Gelsenkirchen-Resse. Drei Biologen haben ihren Botanische Garten mit Tropenhaus für außergewöhnliche Pflanzen gegründet. Am Waldfriedhof bekommen ihre Träume Wurzeln.
Sie suchten ein Gewächshaus, um von der Anzucht auf der heimischen Fensterbank weg zu kommen, und haben sich beim ersten Besichtigungstermin in die leerstehende Gärtnerei im Städtedreieck Gelsenkirchen, Herten, Herne verschossen. Leer standen die gut 2000 Quadratmeter Gärtnerei und Freifläche, weil der Waldfriedhof nebenan nicht mehr neu belegt wird. Die Kundschaft blieb aus. Die Wirtschaftsförderer begrüßten die Neugründer mit ihrem Konzept vom eigenen Botanischen Garten und Tropenhaus „Jungle Leaves“. Prompt kam direkt nach eben diesem Termin allerdings der erste Corona-Lockdown.
Das bot dem Trio die Gelegenheit, alles freizulegen und den Betrieb vorzubereiten. Erst einmal standen sie im Außengelände im knietiefen Laub. „In den Teich wären wir bald reingelaufen“, erinnern sie sich lachend. Bis zum Start im März wurde geschuftet, seitdem ist kein Arbeitstag mehr kürzer als zehn Stunden, allein schon durch die Buchhaltung. „Wir können jeden Praktikanten gebrauchen“, sagen sie schon jetzt. Denn so richtig aufgeräumt und durchstrukturiert ist es im „Jungle Leaves“ noch nicht: „Nur aufgeräumt“.
Im Dreieck Gelsenkirchen, Herten, Herne lag eine große Chance
Den drei Sammlern reichten die Standardwege für Biologen und Zoologen nach der Ruhr-Uni-Zeit nicht. Alex Ruppert skizziert: „Meistens geht man in die Forschung, das ist dann an der Uni selbst richtig hart. Stellen bei Botanischen Gärten, den Kommunen oder Zoos sind ziemlich rar, deshalb machen viele ganz was anderes, etwa im Öffentlichen Dienst“. Mit der Chance, die sich hier bot, warfen sie ihr gesamtes Potenzial in die Waagschale.
Die Vermehrung und Pflege von außergewöhnlichen Pflanzen jenseits der Massenware treibt alle drei um. Die Liebhaber der eher exotischen Flora, die hier fündig werden, wissen um die Nische ihrer Leidenschaft. Und auch, dass dafür auch nicht die Preise gängiger Massenware aufgerufen werden.
Passend zum Licht und Platz zuhause
Dafür haben sich die drei Jungunternehmer inzwischen auf die individuelle Beratung verlegt und empfehlen je nach Größe der Kundenwohnung, Lichteinfall und Pflegeaufwand ihre selbst gezogenen Schützlinge. Zum Teil wird allerdings auch zugekauft. „Es gibt schon einen ziemlichen Hype auf seltene Pflanzen“, beschreiben sie, und haben daher auf den Tischen im Riesengewächshaus manches Exemplar, das noch unbenannt oder sogar gerade erst entdeckt worden ist.
Ein ganzer Bereich ist den „Carnivoren“, den fleischfressenden Pflanzen gewidmet, Begonien nehmen einen großen Raum mit erstaunlicher Vielfalt ein, darunter sogar welche, die im Dunkeln ihre Blätter türkis leuchten lassen. Aber auch im Freigelände hat inzwischen einiges Wurzeln geschlagen, wonach Sammler suchen. Die „Elefantenohren“, die Alex zeigt, werden mit etwas Glück 2,5 Meter groß. „Da muss man schon wissen, ob man den Platz zuhause zur Verfügung hat.“
Stecklinge mit Wurzeln und Überlebenschancen
Woher die aus Südafrika stammende „Schildkrötenpflanze“ ihren Namen hat, ist deutlich. „Die kann man allerdings auch vererben, so alt werden die Ranken“, plaudert Nils aus dem Schatzkästchen. Und die Kletterzwiebel ist die giftigste Pflanze der Kap-Region, „wird auch für Pfeilgift genommen“, beim Anfassen aber ist sie harmlos.
Info und Kontakt
Jungle Leaves, Ewaldstraße 486, 45699 Herten, Telefon: 02366 5694440, E-Mail: webshop@jungle-leaves.de, geöffnet von Montag bis Freitag von 10 bis 18 Uhr, am Samstag von 10 bis 16 Uhr, sonntags geschlossen, Buslinien 312 und SB27, Haltestelle Wanne Waldfriedhof.Damit die Pflanzen möglichst unversehrt beim Kunden ankommen, wird die Zeit für den Versand möglichst kurz gehalten. Bestellungen von lebenden Pflanzen werden daher innerhalb Deutschlands nur von Montag bis Mittwoch aufgegeben; innerhalb der EU nur montags. Bei Temperaturen unter 0° oder über 30° wird der Versand sogar eingestellt. Nach eigener Schätzung bieten die drei Biologen auf 220 Quadratmeter Verkaufsfläche 456 Pflanzenarten und über 12.000 Pflanzen an.
Da gibt es Pflanzen, die nur nach Buschfeuern blühen, Mangroven, die Salzwasser vertragen, Fleischfresser, die unterirdisch ihre Beute ansaugen. „Wir geben keine Stecklinge ab, die noch keine Wurzeln haben, damit sie überlebensfähig sind“, schildert Patrick überzeugt.
Mit ihrem wissenschaftlichen Hintergrund legen sie Wert auf Nachhaltigkeit und Informationen über diese Organismen, die auch über die erfolgreiche Pflege hinausgehen. In ihrem Blog geben sie detaillierte Pflegehinweise und streifen botanische Besonderheiten, amüsante Anekdoten und faszinierende pflanzliche Vielfalt.
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