierten Welle und schweren Folgen durch die deutlich aggressivere Delta-Variante des Virus. „Long Covid-Erkrankungen bei Jüngeren nehmen zu, zugleich zeigt sich, dass jüngere Menschen öfter unter schweren Folgen einer Corona-Infektion zu leiden haben“, so der Arzt weiter. Daher müsse diese Altersgruppe stärker angesprochen und von der Notwendigkeit einer schützenden Corona-Impfung überzeugt werden.