Gelsenkirchen. Der neue Chefarzt der Klinik für Seelische Gesundheit an den EVK in Gelsenkirchen will bald auch Long-Covid-Patienten eine Anlaufstelle bieten.
Nach fast einem Jahr unter kommissarischer Leitung hat die Klinik für Seelische Gesundheit und Präventivmedizin an den Evangelischen Kliniken einen neuen Chefarzt: Prof. Dr. Peer Abilgaard. Der 52-Jährige ist Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Diplom-Gesangpädagoge und Diplom-Instrumentalpädagoge – und hat auch selbst schon als Sangessolist auf Opernbühnen gestanden. Abilgaard folgt Privat-Dozent Dr. Markus W. Agelink, der das Haus im Sommer 2020 verlassen hatte. Der Neue lehrt neben der Chefarzttätigkeit in Gelsenkirchen als Professor für Musikermedizin an der Hochschule für Musik und Tanz in Köln.
Alle Therapiesäulen der Psychiatrie und Psychotherapie nutzen
Abilgaard will an den Evangelischen Kliniken alle drei Therapiesäulen der Psychiatrie und Psychotherapie anbieten, abhängig vom Störungsbild des Einzelnen. Pharmakologie, Hirnstimulationsverfahren und Elektrokrampftherapie kommen ebenso zum Einsatz wie Gesprächs- und Verhaltenstherapie. Er selbst versteht sich vor allem als Sozialpsychiater, der den Hintergrund des einzelnen Patienten, seine Geschichte und seine Lebensbedingungen erkundet, verstehen will. Auch kultursensible Arbeit dank Kollegen, die selbst einen Migrationshintergrund haben, ist ihm dabei wichtig.
„Bei den allermeisten Patienten gibt es soziale Erschütterungen, traumatische Erfahrungen im Hintergrund. Deshalb bin ich zum Start in Gelsenkirchen nun auch viel in der Stadt unterwegs, mit dem Fahrrad. Es ist für meine Arbeit wichtig, mir ein Bild zu machen, zu wissen: Wie sieht es vor der Tür aus?“, erklärt der Professor seinen Ansatz.
„Gute Netzwerke für die Zeit nach der stationären Therapie sind wichtig“
Neben den Stadt-Erkundungstouren ist Abilgaard derzeit aber vor allem auch dabei, Kontakte zu den niedergelassenen Kollegen aufzubauen, um eine lückenlose Begleitung der Patienten nach dem stationären Aufenthalt sichern zu können. Gleiches gilt für den sozialpsychiatrischen Dienst der Stadt. Gute Netzwerke seien wesentlich für die Begleitung der Patienten nach einer stationären Therapie, so Abilgaard.
Auch die Akutversorgung im Notfall spielt in der Klinik an der Munckelstraße eine große Rolle. Seelische Krisen, die sich durch akute Selbstmordgefährdung, Alkoholvergiftung, Vereinsamung mit Abreißen aller sozialen Kontakte, deren Bedrohlichkeit durch Corona noch potenziert wurde, sind häufige Gründe für eine Akutaufnahme im Haus.
Zusammenarbeit mit Klinik für Eltererkrankungen und Geronto-Psychiatrie stärken
Den Bereich der Alterserkrankungen möchte Abilgaard in enger Kooperation mit der bestehenden hauseigenen geriatrischen Abteilung weiterentwickeln. Ein interdisziplinär und multiprofessionell aufgestelltes Team wird hier den älteren Gelsenkirchener Mitbürgern, die mehrfach körperlich und psychisch erkrankt sind, zur Verfügung stehen. „Für unsere Patientinnen und Patienten, Angehörige, den ärztlichen und psychologischen Kolleginnen und Kollegen und die Mitarbeiter der gemeindepsychiatrischen Versorgung in der gesamten Region soll die Klinik stets ein verlässlicher Ansprechpartner sein“, so Abilgaard.
Arzt, Therapeut und Sänger
Prof. Dr. Peer Abilgaard studierte Medizin an den Universitäten Köln, Bonn und Paris, sowie Gesang und Trompete an der Hochschule für Musik und Tanz in Köln. Als Countertenor stand der Mediziner auch bereits als Gastsolist auf verschiedenen Opernbühnen.
Zuletzt war Abilgaard elf Jahre als Chefarzt der Abteilung für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik an den SANA-Kliniken Duisburg tätig. Über „würdeorientierte Ansätze in der Psychotherapie, den Stellenwert nonverbaler Psychotherapie“, dabei speziell der Musiktherapie, hat Abilgaard mehrere Bücher und Buchbeiträge veröffentlicht. Abilgaard ist verheiratet und Vater von drei Kindern.
Hausintern laufe die Kommunikation ausgezeichnet, freut sich der neue Chefarzt. Gemeinsam mit dem Chefarzt der Neurologie, Prof Michael Linnebank, hat Peer Abilgaard auch schon Pläne geschmiedet: Sie möchten eine Anlaufstelle für Long- und Post-Covid-Patienten einrichten, als ambulantes Angebot. Die neurologischen und psychischen Folgen der Erkrankung für diese Gruppe sind noch weitgehend unbekannt.
Start für ambulantes Angebot für Long-Covid-Patienten für August geplant
„Wir möchten diesen Patienten interdisziplinär helfen. Da gibt es noch sehr viel zu lernen, das wird uns noch lange beschäftigen. Ich bin sehr froh, dass die Kommunikation und das konstruktive Miteinander in den Evangelischen Kliniken und auch mit der Geschäftsführung so gut ist, dass dieses Angebot so schnell eingerichtet werden kann. Wir hoffen, bereits im Laufe des August starten zu können“, schwärmt Abilgaard.
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